Arnsberg. „Best of Poetry Slam“ im Sauerland-Theater: Florian Wintels zum Sieger gekürt.

In puncto kulturellem Angebot ist das Sauerland-Theater sicherlich der ganze Stolz der Region. Massenveranstaltungen, die Präsenz echter Berühmtheiten und eine bunte Bandbreite künstlerischer Auftritte sind in dem imposanten Gebäude alles andere als eine Seltenheit. Ob Politiker oder Rocker – trittst du in Arnsberg auf, dann höchstwahrscheinlich auf der Bühne des Sauerland-Theaters. Die Größe des Saales und die Tiefe besagter Bühne sorgen kombiniert bei aller Qualität der Veranstaltungen aber dann doch oft für eine gewisse Distanz zwischen dem jeweiligen Star des Abends und dem Publikum. Ganz anders war das am vergangenen Sonntag, als bei der sechsten Ausgabe des Arnsberger „Best of Poetry Slam“ die auftretenden Poeten sowie Moderator Jan Schmidt das Theater in einer vielfältigen Show mitrissen und interaktiv in ihr Programm einbezogen.

Lina Klöpper setzt besonders auf Wiedererkennungswert.
Lina Klöpper setzt besonders auf Wiedererkennungswert. © WP | Tim Drinhaus

Zwischen Sprachgewalt, Kreativität und Leidenschaft durfte das Publikum die Auftritte bewerten, den Sieger küren und letztendlich sogar dessen Preis selber zusammenstellen. Allerdings stellte nicht nur die eigene lebendige Rolle einen Reiz für viele der Anwesenden dar. Der Name „Best of“ war am Sonntagabend nämlich auch Programm. Mit dem amtierenden deutschsprachigen Poetry Slam-Meister Florian Wintels, dem dreifachen Träger dieses Titels Julian Heun, der zweifachen Sachsen-Meisterin Lina Klöpper und der aus dem TV-Format „Ladies Night“ bekannten Leticia Wahl stand tatsächlich die Crème de la Crème auf der Bühne.

Dass solche Größen teilweise bis aus Berlin ihren Weg ins beschauliche Sauerland gefunden haben, erklärt Veranstalter Andreas Klein: „Ich mache Poetry Slam jetzt seit über 20 Jahren, da hat man sich natürlich ein gewisses Netzwerk aufgebaut. 2019 haben Jan (Schmidt, Anm. d. Redaktion) und ich dann mal eine Landkarte aufgeschlagen und geguckt, wo es noch keine Veranstaltung aus unserem Genre gibt“. So eine „geile Location“ wie in Arnsberg hätte man einfach nutzen müssen, und seitdem erfreue sich Andreas über die stets „exorbitant brillante Stimmung“ an den Poetry Slam-Abenden.

Lebendige Anmoderation

Und diese sollte erneut nicht ausbleiben. Nach einer lebendig erklärenden Anmoderation von Jan Schmidt, bei der er das Publikum in eine ausgelassen-vorfreudige Stimmung versetzte und die Regeln des Slams verdeutlichte, traf der erste Auftritt des Abends, Florian Wintels, offenbar einen Nerv beim Publikum. Bei vergleichenden Witzen über das Leben in der Stadt und auf dem Land prangerte Wintels dichtend den „geisteskranken Fleischkonsum“ provinzieller Karnivoren, bei denen täglich in etwa das auf dem Speiseplan stünde, was sonst nur in Bremen als Stadtmusikanten zusammen käme, genauso an wie Schattenseiten in einer „gefährlichen, unübersichtlichen, kriminellen Großstadt- wie Paderborn“. Obwohl der Saal mit 150 Besuchern nur etwa halb gefüllt war, füllten die zahlreichen Lacher und der Applaus für den jungen Slamer den Raum mit mehr lebendiger Atmosphäre als manch ausverkaufte Veranstaltung.

Der Zweitplatzierte des Abends: Julian Heun.
Der Zweitplatzierte des Abends: Julian Heun. © WP | Tim Drinhaus

Auch die zweite Künstlerin, Leticia Wahl, hatte es dem Publikum sichtlich angetan. Nach dem lustigen Einstieg bot sie eine tragische Liebesgeschichte zwischen einer Unsterblichen und einem Mann, der wusste wann er sterben wird. Rhetorisch anspruchsvoll vermittelte sie, dass Poetry Slam nicht nur über seine Inhalte, sondern vor allem auch durch sprachliche Gestaltung und stilistische Ausarbeitung glänzen kann. Ein weiteres der vielfältigen Gesichter der Kunstform ist Julian Heun: Beinahe dramatisch schauspielernd, begab er sich auf der Bühne ironisch in die Rolle eines patriotischen Kleinbürgers aus seiner Heimat Reinickendorf, der die Autonomie des Berliner Stadtteils vom Rest des Landes anstrebte. Sein Vorschlag für den Namen des neuen Staates: „Freies Kaiserreich Reinickendorf“. Für diejenigen, die es etwas realitätsnäher mögen, war durch Lina Klöppers Programm gesorgt. Mit ihrer Solidarisierung mit „unperfekten, echten Frauen“ versuchte sie, etablierte Stigmen aufzubrechen und die Toleranz für kleine Fehler zu stärken.

Einer der Höhepunkte für das Publikum war das Vergeben von Punkten nach jedem Auftritt für die Künstler. Durch die eigenen Bewertungen konnten die Anwesenden selber entscheiden, wer ins Finale kam. Dieses entschied Florian Wintels mit einer Gute-Nacht-Geschichte an seine fiktiven Enkel für sich, in der er das Szenario einer „Wald-Gesellschaft“ mit sprechenden und handelnden Pflanzen und deren Kampf gegen das Klima schändende Menschen thematisierte. Sein Preis stammte ebenso wie seine Kür zum Gewinner aus dem Publikum: Während des Abends war ein Beutel durch die Reihen gegangen, in denen alle Besucher etwas spenden konnten. Neben monetärer Belohnung erhielt der Künstler unter anderem eine Zitrone und eine Banane, was das Publikum nun einmal so zufälligerweise in der Tasche hat, wenn es zum Poetry Slam geht.

Lachfältchen

Auch der 17-jährige Johnny hat an diesem Abend den Beutel gefüllt, womit will er allerdings nicht verraten. Ihm habe „die sprachliche Vielfalt, aber vor allem auch die entspannte Stimmung am besten gefallen“. Das dürfte Julian Heun eine besondere Freude sein, denn der Zweitplatzierte des Sonntages erklärt: „Es ist Aufgabe des Poetry Slams, die Lücke zwischen institutioneller Kunst und lustiger Unterhaltung zu füllen. In Deutschland muss Kunst sonst immer bedrückend und ernst sein, das ist hier nicht so. Ich kann geladene, mich bewegende und sozialkritische Ideen in einen humorvollen Kontext setzen“. Das ist ihm und seinen Kollegen wohl durchaus gelungen, abschließend verließ am Sonntagabend nämlich kein Gesicht das Sauerland-Theater, dem nicht mindestens ein Lachfältchen anzusehen war