Balve. Manch ein Baum profitiert von den klimatischen Tendenzen. Die Zeit der großen Fichtenreibestände sei abgelaufen, meint Revierförster Nikodem.

Der Klimawandel betrifft uns alle – früher oder später. Zeit, das Thema einmal aus Balver Sicht anzupacken. Jürgen Overkott sprach mit Revierförster Richard Nikodem vom Forstbetriebsbezirk Balve über Temperaturumschwünge, Pflanzen, Niederschläge und was Landwirte nun beachten sollten.

Wir haben eine ungewöhnlich sommerliche Phase im April hinter uns. Ein Zeichen für den Klimawandel in Balve?

Richard Nikodem: Kurzfristige Klimaextreme gibt es immer wieder einmal. Insofern kann man sicher mit den letzten Tagen nicht den Klimawandel beweisen. Aber die Tendenz ist mittlerweile ja nachgewiesen und auch in der Natur zu erkennen.

Auf Balves Höhen werden immer mehr Ilex-Büsche sichtbar. In wie fern reagiert die Pflanze auf geänderte Klima-Verhältnisse?

Die Stechpalme (Ilex aquifolium) mag atlantisch bis submediterranes Klima, also milde Temperaturen. Und sie verträgt auch längere Trockenphasen. In den Haubergswäldern vergangener Zeiten – insbesondere im bergischen Land und Rheinland – war sie stark vertreten. Tatsächlich beobachte ich ein verstärktes Auftreten des Ilex auch in den höheren und damit früher raueren und kühleren Höhenlagen des Sauerlandes. Durch den Klimawandel verlängert sich die Vegetationszeit um einige Tage. Das bedeutet: Der Frühling kommt etwas eher und der Winter später. Früher war also das Klima in Balve für die Stechpalme eher zu kühl. Jetzt ist es auch in höheren Lagen warm genug. Dazu kommt, dass wir nur noch in deutlich weniger Balver Waldbeständen das dunkel-feuchte Waldinnenklima vorfinden, durch das die geschlossenen Sauerländer Fichtenwälder vor dem Orkan Kyrill charakterisiert waren. Wir haben jetzt viele Freiflächen und aufgerissene Waldränder, in denen der Ilex ausreichende Besonnung erfährt.

Der Klimawandel, hieß es einmal, bedeute im Sauerland durchschnittlich mehr Trockenheit. Nun war aber der Winter auffällig feucht und die jüngste Trockenheit ist durch Gewitter mit kräftigen Güssen beendet worden. Warum?

Der Klimawandel bringt nicht unbedingt weniger Niederschlag mit sich. Allerdings verlagern sich die Niederschläge mehr in Frühjahr und Herbst. Gerade in diesen Zeiten kommt das Wasser öfter bei Starkregenereignissen vom Himmel, fließt schnell ab und verursacht auch z. B. Wegeschäden. Im Sommer steht es dann leider für die Vegetation nicht zur Verfügung. Pflanzen, die also auf regelmäßige Wasserversorgung angewiesen sind, können sich auf trockeneren Standorten (Kuppen und Südhängen) dann nicht mehr halten.

So wird z. B. die Fichte auf diesen Standorten durch Borkenkäfer angreifbarer, weil sie in den Sommermonaten nicht mehr genug Harz produzieren kann, mit dem sie den einbohrenden Käfer normalerweise bekämpft. Boden- und Standortspezialisten im Landesbetrieb Wald und Holz NRW haben in den letzten Jahren computergestützt errechnet, Wie sich die Standortverhältnisse für die Waldbaumarten in NRW verändern. Auf den erzeugten Karten kann man deutlich erkennen, dass die Fichte potenziell Standorte verliert, also Ihre mögliche Anbaufläche deutlich geringer wird. Andere Baumarten, die im Sauerland früher nicht möglich waren finden jetzt hier eine neue Heimat. Beispiele sind die Esskastanie, die Weißtanne oder die Walnuss. Es gibt also Gewinner und Verlierer unter den Baumarten.

Wie können Waldbauern auf das sich ändernde Klima reagieren?

Der Förster muss dem Waldbauer helfen, die Standorte in Ihrem Waldbesitz neu zu bewerten. Da wo der Großvater noch erfolgreich mit der Fichte gewirtschaftet hat, wird das beim Enkel eventuell nicht mehr funktionieren. Dann müssen andere Baumarten gewählt werden, die den veränderten Standort besser vertragen und zu einem klimastabilen Wald heranwachsen. Dabei ist es besonders wichtig, dem Klima mit verschiedenen Baumarten entgegenzutreten. Denn nur ein solcher „Gemischtwarenladen“ hat für mögliche Klimaveränderungen immer die passende Baumart parat. Es gibt aber zahlreiche Baumarten auf der Welt, die zukünftig geeignet wären. Der Klimawandel zwingt uns, uns alternativ zu den bisher hochgelobten „heimischen“ Baumarten auch auf fremdländische Baumarten zu schauen. Das ist auch im Naturschutz inzwischen angekommen und wird dort akzeptiert.

Welchen Rat haben Sie für Landwirte?

Auf jeden Fall ist die Zeit der großen Fichtenreinbestände abgelaufen. Der Waldbauer sollte unbedingt vor der Wiederaufforstung einer Waldfläche Rat bei seinem Förster einholen. Dieser wird dann die individuellen Ziele des Waldbesitzers für seinen Wald ermitteln und kann auf dieser Basis und mit seinem Fachwissen geeignete Baumarten und Vorgehensweisen vorschlagen.


>>>INFO: Im April fällt der wenigste Niederschlag

Die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Balve liegt nach aktuellen Zahlen zwischen 61 mm (April) und 93 mm (Dezember). Wärmster Monat ist der Juli (16,3 Grad Celsius).