Mellen. . Der Landtagsabgeordnete will seine Heimat nach vorn bringen. Wie können autonomes Fahren und schnelles Netz dazu beitragen?
Die Aussichtsplattform über Mellen – da treffen wir uns an einem Frühsommertag. Marco Voge genießt das Dorf-Panorama. Es duftet nach Lindenblüten und Heu. Der CDU-Landtagsabgeordnete erklärt Panorama und Landschaft, Bewuchs und Gebäude. Schließlich zeigt er auf eins und sagt: „Und das da ist mein Elternhaus.“
Sind Sie hier in Mellen geboren, als Hausgeburt?
Marco Voge: Das nicht, aber ich bin in Balve geboren, im Krankenhaus.
Seit wie vielen Generationen sind Sie in Mellen?
Das ist jetzt die dritte Generation. Meine Großmutter väterlicherseits kommt aus Ostpreußen. Sie wurde erst von den Russen vertrieben, dann von den Polen, und schließlich ist sie vor der Stasi geflüchtet. Sie hatte damals (DDR-Staatspräsident) Ulbricht einen Brief geschrieben. Sie war damals schwanger mit meiner Tante. Als sie in Mellen ankam, fing sie wieder bei null an.
Hat der Begriff Heimat für Ihre Eltern durch Flucht und Vertreibung eine andere Bedeutung erhalten?
Bei meinem Vater weiß ich’s nicht. Er war kaufmännischer Angestellter bei den Stahlwerken Bochum. In Mellen gab es von dem Unternehmen ein Erholungsheim. Darüber haben sich meine Eltern kennengelernt. Bei meiner Oma kann ich’s sagen, wie sie über Heimat dachte, allein wegen der SED-Politik. Meine Mutter hat immer noch einen Bezug zu Bochum, das ist für sie zweite Heimat. Ich fühle mich hier zuhause, für mich ist das Heimat.
Sie sind zum Landtagsabgeordneten gewählt worden. Wie hat das Amt Ihr Leben verändert?
Ich bin der geblieben, der ich war. Ich will das Leben hier gar nicht missen. Nur weil ich eine neue Aufgabe bekommen habe, bin ich kein anderer. Wenn in der Dorfversammlung etwas angesprochen wurde, gehe ich der Sache nach, so wie ich es vorher auch getan habe. Das Leben im Dorf erdet mich unglaublich.
Sie bekennen sich dazu.
Dazu gehört eben auch, dass ich zusammen mit der Nachbarschaft Fußball gucke.
Der Zusammenhalt ist wichtig. Trotzdem nehme ich eine Veränderung in den Dörfern wahr. Mobilität ist ein Riesenthema, nicht nur für junge Leute, die für ein Konzert nach Köln fahren.
Mobilität hat viel Qualität, klar. Aber hören Sie mal diese Stille hier... Hier hat man Bio direkt vor der Tür.
Aber wenn man mal etwas braucht, sind die Wege länger geworden. Mellen hat den Landmarkt. Aber für viele Besorgungen ist eine Fahrt nötig, nach Balve oder Sundern.
Ja, das stimmt. Aber da gibt es ein stillschweigendes System. An der St.-Blasius-Kirche gibt es die Abzweigung nach Mellen, und da steht immer irgendwo ein Mellener. Wenn da einer steht, und ein Mellener kommt da vorbei, dann nimmt er ihn oder sie mit. Das klappt. Ein anderes Ding ist der Bürgerbus. Der Bürgerbus ist inzwischen so eingetaktet, dass Fahrgäste eingesammelt werden, und der Bürgerbus fährt inzwischen sogar bis nach Rewe. Das funktioniert sehr gut. Und ja, jetzt werden Sie wahrscheinlich nach dem autonomen Fahren fragen?
Sie haben das Stichwort auf den Tisch gelegt.
(lacht) Alle drei Jahre gibt es den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, da haben wir uns hier in Mellen Gedanken gemacht, wie ist das mit der Mobilität in der Zukunft? Wir haben ein Automobil-Unternehmen angeschrieben, ob es sich vorstellen kann, hier eine Teststrecke für autonomes Fahren einzurichten. Wir haben als Antwort erhalten: Oh, wir haben den ländlichen Raum gar nicht auf dem Schirm. Wir haben bisher immer nur in großen Einheiten gedacht.
Autonomes Fahren braucht nebenher auch gute Datenübertragung.
Ja, 5G-Standard. Da brauchen wir schnelles Internet, viele Punkte im Boden, die miteinander kommunizieren können. Das geht in großen Städten besser als bei uns. Wir haben aber nicht nur nach Technik gefragt, sondern auch Relevanz. Beispielsweise stellt sich die Frage, welche Bedeutung autonomes Fahren für ältere Leute hat, die keinen Führerschein mehr haben. Und das hatten die Automobil-Unternehmen gar nicht auf der Pfanne. Inzwischen gab es eine Konferenz heimischer Stadtwerke. Daran haben auch die Stadtwerke Menden teilgenommen, ich habe den Chef, Bernd Reichelt, angesprochen und ihm unser Konzept gegeben. Es stellt sich also die Frage: Wenn autonomes Fahren über die B 229 von Hachen durchs Hönnetal geführt wird, kann es da nicht auch einen Schlenker über die Sorpe und Mellen geben? Das wäre ein Attraktivitätsgewinn und ein Zukunftsplan.
Voraussetzung fürs autonome Fahren ist schnelles Internet. Ein Nebeneffekt könnte sein, dass auch normale Bürger davon profitieren.
Im Dorf gibt es einen Mobilfunkmasten. Nur D1 gibt es hier. Und das ist ein Problem: lahmes Internet. Und das wollen wir ändern. Ich stehe, als Ortsvorsteher, in Gesprächen mit der Telekom. Außerdem treibt Innogy, wie im ganzen Stadtgebiet, den Ausbau mit schnellem Internet voran. Demnächst haben wir hier Glasfaser. Momentan haben wir 6,1 Mbit, da kann man einigermaßen HD-Fernsehen gucken. In absehbarer Zeit haben wir 50MBit. Wir haben einige Gewerbebetriebe hier, und nicht jeder Gewerbetreibende muss dauernd unterwegs sein. Wenn wir schnelles Internet haben, kann mancher auch von zuhause arbeiten.