Arnsberg. .

Im WR-Interview nimmt der neue Arnsberger Regierungspräsident Dr. Gerd Bollermann (SPD) u.a. Stellung zum Thema Überwachung im Umweltschutz und zur Förderung der Region.

WR: Herr Regierungspräsident Dr. Bollermann, herzlich willkommen in Arnsberg! Sie sind gebürtiger Sauerländer, leben aber seit langem in Dortmund. Damit verkörpern sie die beiden unterschiedlichen Regionen im Regierungsbezirk Arnsberg. Wie sinnvoll ist es, dass das ländlich geprägte Südwestfalen und die urbanen Teile des Ruhrgebietes gemeinsam aus Arnsberg regiert werden?

Dr. Gerd Bollermann: Ich bin der festen Überzeugung, dass es sehr gut gelingen kann und in der Vergangenheit sehr gut gelungen ist, die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Bereiche des Regierungsbezirks von hier aus wahrzunehmen. Nicht nur zwischen Südwestfalen und dem Ruhrgebiet gibt es Unterschiede, auch beispielsweise zwischen den nördlichen Wohngebieten des Ruhrgebietes und den südlichen. Ich fühle mich mit meiner Biographie für beide Teile verantwortlich: Als jemand, der aus dem Sauerländer Ruhrtal kommt und der den Dortmunder Norden genauso kennt wie die Gegend um den Borsigplatz.

Westfalen hat oft die Sorge, dass das Rheinland bei der Landesförderung besser abschneidet. Sehen

RP  Dr. Gerd Bollermann beim interview mit der WR. (Fotos: Fabian Stratenschulte)
RP Dr. Gerd Bollermann beim interview mit der WR. (Fotos: Fabian Stratenschulte) © Fabian Stratenschulte

Sie sich als Fürsprecher Westfalens in Düsseldorf?

Meine erste wichtige Aufgabe: die Stärken unserer Region auch deutlich zu machen. Diese Region ist eine starke Region in NRW. Sie stellt nur manchmal ihr Licht zu sehr unter den Scheffel. Und das ist etwas, das wir bearbeiten müssen. Wir haben tolle Unternehmer, tolle Unternehmerinnen. Wir haben Natur hier, wir haben tolle Entwicklungen, wir haben Kunstaktivitäten hier in Arnsberg – aber das nimmt kaum ein anderer außerhalb wahr. Wir sind ein starkes Stück Nordrhein-Westfalen. Und wir müssen selbstbewusst diese Botschaft heraustragen, um auch wahrgenommen zu werden.

Die Regionale 2013 will genau dies tun, will die Region Südwestfalen voranbringen. Wird man da auf den neuen RP als Unterstützer setzen können?

Ohne Wenn und Aber: Ja!

Es ist lange um das Fortbestehen der Mittelinstanz Bezirksregierung gekämpft worden. Ist die Diskussion jetzt endgültig vom Tisch?

Ja, sie ist endgültig vom Tisch. Die fünf Bezirksregierungen sind in der Fläche gesichert und von daher ist es eine Leistung der Region, dass man sich für die Bezirksregierung eingesetzt hat. Es gab viele Mitwirkende, die dafür gekämpft haben. Der Kampf hat sich gelohnt. In der Koalitionsvereinbarung ist das fest verankert und es gibt keinen in der Regierung, der daran rütteln will.

Gleichwohl: Die Bezirksregierung ist nicht mehr die Behörde, die sie vor zehn Jahren mal war. Es wurde mächtig Personal abgebaut, andere Behörden integriert, Aufgaben abgegeben. Wird der Umbau noch weitergehen?

Viele Mitarbeiter sind auf neue Arbeitsplätze gekommen, das ist eine große Integrationsleistung. Da sage ich: Hut ab! Aber diese Behörde wird sich weiter im Veränderungsprozess befinden, von der Aufsicht hin zu einer beratenden Behörde. Allerdings wird das mehr auf einer inhaltlichen, personellen Art geschehen. Das heißt, wir werden uns intern mit Personalentwicklung auseinandersetzen müssen.

