Arnsberg/Sundern. Busse und Bahnen sollen auch in Arnsberg und Sundern stillstehen - das sagt Cosima Ingenschay, stellv. Vorsitzende der EVG, zur Situation.

Nichts geht mehr – Schulbusse fallen aus oder sind nur eingeschränkt nutzbar und Linienbusse sollen auch nicht mehr fahren. Die Bahnhöfe in Neheim-Hüsten, Arnsberg und Oeventrop scheinen verlassen. Denn die EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) und Ver.di haben alle Beschäftigten in der Mobilitätsbranche zum bundesweiten Warnstreik aufgerufen. Einen Tag lang soll der öffentliche Verkehr damit lahmgelegt werden, um die Arbeitgeberunternehmen zu höheren Tarif- und Lohnzahlungen zu bewegen.

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„Die erste Verhandlungsrunde ist erfolglos geblieben“, sagt Cosima Ingenschay, stellvertretene Vorsitzende des EVG, „wir haben in den letzten vier Wochen mit 50 Unternehmen der Tarifrunde verhandelt – und gar keine oder nur grottenschlechte Angebote bekommen, die sich nicht an unseren Forderungen orientieren und zum Teil unverschämte Gegenforderungen aufmachen.“ Man habe bei der Deutschen Bahn das Mindestlohnproblem nicht gelöst und auch keine gleiche Bezahlung für Ost und West erreichen können.

DB zahlt Mindestlohn per Zulage

Der gesetzliche Mindestlohn ist auf 12 Euro festgesetzt – und dennoch scheint es eine gewisse Grauzone zu geben. Denn die Deutsche Bahn zahlt die entsprechende Aufstockung auf Mindestlohn nicht nach Tarif, sondern vertraglich in Form einer Zulage. „Zulagen sind im Grunde freiwillige Zahlungen, die ein Arbeitgeberunternehmen auch jederzeit widerrufen kann“, sagt Cosima Ingenschay.

Cosima Ingenschay, Vorstandsmitglied/Bundesgeschäftsführerin der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).
Cosima Ingenschay, Vorstandsmitglied/Bundesgeschäftsführerin der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). © © EVG | Max Lautenschlaeger

Einige man sich sodann auf beispielsweise 10 Prozent Tariferhöhung, streiche die DB die Zulagen, schlage die 10 Prozent obendrauf und zahle auf diese Art und Weise nur knapp über dem Mindestlohn. Etwaige sonstige Anpassungen würden dann wieder per Zulage gezahlt. „Wenn wir also eine Erhöhung verhandeln, wird sie von der gesetzlichen Mindestlohnforderung aufgefressen“, erklärt sie. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem höheren Gehalt jedoch profitierten dann von den gesamten 10 Prozent. Einen Bahn-Ingenieur interessiere das sicherlich weniger, aber eine Reinigungskraft schon. „Das ist mehr als ungerecht und hilft den Menschen, die eh schon knapp für Mindestlohn arbeiten, gar nicht.“

Lohngrätsche zwischen Ost und West

„Der Großteil der Leute, die in der Mobilitätsbranche arbeiten, sind keine Spitzenverdiener. Die Gefahr, dass ein Lokführer mit einem Porsche zur Arbeit kommt, existiert nicht wirklich“, spitzt sie zu. Die meisten Leute verdienten nicht mehr als 3000 Euro. Außerdem gäbe es nicht „nur“ Lokführer und Schaffner. „Wie viele Menschen am gesamten System beteiligt sind, hat man oft nicht im Blick“, sagt sie, „da sind zum Beispiel die Sicherheitsleute, die Zugbegleiter – aber auch die Reinigungskräfte.“

Zudem gäbe es immer noch eine Ungleichheit der Löhne zwischen Ost und West. Auch hier sei es nicht gelungen, eine Anpassung herbeizuführen. „Eine Reinigungskraft reinigt einen Zug in Ostdeutschland doch genauso wie in Westdeutschland – oder nicht?“, so Cosima Ingenschay.

