Neheim.
Mit soviel Resonanz hatte Ulrich Mönke von der Mitarbeitervertretung im Klinikum Arnsberg nicht gerechnet.
Über 100 Mitarbeiter aus den Pflegeberufen im Klinikum, bei der Caritas oder Provita sowie anderen Unternehmen sind dem bundesweiten Aufruf von „Pflege am Boden“, einen „Smart-Mob“ zu veranstalten, gefolgt.
Das versammelte Pflegepersonal legte sich demonstrativ am Samstag um 11.55 Uhr für zehn Minuten in der Neheimer Hauptstraße, unterhalb des Bexleyplatzes, auf den Boden. „Es ist Alarmstufe Orange“, stand auf den mitgeführten Plakaten. Es war ein stiller Protest. Die Kernforderung gegen den Pflegenotstand lautet – so Mönke: „Es müssen mehr Personalstellen für die Pflege in Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Diensten geschaffen werden.“
Er selbst ist seit über 30 Jahren im Pflegeberuf tätig. Nicht nur für ihn hat sich in diesem Bereich vieles verschlechtert. Er meint, dass seit Einführung der Fallkostenpauschale die Patientenzahlen um mindestens 25 Prozent gestiegen sind und die Zahl des Pflegepersonals um 15 Prozent gesunken ist.
Das können Daniela Plate (Warstein) und Dorothea Vanselow (Neheim) vom Klinikum Arnsberg (JoHo) bestätigen. Sie sind seit 14 und 24 Jahren im Pflegeberuf tätig. „Es ist eine schlimme Situation. Das wird von der Öffentlichkeit gar nicht so richtig wahrgenommen. Wenig Personal, mehr Arbeit und mehr Patienten. Für die Führungsetage in Politik und Verwaltung ist alles in Ordnung“, ärgern sie sich.
Früher hatten sie 13,5 Stellen in ihren Bereichen, heute sind es nur 11,5 Stellen. „Wir sind nur noch zu zweit auf der Station, und der Papierkram, wegen der Dokumentation, wird immer mehr. Wir trauen uns schon gar nicht mehr, mehr als guten Morgen zu sagen“, beklagen sie. Das Pflegepersonal ist deutlich gekürzt worden, und die Ärztestellen seien um 15 Prozent erhöht worden. Bemängelt wird im stationären und ambulanten Bereich, dass man kaum noch Zeit für ein Gespräch mit den Patienten hat. „Die Patienten kommen viel zu kurz. Wir fahren immer mit einem schlechten Gefühl nach Hause“, so Annegret Eckert und Bianca Köhle von der Caritas-Sozialstation Neheim. Sie beklagen auch, dass die administrativen Aufgaben sehr umfangreich geworden sind und jede Menge Zeit in An-spruch nehmen. „Die Personalbemessung beziehungsweise der Pflegeschlüssel ist schon seit vielen Jahren nicht mehr geändert worden. Das entspricht gar nicht mehr den heutigen Anforderungen“, meinen die beiden Pflegekräfte. Die Menschen werden immer älter, und die Pflegebedürftigkeit nimmt zu.
Politiker in die Pflicht nehmen
„Die verantwortlichen Politiker sollten nur mal drei Tage mit uns fahren. Aber unter unseren üblichen Bedingungen und nicht auf einem roten Teppich“, verlangt Eckert. Beide sagen aber auch, dass die Finanzierung der Pflege durch Pflegekasse und Pflegestufe keine Vollkaskoversicherung für den zu Pflegenden ist. „Um den Personalmangel in Pflegeberuf aufzufangen, sollten bessere berufliche Perspektiven und bessere finanzielle Anreize – nicht nur bei den Auszubildenden, sondern auch den Umschülern – geschaffen werden“, fordern sie. Paulina Sklosz und Meryem Toptas vom ambulanten Pflegedienst Provita wünschten sich noch zusätzlich, dass die Ausbildung für Pflegekräfte verbessert wird – „ach, Überstunden fallen immer an...“
Es geht nicht ohne Überstunden
Es geht gar nicht ohne, wir haben es doch mit Menschen zu tun, die uns brauchen. Wir wissen nicht, ob die hohen Damen und Herren am politischen Ruder das mitbekommen“, so die beiden Pflegekräfte. Während des „Smart-Mob“ hörte man auch Stimmen von Passanten: „Man verdrängt das Thema Pflege. Erst wenn man selbst oder ein Familienangehöriger betroffen ist, muss man sich damit beschäftigen. Vorher will man von Pflege nichts wissen“, so einige Zuschauer der Aktion. Wenn der Fall eintritt, dann ist aber schon „Alarmstufe Rot“.