Als Schatzmeister der Dortmunder SPD wurde Ihnen nachgesagt, einen „Igel in der Tasche zu haben“ – also sehr sparsam mit dem Geld umzugehen. Werden Sie als Sparkommissar den vielen klammen Kommunen im Regierungsbezirk in die Haushalte hereinregieren?

Ich bin nicht jemand, der spart um des Sparens willen, sondern der auch mit Augenmaß und mit einem vernünftigen Blick auf die Zielsetzung Dinge angeht. Das ist für mich der entscheidende Teil. Ich möchte den Kommunen als Partner zur Seite stehen. Alle Kommunen, die derzeit Schwierigkeiten haben, haben diese doch nicht, weil es individuelle Fehlleistungen gegeben hat. Sondern: Wir haben ein strukturelles Problem der finanziellen Unterversorgung der Gemeinden. Bund und Land haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zu Lasten der Kommunen entlastet. Das kann so nicht weitergehen. Mir geht es darum, als Partner der Kommunen deren Interessen zu vertreten. Wir haben eine Zielrichtung: interessante, attraktive und lebensfähige Gemeinden in diesem Regierungsbezirk zu haben.

RP Dr. Gerd Bollermann
RP Dr. Gerd Bollermann © Fabian Stratenschulte

Viele Städte schrumpfen, auch auf Grund des demographischen Wandels. Ist es erfolgversprechend, wenn Städte ihre Aufgaben zusammenlegen?

Ganz klar: Ja! Ich glaube, die Zukunft liegt unter anderem auch in der interkommunalen Zusammenarbeit und nicht nur bei Wirtschaftsflächen. Man muss schauen: Wo ist die eine Stadt gut, wer hat wo seine Stärken? Man muss nicht alles parallel, überall gleich vorhalten. Manches wird man auch gemeinsam betreiben müssen.

Anderes Thema. Ich zitiere: „Wenn die Bezirksregierung Arnsberg schon früher nicht allein nach Aktenlage entschieden hätte, sondern bei einer Betriebsprüfung eine einfache Kehrprobe genommen hätte, wäre der Skandal nicht so lange unentdeckt geblieben“, heißt es in einer Presse-Info, die Ihre Landtagskollegin Gerda Kieninger formuliert hat. Der Envio-Skandal in Dortmund legt nahe, dass auch die Bezirksregierung nicht nachdrücklich genug ihrer Aufsichtspflicht nachkam.

Wir arbeiten das Thema sehr selbstkritisch auf. Es gibt Leute, die sagen, wir hätten versagt, und wir hätten nichts getan. Zumindest aus der Aktenlage und dem, mit dem ich mich jetzt beschäftigt habe, muss ich sagen: Wer das glaubt, liegt falsch. Es ist vollkommen klar, dass wir es mit einem Riesen-Problem zu tun haben. Wer uns tatsächlich betrügen will, der wird auch eine noch so gut aufgestellte Behörde betrügen können. Für mich gilt: Wir werden rigoros durchgreifen.

Was heißt das?

Wir müssen und wir werden die Bürgerinnen und Bürger schützen. Das ist unsere erste Pflicht. Und deswegen sind wir auch für eine vollständige Reinigung. Wir koordinieren das, aber es ist rechtlich sehr schwierig, weil die Gegenseite mit guten Anwälten ihre eigene Strategie durchzusetzen versucht. Und insofern sind wir nur bedingt handlungsfähig. Aber es ist vollkommen klar: Wir wollen sanieren, wir wollen, dass dieses Problem bei der Wurzel gegriffen wird und wir werden das auch packen.

Abseits des konkreten Falls: Manche führen die Kontroll-Probleme auf zu wenig Personal zurück. Gibt es ein strukturelles Problem in Ihrem Haus?

Ja, es ist schwierig geworden dadurch, dass wir in den letzten fünf Jahren 30 Prozent des Personals verloren haben. Und das bezeichne ich als ausgesprochen kritisch. Oder ich kann auch sagen: Das ist die Altlast, die die vergangene Regierung zu verantworten hat.

Wie wirkt sich diese Personalreduzierung aus?

