Balve. . Saisonschluss bei sommerlichem Sonnenschein: Die MTB-Frauengruppe „Vitalo Pedalo“ ist unterwegs. Was schweißt sie zusammen?
Pause! Die Sonne lacht, als hätten wir August. Toskana-Feeling am Sorpesee. Cappuccino, Espresso, Weizenbier, alkoholfrei, versteht sich. Die Mädels lassen sich in die Polster im „Meilenweit“ fallen. Meilenweit: Tatsächlich haben sie schon ein paar Kilometer hinter uns gebracht, auf groben Stollen über ruppige Wege. „Singletracks“ sagen die Fachfrauen dazu. Ich sitze da und staune. Ich bin unterwegs mit Balver Mountainbikerinnen, mit der Gruppe „Vitalo Pedalo“. Die Jahresabschlussfahrt steht an, und ich bin mittendrin, allein unter Frauen.
Rückblende. Vor Jahren war ich mit Kerlen unterwegs, einer von ihnen war Dieter Uebing. Er war mal Vize-Weltmeister der Querfeldeinfahrer, hinter Klaus-Peter Thaler. Der Ton war rau. „Wat bist Du denn für’n toten Fisch?“, begrüßte mich einer der Mitfahrer. Ich dachte: von wegen. Eine Stunde lang stand ich im Wind, quälte mich. Dann kam „Pinsel“, so nannten ihn die Freunde von „Blitz Barmen“, zu mir und meinte: „Hömma, dat mit dem ,toten Fisch’ nehm’ ich zurück. Du bist ‘n Kämpfer, ‘n echten Kämpfer.“
Und jetzt allein unter Mädels. Wie würden sie drauf sein?
WP-Mitarbeiterin Claudia Heinemann hat mir von ihrer Truppe erzählt, dem Hobby-Frauenteam „Vitalo Pedalo“. Radfahren gilt als Männersport. Bikerinnen sind ungewöhnlich, beinahe Exotinnen. Als ich Interesse zeige, meint Claudia beiläufig: „Fahr’ doch mal mit.“ Gesagt, getan.
Wochenend und Sonnenschein
Am Ende gehen Fünf mit mir auf Tour: Anja, Antje, Bella, Martina und Melanie, offenkundig top trainiert. Bella wird mir unterwegs erzählen, sie trainiere im Fitness-Studio, klettere auch, fahre Ski, Sport sei einfach ihr Ding. Komme ich in die Biker-Hölle? „Och nö, die Tour wird nicht schlimm. Einmal Sorpesee und zurück. Am See machen wir ‘ne Pause.“ Würde mir eine Wellness-Runde bevorstehen? Meine innere Stimme rief: abwarten. Die Mädels drehen die Kurbel nicht zum ersten Mal, und die Gegend kennen sie auch – ich nicht.
Bergauf, bergab und tolle Panoramen
Was mich reizt: Balve ist ein Pedal-Paradies. Viele Wirtschaftswege, wenige Autos. Bergauf, bergab, fantastische Panoramablicke.
Wir starten am Hönnevital. Es geht zur Höhle, dann rauf in den Balver Wald. Wirtschaftswege, gewalzt, leichte Fahrspuren: keine Herausforderung. Wir rollen auf Mellen zu. Vorm Dorf treffen wir auf ein Paar mit Hund. Zwischenstopp, Plauderrunde.
Das Zwischenmenschliche spielt eine große Rolle. Die Gruppe fährt gemeinsam. Niemand fällt hinten ‘raus. Alle achten auf einander.
Dann schlägt die Stunde der Wahrheit. Hinter Mellen geht’s bergauf, erst über Wirtschaftswege, Spaziergänger grüßen freundlich. Dann kommt der grüne Tann. Steil ist die Piste, und ausgewaschen, die Reifen hüpfen von Stein zu Stein, bergauf. Ich trete, trete, trete. Bloß nicht absteigen. Ich hänge hinten dran, die leichtfüßigen Mädels fliegen den Berg hoch, sie haben Erfahrung, allein unter Frauen.
Tour de France im Kleinformat
Allein unter Frauen? Was die Mädels-Mannschaft von der Herren-Truppe unterscheidet: Die Herren fuhren Tour de France im Westentaschenformat, Wettkampf, Konkurrenz, jeder gegen jeden. Die Damen reden miteinander, die ganze Zeit. Der Ton ist freundlich, zugewandt, teamorientiert. Ein bisschen Lästerei über die Kerle gehört auch dazu. Ich werde freundlicherweise verschont: willkommen im Team.
Willkommen am Sorpesee. Pause. Für mich, als Reporter, gehören Fragen zum Handwerk. Ich merke aber schnell: Fragen ist Silber, Zuhören Gold. Die radelbegeisterten Frauen freuen sich, dass E-Bikes bei den Gatten Rad-Fieber auslösen. Sie selbst begeistern sich für Frauen-Workshops. Natürlich muss Freizeit-Vergnügen mit Familien-Verpflichtung getaktet werden.
Was hält sie zusammen?
„Eigentlich“, meint Melanie, „sind wir 15, vor allem im Frühjahr. Dann werden es immer weniger.“ Sie sagt es ohne Groll. Die Pflicht ruft, die Pflichten. Beim Saisonabschluss drehen nur noch fünf die Kurbel.
Wie fing denn alles an? Melanie lacht. „Es war beim Schützenfest“, erinnert sie sich, „ich habe mit Claudia darüber geredet; ich habe sie voll gequatscht.“ Und es klingt so, als habe sie eine Schnapsidee mit dem nötigen Bierernst vorgetragen – so überzeugend, dass die Idee Wirklichkeit wurde. Vor zwei Jahren war das. Und die Gruppe hält. Was hält sie zusammen? Ich spitze die Ohren. Ein Teil kennt sich von der Bike-Schule in Neuenrade, ein anderer Teil kommt aus dem Bekanntenkreis. Die Gruppe lebt die Balance von verbindlicher Verabredung und lockerem Treff.
Wir fahren weiter. Natürlich nehmen wir nicht die Straße vom Sorpesee nach Mellen – wir nehmen den Wald. Schmal ist die Piste, holprig die Strecke. Und dann geht es auch noch bergab auf schmalem Pfad.
Anja guckt mich streng an: „Hintern nach hinten, Arm angewinkelt wie ein Gorilla: Dann hast Du mehr Kontrolle über Dein Fahrrad.“ Fahrstunde – und sie hat recht.
Tatsächlich hoppele ich leichter übers Wurzelwerk, Furchen sind nicht länger Gefahr. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser: Das lehrt die Erfahrung.
Räder rollen aus
Doch jetzt, auf den letzten Kilometern, geht’s nur noch ums Fahren, durchs Orlebachtal nach Wocklum, vorbei an den Ständen der Landpartie. Die Räder rollen, rollen aus.
Antje fragt mich: „Na, fährst Du beim nächsten Mal wieder mit?“ Ich entgegne: „Wenn ich darf.“ Für mich ist klar: Ich bin gern wieder allein unter Frauen.