Hüsten. Notfallsanitäter Marco Neugebauer erzählt, warum Flexibilität in seinem Arbeitsalltag so wichtig ist.

Marco Neugebauer geht gerne Wandern – immer schon. Bei einem Wanderurlaub in den Alpen erlebt er einen Unfall, für den ein Rettungshubschrauber gerufen wird, um den Verletzten zu bergen. „Dann habe ich angefangen, mich mit dem Rettungsdienst zu beschäftigen.“

Mittlerweile ist das über zehn Jahre her. Es folgt ein Fachabitur im Bereich Soziales und Gesundheit. „Ich wusste, ich wollte was mit Menschen machen und in die medizinische Richtung.“ Schließlich wird er auf die Ausbildung als Notfallsanitäter aufmerksam. Die war damals noch ganz neu, wurde erst 2014 eingeführt. Und Marco Neugebauer war dann einer der ersten, der diese Ausbildung beim Hochsauerlandkreis absolvieren durfte. „Damals gab es nur vier Stellen für die Ausbildung“, erinnert er sich. Glück hatte er, dass eine davon beim Hochsauerlandkreis war – denn als gebürtiger Sunderaner musste er so nicht weit von zu Hause weg.

Neue Rettungswache

Mittlerweile ist Marco Neugebauer 27 Jahre alt, seit acht Jahren inklusive Ausbildung im Rettungsdienst tätig und seit anderthalb Jahren bei der Hagelstein Rettungsdienst GmbH in Hüsten angestellt. Dort wurde erst im letzten Jahr die neue Rettungswache des Unternehmens eröffnet. Das moderne Gebäude bietet nicht nur Platz für viele Fahrzeuge, sondern auch für gut ausgestattete Ruheräume, einen gemütlichen Ausbildungsraum sowie Verwaltungs- und Fortbildungsräume. Diese verteilen sich auf zwei Stockwerke, welche nicht nur mit einer Treppe, sondern auch mit einer Stange verbunden sind – wie in einem amerikanischen Film.

Gearbeitet wird hier entweder in einer 12- oder einer 24-Stunden-Schicht – dazu kommen Bereitschaftsdienste, um auf die 40 Stunden in der Woche zu kommen. „Feste Teams haben wir hier nicht“, erzählt Marco Neugebauer. Das bedeutet, dass er bei jeder Schicht mit einem anderen Kollegen oder einer anderen Kollegin auf dem Rettungswagen (RTW) sitzt. „Der Vorteil ist, dass sich dadurch weniger eingefahrene Strukturen entwickeln.“ Mittlerweile ist es üblich, dass auf einem Fahrzeug bestenfalls immer ein Mann und eine Frau sitzen – auch ein Vorteil bei der Patientenversorgung. „Es gibt Menschen, die wollen über ihre Probleme nicht mit einem Mann oder nicht mit einer Frau sprechen. Da können wir dann flexibel reagieren.“

Flexibilität ist wichtig

Generell ist Flexibilität wichtig als Notfallsanitäter, denn jeder Tag ist anders. „Natürlich haben wir auch Adressen, wo wir öfter hinfahren, Pflegeheime und Krankenhäuser zum Beispiel.“ Trotzdem weiß Marco Neugebauer zu Beginn seiner Schicht nicht, was er erleben wird und mit welchen Notfällen er konfrontiert wird. Aufgeregt ist er deswegen nicht – das macht wohl die Erfahrung. „Auf der Anfahrt zum Einsatz mache ich mir schon anhand der Informationen, die uns zur Verfügung stehen, Gedanken, auf was ich achten muss.“

Dabei geht es nicht nur um die Krankheitsbilder der Patienten, sondern auch um die Beschaffenheiten der Ortschaften. Wird die Feuerwehr benötigt, um einen Patienten aus einem hohen Stockwerk zu tragen? Muss vielleicht eine Tür aufgebrochen werden? Welche Hilfsmittel werden für welche Form des Transports benötigt? „Ich entscheide mich lieber früher für einen Weg als zu spät.“ Denn schnelles Handeln kann Leben retten.

Die Auslastung im Job ist hoch, es kommt auch mal vor, dass während der Schicht kaum Zeit auf der Wache verbracht wird. Mittlerweile bestehen nicht mehr alle Einsätze aus Notfallrettungen, wofür der Rettungsdienst eigentlich da ist. „Besonders nachts gibt es wenig Hilfsmöglichkeiten für Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können. Da kann man nicht mal eben zum Arzt gehen.“ Und auch der ärztliche Notdienst, den man zum Beispiel über die kassenärztliche Hotline 116117 erreichen kann, brauche manchmal Stunden, bis er da ist, wegen der großen Einsatzgebiete. Da hilft dann auch der Rettungsdienst.

„Ich weiß, dass die Forschung hart daran arbeitet, dafür neue Lösungen zu finden. Das ist aber alles noch nicht erprobt, und so lange müssen wir diese zusätzliche Belastung auf uns nehmen“, sagt der Notfallsanitäter. Trotzdem wünscht er sich, dass diese Alternativen bald geschaffen werden, um im Rettungsdienst wieder Entlastung zu schaffen.

Kurioser Fall

An einen kuriosen Fall in diesem Zusammenhang erinnert sich Marco Neugebauer gut. „Wir hatten mal einen Patienten, der an dem Tag aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Er war stabil, hatte Medikamente, soweit alles gut. Er hat auch seine Tabletten genommen. Seine Schmerzen wurden allerdings über den Tag so viel schlimmer, dass er schließlich den Rettungsdienst alarmierte. Wir waren dann da, konnten den Herrn beruhigen und schließlich anhand seiner Unterlagen feststellen, dass sein Schmerzmedikament eben keine Tabletten waren, sondern Tropfen. Die standen so auf einem Schrank, dass er sie nicht wahrgenommen hat.“

Auch auf der Rettungswache ist die Arbeit nicht getan: Während jeder Schicht gibt es tägliche Aufgaben, wie zum Beispiel die Desinfektion des gesamten Autos einmal in der Woche, Mindesthaltbarkeitskontrollen bei den sterilen Arbeitsutensilien und den Medikamenten oder das Verräumen von Waren im Lager. Außerdem wird jeden Morgen nach der Übergabe in der Fahrzeughalle einmal das gesamte Fahrzeug und seine Ausrüstung auf Vollständigkeit und Funktion gecheckt.

Trotz der vielen Arbeit in den langen Schichten liebt Marco Neugebauer seinen Beruf. „Jeder Mensch soll die Hilfe bekommen, die er braucht, keiner soll durch’s Raster fallen.“