Wir sind doch auch Genehmigungsbehörde, müssen die Genehmigungen innerhalb einer bestimmten Frist bearbeiten. Es ist doch vollkommen klar: Wenn man 30 Prozent der Mitarbeiter verliert – was bleibt dann auf der Strecke? Wenn Sie ausgepresst sind von der Personalstruktur wie eine Zitrone? Da sind wir an einem ganz kritischen Punkt. Nach meiner Meinung arbeitet diese Behörde an der Leistungsgrenze. Sie ist durch Reorganisationsprozesse, Integrationsprozesse zusammengeschmolzen worden, und genau an der Stelle ist der Schwachpunkt. Wir brauchen mehr Personal! Die Ideologie „Privat vor Staat“ hat hier nicht funktioniert. Der Gedanke war: Wir reduzieren staatliche Aufsicht und anstelle dessen kommt privates Handeln. Das ist in die Hose gegangen.

Werden Sie also umsteuern wollen?

Einsparungen in dieser Dimension lohnen sich nicht, weder im Umweltschutz, noch im Arbeitsschutz. Wir brauchen Mitarbeiter, die unangemeldet rausgehen, kontrollieren und die tatsächlich diese Aufgabe konsequent durchführen können. Und das ist etwas, das in den vergangenen Jahren an mancher Stelle auf der Strecke geblieben ist.

Auch das Problem PFT ist nicht gelöst, es gibt weiter Industriebetriebe, die das Gift in die Flüsse leiten...

Mein Vorgänger, Herr Diegel, hat das Problem angegangen. Wir werden genau an der Stelle weitermachen. Wasser ist ein ganz hohes Gut. Von der Wasserqualität der Ruhr sind so viele Menschen abhängig, dass das unserer besonderen Aufmerksamkeit bedarf.

Sie haben sich als Landtagsabgeordneter oft für Lärmschutz an Straßen ausgesprochen – z.B. auch durch Tempobeschränkungen im Dortmunder Süden. Da wurden Sie allerdings von Ihrem Vorgänger ausgebremst. Werden Sie das Thema neu angehen?

Ja, werden wir, aber nicht mit einer Insellösung. Wir müssen uns, was den Lärmschutz in NRW angeht, komplett aufstellen, und das werde ich mit dem Verkehrsminister diskutieren. Ich bin der festen Meinung, dass das wichtig ist, den Lärmschutz stärker in den Griff zu kriegen. Man muss sehr differenziert vorgehen. Bei der Temporeduzierung entstehen subjektiv erfahrbar weniger Lärmemissionen, aber wir brauchen auch passiven Lärmschutz. Da ist der Bund gefragt.

Die neue Landesregierung steht für eine neue Schulpolitik. Wie wird die Bezirksregierung diese unterstützen?

Ich bin schon von verschiedenen Bürgermeistern aus der Region angesprochen worden, wo das Thema Hauptschule und Realschule im Mittelpunkt steht. Jeder hat natürlich das Interesse, eine regionale Schulversorgung über eine längere Zeit sicherzustellen. Deswegen werden wir jeden, der es möchte, beraten. Wir werden Hilfestellung geben bei der Schulentwicklung.

Ein weiteres Thema betrifft das Schulmanagement. Schulleiter haben heute mehr Bildungs-Management-Aufgaben und weniger pädagogische Aufgaben. Sie sind Teamplayer, Coach, Konfliktmanager, sind Vernetzer in die Region. Da muss man aufeinander zugehen können. Schule muss sich öffnen! Nur in einem gut geführten Haus der Bildung werden wir die Qualität, die wir brauchen für die Bewältigung unserer Zukunft, bekommen.

Welches Ziel haben Sie sich als Regierungspräsident gesetzt?

Ich setze auf eine Dialogkultur. Auf Gespräche miteinander. Das soll meine Zeit hier bestimmen. Weniger Konfrontation, mehr Kommunikation. Weil wir alle gemeinsam ein Ziel haben: Wir wollen die Region nach vorn bringen, wir wollen sichere Arbeitsplätze für die Menschen hier, wir wollen das Liebenswerte, was da ist, weiter entwickeln und wir wollen, dass viele Menschen auch hier bleiben.

Herr Regierungspräsident, vielen Dank für das Gespräch!