Balve. . Kommen Wahl-Watschen auf Bundes- und Landesebene vor Ort an? Fragen an SPD-Fraktionschef Cay Schmidt.

Für die SPD läuft gerade auf vielen Ebenen alles andere als rund. Welchen Einfluss hat Volkes Stimme auf die Stimmung an der Basis? Fragen an den SPD-Fraktionsvorsitzenden im Balver Rat, Cay Schmidt.

Die Bundestagswahl lief für die SPD alles andere als erfreulich, und dann die Bayern-Wahl. Möchten Sie jetzt abtauchen, Herr Schmidt?

In Balve sind Siggi und Cay Schmidt auch als Betreiber des Tauchladens an der Bogenstraße bekannt (hier bei der Eröffnung)
In Balve sind Siggi und Cay Schmidt auch als Betreiber des Tauchladens an der Bogenstraße bekannt (hier bei der Eröffnung) © WP-Archiv

Cay Schmidt: Ich verstehe Ihre Anspielung auf meinen Tauchladen (lächelt). Nein, es ist so, dass diese Trends und Informationen nicht einfach zu verarbeiten sind. Sie sind zum Teil einfach nicht begreifbar. Das lässt sich logisch nicht wirklich erklären. Die SPD leistet in der Groko eine gute Arbeit – wie jetzt das Teilzeit-Gesetz, das Bürgern die Rückkehr zur Vollzeit ermöglicht. Das Gesetz nützt ihnen. Aber es wird nicht wahrgenommen. Es scheint eine Grundstimmung da zu sein, dass die sogenannten Volksparteien das Volk nicht mehr vertreten können und dass sie offensichtlich an Interesse und Zuspruch verlieren.

Nun könnte man sagen: Warum diskutiert Ihr Ereignisse, die weit, weit weg liegen? Aber: Vor nicht allzu langer Zeit schlug der Martin-Schulz-Effekt auf die Ortsvereine durch. Welchen Trend beobachten Sie im Augenblick?

Wahlkampf 2014: Lorenz Schnadt (UWG) und Cay Schmidt (SPD) unterzeichnen Listenverbindung
Wahlkampf 2014: Lorenz Schnadt (UWG) und Cay Schmidt (SPD) unterzeichnen Listenverbindung © Alexander Bange

Wir verlieren seit vielen, vielen Jahren Mitglieder, auch aus bundespolitischen Gründen. Das war bei Gerhard Schröder so, das war bei der früheren Groko so. Die SPD hat eine überalterte Struktur. Wir verlieren also auch auf natürlichem Weg Mitglieder. Wir bekommen aber kaum neue Mitglieder dazu. Bei den Verhandlungen zur neuen Groko hatten wir einen Zuwachs von vier Mitgliedern, die aber wieder weg waren, nachdem die Abstimmung gelaufen war.

Ich beobachte, dass Kommunalpolitik in Balve unaufgeregt und sachorientiert betrieben wird. Wie kann die SPD erkennbar bleiben?

Das ist eine gute Frage. Ich, als Person, bin dafür bekannt, dass ich der Bundes-SPD und der Landes-SPD eher kritisch gegenüber stehe. Ich habe immer gesagt: Ich mache Politik, weil mich die Lebenssituation vor Ort interessiert.

Stichwort Überalterung. Wie kann die SPD denn junge Leute dazu motivieren, sich politisch zu engagieren?

Unter diesem Problem leiden alle klassischen Parteien, die Grünen ausgenommen und die AfD aus bestimmten Gründen ebenfalls ausgenommen. Im Ruhrgebiet gibt es eine Tradition: Wenn die Eltern sich in der SPD engagieren, engagieren sich deren Kinder auch. Das gibt es hier nicht. Wir hier sind Menschen, die nicht zwingend aus Balve stammen, sondern eher aus dem Umfeld.

