Arnsberg. Lost Place? Zweck des Türmchens an der Jägerbrücke ist das Herunterregeln von Hochspannung auf 230 Volt.
Wer mit dem Auto oder zu Fuß aus Muffrika oder Wennigloh in Richtung Innenstadt fährt oder läuft, kommt auf der rechten Seite der Jägerbrücke unweigerlich an einem alten Wehrturm vorbei. Hoppla. Wirklich ein Wehrturm?
Auf den ersten Blick ein klares Ja, denn schaut man hinauf zur Altstadt, reiht sich das sechseckige Gebäude mit seiner markanten Spitze in das Ensemble der historischen Türme ein und gleicht mit seinen Schießscharten einem mittelalterlichen Bollwerk, um die Stadt gegen feindliche Angreifer zu verteidigen.
Aber während Grüner Turm, Limpsturm und Glockenturm viele Jahrhunderte überdauert haben, ist das Häuschen an der Jägerbrücke deutlich jünger und wird seit über 100 Jahren als Trafostation genutzt, davon zehn Jahre vom heimischen Energieversorger Westnetz GmbH (früher VEW).
Rückblick
Ein Rückblick: Im Jahr 1919 baute das Kreiselektrizitätswerk Arnsberg eine neue Freileitung von Neheim nach Arnsberg, die 1922 bis Hirschberg und Warstein erweitert wurde. Im Zuge dieser Maßnahme entstand das Arnsberger Trafohaus an der Jägerbrücke, das dem Aussehen nach als Wehrturm im so genannten Heimatschutzstil aus Bruchstein mit angedeuteten Schießscharten entworfen war. Die festen Fundamente reichten bis an den Mühlengraben der damaligen Sauerländischen Papierfabrik unweit der städtischen Bleiche, die Kosten beliefen sich auf 30.000 Mark, eine stolze Summe für die damalige Zeit.
Zweck des Gebäudes war und ist das Herunterregeln von Hochspannung auf die heute üblichen 230 Volt und das Weiterleiten des Stroms bis an die Steckdosen der Haushalte.
Für das heute unter Denkmalschutz stehende Trafohäuschen gegenüber dem Westportal des Altstadttunnels bedeutet das aktuell im Klartext: Der von der Umspannanlage am Wintroper Weg mit 10.000 Volt gelieferte Strom versorgt nach der „Überarbeitung“ in der Trafostation den Großbereich rund um die Jägerbrücke. Das Betreten der Station ist aus Sicherheitsgründen nur Westnetzmitarbeitern erlaubt, ich durfte aber ausnahmsweise, jedoch mit gebotenem Abstand, kurz von außen in das Gewölbe hineinschauen und sein Innenleben betrachten. Was man aus der Entfernung sieht, ist mit dunkelgrauen Metallkästen und Dämmerlicht allerdings eher unspektakulär.
Darum: Tür schnell wieder zu und den blauen Himmel an der Pforte nach Muffrika lieber zum Gespräch nutzen.
Seit 100 Jahren unverändert
Dabei erläutert Rainer Baulmann, Netzbetriebsmeister für die Stadt Arnsberg, die Funktion der historischen Trafostation. Eigentlich werde in dem Häuschen seit über 100 Jahren das gleiche gemacht, nur die Technik sei natürlich besser und schneller geworden, so der Experte. Denn sei der Strom früher über außenliegende Leitungen transportiert worden, lägen die Kabel heute alle unter der Erde.
Darum ist die Trafostation den meisten Bürgerinnen und Bürgern auch in ihrer Funktion nicht bekannt, denn nur beim näheren Hinsehen informiert ein kleines Hinweisschild an der stählernen Eingangstür, dass der „Wehrturm“ irgendwas mit Strom zu tun hat. Beim Ortstermin an diesem sonnigen Nachmittag ist auch Andreas Steffen mit dabei, verantwortlich bei Westnetz für Liegenschaften, Rechte und Dokumentation in der Netzplanung.
Andreas Steffen hat nicht nur beruflich mit dem Transportieren und der Verteilung von Elektrizität zu tun, sondern befasst sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Trafohäuser, u.a. wirkte er an einigen Publikationen und Bildbänden mit.
Denn gerade vor dem Hintergrund, dass zahlreiche der Turmstationen abgerissen wurden und auch in der Bevölkerung vergessen sind, sei es wichtig, so Andreas Steffen, an diese bedeutsamen Gebäude, die einen Teil unserer Industriekultur verkörpern, zu erinnern.
Infos zu den Turmstationen findet man unter www.turmtransformation.de