Balve. . Kathrin Heinrichs ist eine aufmerksame Beobachterin ihrer Heimat. Wie sie Balve-Feeling im neuen Buch unterbringt.

Kathrin Heinrichs verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen. Sie besucht die Redaktion, um mit Jürgen Overkott über ihren Roman „Bis auf den Grund“ zu sprechen. Anschließend besucht die gebürtige Langenholthauserin Verwandschaft: Heimat lebt.

Das Sauerland spielt auch in Ihrem neuesten Buch eine Rolle. Welche Veränderungen nehmen Sie wahr?

Kathrin Heinrichs: Gut, „Bis auf den Grund“ ist jetzt nicht ein Sauerland-Krimi, wie ich sie früher geschrieben habe, speziell mit der Vincenz-Jakob-Reihe. Der Krimi spielt ja hauptsächlich auf Juist.

Stimmt. Trotzdem sind einige wichtige Szenen im Sauerland angesiedelt.

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Cover des neuen Romans
Cover des neuen Romans © Jürgen Overkott

ch nehme eine Entleerung der Dörfer wahr, eine immer geringer werdende Infrastruktur eines Dorfes. Das sind Prozesse, die nicht so leicht hinzunehmen sind. Andererseits gibt es inzwischen auch kreative Entwicklungen, etwa mit mobilen Diensten, um den Bevölkerungsschwund zu stoppen. Dann gibt es aber noch eine andere Entwicklung, die ich auch in dem Roman darstelle: die südwestfälische Wirtschaft. Sie hat ein großes Gewicht. Sie trägt die Region, und sie bringt sie voran. Dafür bin ich schon dankbar. Die Region ist wirtschaftlich sehr, sehr gut aufgestellt.

Die Wirtschaftsdaten sind fantastisch, in Balve übrigens sogar noch besser als beispielsweise in Menden. Mich hat überrascht, dass Sie in dem Krimi den Fachkräftemangel aufgenommen haben. Wie kamen Sie da drauf?

Autorenlesung Kathrin Heinrichs stellt neues Buch auf der Wilhelmshöhe vor
Autorenlesung Kathrin Heinrichs stellt neues Buch auf der Wilhelmshöhe vor © Martina Dinslage

Es ist ein Thema, das hört man immer wieder. Es ist doch schade, wenn man die guten Auftragszahlen gar nicht mehr bedienen kann, weil die Kräfte nicht da sind. Dasselbe Problem habe ich in Ostfriesland erlebt, wo keine Kräfte mehr für Hotels und Gastronomie zu kriegen sind. Und dort hat man eben seit Jahren gute Kontakte nach Osteuropa geknüpft. Inzwischen haben sie sich sogar schon etliche Osteuropäer auf den Inseln niedergelassen. Damit wurde das Problem also zumindest in Teilen gelöst. Und da kam ich auf die Idee, eine ähnliche Lösung mal für das Sauerland anzudenken.

Haben Sie mit Leuten aus den Chefetagen gesprochen?

Nicht in Vorbereitung auf dieses Buch. Mir ist das Problem immer wieder begegnet, etwa am Rande von Lesungen. Ich treffe da auch mal Unternehmenschef, ich kenne einige von ihnen persönlich. Und deshalb ist mir dieses Thema sehr präsent.

Fachkräfte aus Osteuropa – und das führt uns zu den beiden Hauptfiguren Anton und Zofia – kommen häufig aus dem Pflegebereich. Gibt es ein Vorbild aus dem Leben für die beiden?

Autorin Kathrin Heinrichs in der Balver Innenstadt
Autorin Kathrin Heinrichs in der Balver Innenstadt © Marcus bottin

Der Vorgängerband „Nichts, wie es war“ ist vom Schicksal meiner Mutter geprägt, die in Langenholthausen von einer polnischen Pflegekraft gepflegt worden ist, bis zu ihrem Tode vor drei Jahren. Und sie hieß Zofia. Da ist eine ganz enge Beziehung entstanden, die heute noch besteht. Dadurch ist mir das Thema ganz nahe. Dadurch kenne ich auch die andere Perspektive.

Welche Reaktionen gab es?

Ganz, ganz viele. Auch von polnischen Pflegekräften. Sie kommen auch zu meinen Lesungen und sagen: Endlich beschreibt mal jemand unsere Perspektive: Ich komme da in eine fremde Familie – komme ich da zurecht, komme ich mit meinem Deutsch zurecht?

Sie haben in Ihrem Roman etliche polnische Redewendungen eingestreut. Haben Sie sie von Zofia gelernt?

(lacht) Die haben ich mir im Nachhinein angeeignet. Zofia kam zu uns und konnte sehr, sehr gut Deutsch.

Polen, die nach Deutschland kommen, müssen oft unter Qualifikation arbeiten. Wie war’s bei Ihnen?

Genau so. Zofia war Lehrerin. Sie hat schon lange in Deutschland gelebt. Sie hat in Deutschland als Pflegerin mehr verdient als in Polen als Lehrerin.

Ein weiteres Thema in Ihrem Roman ist die bösartige Kraft des Gerüchts. Warum haben Sie es aufgegriffen?

Gerüchte haben eine bösartige Dynamik, die nicht besser geworden ist durch soziale Medien. Ich bin Gott sei Dank noch nicht Opfer geworden. Ich fürchte, dass diese Gerüchte in sozialen Netzwerken in Zukunft sogar noch stärker genutzt werden, um jemandem zu schaden. Das funktioniert aber auch auf der ganz persönlichen Ebene.