Gibt es bei der SPD Überlegungen, mit weiterführenden Schulen, etwa der Realschule vor Ort, zu sprechen und anzubieten, für Diskussionen mit Schülern bereitzustehen?

Das hat es so noch nicht gegeben. Bei Kommunalpolitik geht es nicht ausschließlich um SPD. Da geht es eher darum, überhaupt für ein kommunalpolitisches Engagement zu werben. Für uns geht es darum herauszustellen, was SPD ausmacht. Das richtet sich nicht nur an Jugendliche, sondern auch an erwachsene Menschen. Wir haben im vergangenen Jahr Leitlinien für die Kommunalpolitik entwickelt, für die Kommunwahl 2020, vielleicht sogar bis 2025.

Die wichtigsten Punkte, bitte.

Die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs ist einer der Punkte. Es gibt, beispielsweise, keine Bus-Verbindung nach Hemer und damit auch nicht nach Iserlohn. Alles muss über Menden. Das gilt auch für die Schüler, die Berufsfachschüler. Sie haben enorm weite Wege. Es gibt keine Busverbindung an die Sorpe: das Naherholungsgebiet schlechthin.

Mobilität ist ein Riesenthema.

Bundestagsabgeordnete und Bundetagskandidatin der SPD, Dagmar Freitag, auf Wahlkampf-Tour in Balve im Jahr 2012. links: Bernd Zielhofer, rechts Cay Schmidt.
Bundestagsabgeordnete und Bundetagskandidatin der SPD, Dagmar Freitag, auf Wahlkampf-Tour in Balve im Jahr 2012. links: Bernd Zielhofer, rechts Cay Schmidt. © Scherer, Stefan

Auch Bildung war und ist für uns immer ein Riesenthema. Wir sehen, dass sich die Bildungslandschaft in Balve verändert hat. Es gibt die Hauptschule nicht mehr, nur als Restbestand an der Realschule. Wir haben damals als Lokalpolitiker verpasst – gemeinsam, keine Schuldzuweisung – verpasst, das Schulzentrum so auszubauen, dass hier Schulbildung bis zum Abitur möglich ist. Jetzt müssen unsere Fünftklässler, wenn sie nicht gerade zur Hauptschule wollen, weite Wege in Kauf nehmen müssen, nach Menden, nach Sundern.

Freizeit und Schule sind miteinander verzahnt.

Das hat Folgen für Freizeitverhalten und Vereinsleben. Schule prägt den Freundeskreis, und der ist nicht mehr in Balve. Nach der Schule, in der Ausbildung oder im Studium, setzt sich das fort. Am Ende kommen die Leute nicht mehr zurück.

Das sind die jungen Leute. Wie sieht’s mit den alten aus?

Landtagswahl 2012, Hochrechnungen im Blick: Bürgermeister Hubertus Mühling (rechts), Ehepaar Schmidt (Mitte)
Landtagswahl 2012, Hochrechnungen im Blick: Bürgermeister Hubertus Mühling (rechts), Ehepaar Schmidt (Mitte) © Marcus Bottin

Wir haben noch einen anderen Bereich, der uns interessiert – der demografische Wandel. Ich sehe das in meinem eigenen Umfeld. Wir haben ein paar alte Nachbarn, die in Häusern leben, die zu groß für sie sind. Aber wir haben kaum kleinen Wohnungen. Wir möchten, dass die alten Menschen so lange wie möglich selbstständig leben können. Die SPD könnte sich gut vorstellen, dass die Stadt als Bauherr auftritt – von Häusern mit kleineren Wohneinheiten für Senioren. Wenn die Stadt da eingreift, müssen wir natürlich auch an die Kassenlage denken. CDU und UWG verweisen gerne an den Markt. Teilweise passiert auch was – wie in Langenholthausen. Die frei werdenden Häuser könnten an junge Familien verkauft werden, die auch in 20 Jahren noch hier leben. Mir fehlt ein Gesamtkonzept.