Neheim/Sundern. In der Neheimer Engel-Apotheke sind viele Kunden verunsichert. Ursachenforschung. Friedrich Merz besucht Sunderner Apotheker.
„Jeden Tag werden wir von unseren verunsicherten Patienten gefragt, wie es zu den vielen Lieferengpässen in Deutschland kommen konnte, wo wir doch einst als ‘Apotheke der Welt’ gerühmt wurden“, berichtet Maria Bertelsmann dieser Zeitung.
Die Ursachen seien vielfältig und über Jahre entstanden, so die Neheimer Apothekerin weiter.
Auf Ursachenforschung geht derzeit auch die Politik, wie der Besuch von CDU-Chef Friedrich Merz in Sundern zeigt (siehe Zweittext weiter unten).
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Doch zurück in die Engel-Apotheke am Neheimer Markt: Im Grunde könne man es mit einem Satz zusammenfassen, so Bertelsmann: „Streben nach maximaler Kosteneinsparung im Gesundheitswesen und diverse Fehleinschätzungen der Hersteller.“
Im Moment handele es sich um ca. 300 Lieferdefizite, meist patentfreie Arzneimittel wie Generika. Diese Nachahmerpräparate dienten in erster Linie der Grundversorgung der Bevölkerung mit preiswerten Arzneimitteln, deren Erstattung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung reguliert werde. Auf diese Weise sollen jährlich Milliarden Euro eingespart werden. Doch der billigste Preis – als einziges Kriterium – habe dazu beigetragen, dass die Arzneimittelproduktion in Länder mit geringen Herstellungskosten, z.B. Indien und China, ausgelagert wurde. Hinzu käme, dass viele Arzneimittelhersteller aus Kostendruck bei ein und demselben Hersteller einkaufen“, so Maria Bertelsmann.
Anbieterschwund
Ebenfalls fatal: Trotz Einkaufs möglichst billiger Wirk- und Hilfsstoffe steigen immer mehr Anbieter aus der Generikaproduktion aus: Steigende Kosten bei Zulieferern, Energie, Logistik könnten nicht aufgefangen werden, da Festbeträge jahrzehntelang nicht angepasst wurden und Rabattverträge Niedrigpreise garantierten. „Es wurde und wird grundsätzlich der Hersteller, mit dem der höchste Rabatt ausgehandelt werden konnte, ‘auserwählt’ – ganz gleich, ob der Hersteller überhaupt in der Lage ist, ausreichend Arzneimittel zu liefern“, erläutert die Apothekerin. Folge: Es kam zu einem Anbieterschwund, der inzwischen bis hin zur Monopolbildung führe.
„Besonders Saftzubereitungen sind anfällig für Lieferdefizite, da die Produktion – im Vergleich zu Tabletten – aufwendig und teuer ist“, stellt die Mitarbeiterin der Engel-Apotheke fest, Deshalb sei Saftherstellung für viele Firmen uninteressant geworden. Auch Antibiotikasäfte seien derzeit nicht lieferbar.
Was muss passieren?
Eine Verbesserung der Lieferfähigkeit setze voraus, dass Politik, Krankenkassen und Hersteller gemeinsam Lösungen finden. „Wichtig ist, dass Krankenkassen und Politik akzeptieren, dass ein Mehr an Versorgungssicherheit mit Verteuerung einher geht“, so Bertelsmann.
Was bedeutet der aktuelle Lieferengpass der Fiebersäfte für Kunden in Neheim? Müssen sich Eltern Sorgen machen, dass ihr fieberndes Kind über die Feiertage keinen Fiebersaft erhält?
„Apotheken vor Ort haben für ihre Notdienste zu den Feiertagen und fiebernde Kinder, deren Eltern mit Rezept kommen, einen Vorrat“, macht Maria Bertelsmann ein wenig Hoffnung.
Merz fordert Sofortmaßnahmen
Der Bundestagsabgeordnete für den Hochsauerlandkreis, Friedrich Merz (CDU), hat sich kürzlich mit dem Apotheker Christian Willeke aus Sundern über die Lieferengpässe ausgetauscht.
Derzeit sei die Liefersituation für Arzneimittel eine Katastrophe, gerade für die jüngsten Patienten fehlten wichtige Medikamente, so Willeke, Inhaber der Gesundleben Apotheke. Kritik heimischer Apotheker, die Bundesregierung spare die Arzneimittelversorgung kaputt, kommentierte der CDU-Chef wie folgt: „Seit Monaten ist das Problem labiler Lieferketten bekannt, doch die Ampel tut, abgesehen von vagen Ankündigungen, nichts, um in der akuten Krise für Abhilfe zu sorgen.“ Als Union fordere man einen Bund-Länder-Gipfel zu Medikamentenengpässen. „Die Ampel muss das Thema noch vor Jahresende zur Priorität machen“ so Merz.
Es gelte jetzt, Sofortmaßnahmen zu koordinieren, statt dem Chaos in der Arzneimittelversorgung tatenlos zuzuschauen. „Wir brauchen wieder mehr pharmazeutische Industrie mit Produktionsstätten in Deutschland“ fordert der Arnsberger Unionspolitiker.