Arnsberg.

Dachböden können Fundgruben sein. Das konnte jetzt Gerd Hagemann feststellen. Beim Aufräumen desselben hielt er plötzlich ein kleines Klapp-Büchlein mit rot vergilbtem Einband in der Hand: „Arnsberg (die Perle des Sauerlandes) in 12 Ansichten.“ Darin wunderschön kolorierte Postkarten mit ungewöhnlichen Perspektiven der Regierungsstadt, die Sammlerherzen höher schlagen lassen. Hergestellt das Ganze im Verlag Burghard Roselieb, Altermarkt 31.

Verlag Roselieb? Nie gehört. Altermarkt 31? Ein Haus mit solcher Nummer gibt's doch gar nicht. Stimmt. Weil es heute unter der Nummer 1-3 firmiert und keinen Verlag mehr beherbergt, sondern derzeit - nach diversen Wechseln - einen Teppichhändler im Eckhaus zur Apostelstraße.

Aber wer war Burghard Roselieb? Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, Genaueres zu erfahren: bei Michael Gosmann im Stadtarchiv oder Werner Bühner, dem 2. Vorsitzenden des Heimatbundes. Und richtig, beide Quellen sprudeln munter, als hätten Gosmann und Bühner noch mit Roselieb gemeinsam beim alten Rath an der Theke ein Bier gezischt. Oder auch zwei.

Im Adressbuch 1913/14 der Stadt Arnsberg jedenfalls, findet der Archivar schnell heraus, firmierte Burghard Roselieb unter der Anschrift Altemarktstraße 31 als Nachfolger der bekannten Druckerei H.R. Stein und empfahl sich als Buch-, Kunst- und Schreibwarenhandlung sowie als Bilder-Einrahmegeschäft und Ansichtskarten-Verlag. Da war es auch kein Wunder, dass der Geschäftsmann einen steten „Eingang von Neuheiten in Künstler-Postkarten“ vermelden konnte.

Und zur Reisezeit warb Roselieb mit Andenken und kunstgewerblichen Geschenkartikeln „mit Ansichten von Arnsberg“. Ein großes „Lager in Zigarren und Zigaretten“ und ein „Losevertrieb“ für die Klassenlotterie komplettierten das Angebot in dem, vermutet Michael Gosmann, „wohl eher kleinerem Lädchen“. Klein deshalb, weil sich im gleichen Gebäude des Hauses „Altemarktstraße 31“ auch das große Textilgeschäft der jüdischen Familie Rosenthal befand. Bis dann später die Nazis kamen und durch brutale Arisierung für ihrer Ansicht nach klare Verhältnisse sorgten.

Aber woher kommt die kuriose Adress-Bezeichnung? Möglicherweise, so Gosmann, durch eine Nachlässigkeit der damaligen Drucker, die den Alten Markt kurzerhand zur Altemarktstraße werden ließen. Praktisch als dritte Adressvariante. „Denn das Buch wurde weitab von Arnsberg gedruckt.“ Da kann man schon mal mit den Namen durcheinanderkommen.

Burghard Roselieb war aber wohl auch ein fotografischer Tüftler. Das jedenfalls haben Werner Bühner in seiner Funktion als Theodor-Heuss-Schulleiter und seine Schüler schon Ende der 80er Jahre entdeckt. Im Rahmen des Schulprojektes „Arnsberg in den 20er Jahren“. „Dabei haben wir die von Roselieb hinterlassen Foto-Glasplatten in etwa DIN-A5-Größe entwickelt. Heraus kamen irre scharfe Aufnahmen aus jener Zeit.“ Diese Aufnahmen, so Bühner, habe der findige Roselieb mit einer für die damalige Zeit raffinierten Technik weiterverarbeitet. „Durch eine leichte seitliche Verschiebung entstand quasi ein 3D-Effekt.“

Die Fotoplatten sind heute Bestandteil des Stadtarchivs. Als Hinterlassenschaft eines Mannes, der das einst noch üppige Geschäftsleben auf Steinweg und Alter Markt bereicherte und dabei Kaiserreich, Weimarer Republik und die Anfänge der Bundesrepublik erlebte. Und dazwischen sogar noch ein Tausendjähriges Reich.

Was wurde aus Burghard Roselieb? „Er ist Anfang der 50er Jahre verstorben,“ weiß Werner Bühner. Seine Spuren findet man noch heute. Und wenn es zufällig auf dem Hagemann’schen Dachboden ist.