Warnstreiks im Verkehr am Montag- Das Wichtigste im Überblick

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    Die nächste Verhandlungsrunde beginne am 29. März, also direkt zwei Tage nach dem Warnstreik. „Wir werden dann wieder vier Wochen mit den 50 Unternehmen verhandeln“, sagt sie, „mal sehen, was dann dabei herumkommt.“

    Auch der Fachkräftemangel zerre an den Nerven der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wenn die Gehälter nicht hochgehen, macht das keiner mehr“, stellt sie fest, „und die, die dann noch da sind, müssen alles auffangen und Überstunden schieben.“

    Letztendlich könnte man auch nur dann neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werben, wenn man gute Gehälter zahle. „Wir haben ein riesiges Personalproblem. Jedes zweite Verkehrsunternehmen muss seine Fahrten wegen Personalmangel einschränken“, sagt sie, „aber für Mindestlohn findet man keine Leute für die Jobs.“

    Keine Proteste der Öffentlichkeit – Berufsschulen in Neheim-Hüsten und Arnsberg sorgen vor

    Etliche Menschen werden am Montag von dem Warnstreik betroffen sein. Pendler, die zur Arbeit müssen. Schülerinnen und Schüler, die zur weiterführenden Schule oder auch zur Berufsschule müssen. Und gerade im Sauerland, wo das ÖPNV-Netzwerk eh schon nicht sonderlich gut ausgebaut ist, wird es voraussichtlich zu erhöhtem Autoverkehr kommen – sofern ein Auto vorhanden ist.

    Buslinien und Schulbusse der RLG

    Am Montag, 27. März sind die Beschäftigten der RLG von der Gewerkschaft ver.di zum Warnstreik aufgerufen.

    Betroffen sind alle RLG-Standorte: Arnsberg, Brilon, Lippstadt und Soest. Daher muss an diesem Tag auf allen Linien der RLG mit erheblichen Ausfällen gerechnet werden. Das gilt auch für den Schülerverkehr. Insofern muss auch bezüglich der Schulbusse mit erheblichen Ausfällen gerechnet werden.

    Kostenlose Fahrplanauskünfte gibt es an allen Tagen rund um die Uhr bei der Schlauen Nummer NRW unter 0 800 6 / 50 40 30

    Weitere Infos unter:

    https://www.rlg-online.de/fahrgast/aktuelles/warnstreik-bei-der-rlg

    Was sagt Cosima Ingenschay zur ländlichen Situation in Arnsberg? „Ich glaube, dass den Menschen schon klar ist, dass was getan werden muss“, sagt sie, „irgendwann dann müssen wir mit Unmut rechnen. Aber für Montag habe ich da keine Angst.“ Sie habe eher das Gefühl, dass die Menschen wüssten, dass das jetzt mal sein müsse. „Der Tag ist eine Investition“, fügt sie an. Bislang seien auch keine Beschwerden aufgepoppt.

    Das Berufskolleg Berliner Platz in Neheim-Hüsten und auch das Berufskolleg am Eichholz in Arnsberg haben vorgesorgt. „Sehr viele Schülerinnen und Schüler kommen mit dem Bus oder auch dem Zug zur Berufsschule“, sagt Berthold Hohmann, Schulleiter des Berufskolleg Berliner Platz. „Wir haben uns daher mit allen Berufsschulen des Trägers im Hochsauerlandkreis abgesprochen und eine gemeinsame Regelung gefunden: Der Berufsschulunterricht findet wie gewohnt statt. Und diejenigen, die es nicht zur Schule schaffen, versuchen wir dann digital dazu zuschalten.“

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    Auch der ein oder andere Berufspendler bzw. die ein oder andere Berufspendlerin wird den Warnstreiktag im Homeoffice überbrücken können – und wenn nicht, müssen das Auto und Fahrrad, ggf. E-Bike, herhalten.