Arnsberg. Der Schwimmverein leistet seit Jahrzehnten wertvolle Arbeit auch für die Gesellschaft und heimst sportliche Erfolge ein.
Er gehört zu Arnsberg wie der Glockenturm. Doch er ist nicht nur im sportlichen Bereich eine feste Größe, sondern der Schwimmverein „Aegir“ leistet auch in sozialer Hinsicht wichtige Arbeit. Diese aber vielfach abseits der großen Öffentlichkeit. Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden Christoph Löher.
Der SV Aegir, der gerade seinen 100. Geburtstag gefeiert hat, steht für viele sportliche Erfolge und eine gute Schwimmausbildung. Wie ist es nun um die Zukunft des Arnsberger Traditionsvereins bestellt?
Die Zeiten werden nicht einfacher, aber wir sind mehr gefragt denn je und wir sehen Woche für Woche dass wir gebraucht werden. Die Nachfrage nach Schwimmkursen war noch nie so groß und die Warteliste noch nie solang. Aber es bleiben leider nach den Kursen erheblich weniger Leute auch langfristig im Verein als früher. Der Aufbau der Wettkampfmannschaft aus dem eigenen Nachwuchs heraus ist nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Vor uns liegt viel Arbeit aber wir sind auch hoch motiviert.
Wie ist die Mitgliederentwicklung? Hat die Pandemie hier großen Schaden angerichtet?
Die reinen Mitgliederzahlen sind trotz Corona fast erstaunlich konstant geblieben, ins besondere im Vergleich zu anderen Schwimmvereinen und -abteilungen in Nachbarstädten. Verändert hat sich allerdings die Altersstruktur.
SV Aegir hat Jahreshauptversammlung
Der Versicherungsfachmann und gelernte Bankkaufmann Christoph Löher (51) ist seit ist 2005 Vorsitzender des SV Aegir, davor war er 10 Jahre Kassenwart.
Er gehört dem Verein bereits seit 1976 an und ist seit 1979 - und noch immer - aktiver Schwimmsportler.
Löhers weitere Hobbys sind unter anderen Poolbillard, Wandern, Gartenarbeit, Fotografieren und Feiern.
Der SV Aegir hat am heutigen Samstag, 10. September, um 14 Uhr im Bürgerzentrum Bahnhof, Clemens-August-Straße, Jahreshauptversammlung.
Der Verein hat vor Jahren wie kein anderer gegen Schließung und Abriss des Arnsberger Hallenbades gekämpft. Vergeblich. Wie hat sich letztlich die Schließung für den Verein ausgewirkt?
Wir haben uns von einem Stadtteilverein zu einem Verein in der Region entwickelt. Unsere Mitglieder kommen inzwischen auch aus Nachbarorten wie Lendringsen, Ense und Werl. Umso mehr müssen wir den Leuten unsere Identität nahebringen und uns nicht nur als sportliche Heimat anbieten, sonst bleiben wir ein beliebiger Verein unter vielen.
Die Leute, die heute zu uns kommen, sind nach der Schließung der alten Bäder geboren und können den Unterschied von Natur aus gar nicht kennen. Sportlich hat sich einiges verändert. Früher waren unsere eigenen Wettkämpfe gut besucht und ein Schwerpunkt der Vereinseinnahmen. Heute müssen die Veranstaltungen schon verdammt gut besucht werden, um auch von uns selbst als nennenswerte Einnahme wahrgenommen zu werden. Mit der heutigen Situation sind die Kosten gestiegen und die Einnahmen insbesondere durch Verkauf von Waffeln, Bier und Würstchen nicht nur gesunken, sondern komplett weggefallen.
Welchen Stellenwert besitzt der Schwimmsport überhaupt noch in unserer Stadtgesellschaft?
Schwimmen ist heute ein Angebot von vielen. Früher gab es daneben noch Handball und Fußball, und das war es so ziemlich. Um 1980 hatten wir über 1000 Mitglieder. Freizeitmöglichkeiten gibt es heute unendlich viele mehr. Dazu kommen Fahrzeiten- und Wege, Ganztagsschulen und ein völlig verändertes Konsumverhalten. Vordergründig scheint der Wille zu sportlichem Ehrgeiz und mit anstrengendem Training verbundenem Leistungssport nicht mehr so groß zu sein. Oft ist es aber auch Bequemlichkeit der Eltern oder einfach fehlende Zeit - und bei den heutigen Preisen inzwischen leider auch fehlendes Geld, die Kinder und Jugendlichen regelmäßig zum Training zu fahren.
Immer weniger Kinder lernen Schwimmen. Wie lässt sich dieser fatale Trend noch umkehren?
Wir müssen unbedingt die bestehenden Wasserflächen erhalten bzw. ersetzen und im Idealfall wieder weitere Bäder bauen. Weggefallen ist ja nicht nur das 25-Meter-Bad am Feauxweg, es waren ja auch die Lehrschwimmbecken am Schreppenberg und in Oeventrop.
Mit deren Schließung als „Nahversorger“ sank auch erkennbar die Zahl der Neuschwimmer.
Wir alle in der Gesamtstadt Arnsberg müssen es schaffen, möglichst vielen Kindern und Jugendlichen das Schwimmen beizubringen. Wenn dieses Stück Allgemeinbildung fehlt, dann erleiden die Kids heute schon auf Klassenfahrten eine geminderte Lebensqualität, weil sie sich zum Teil ohne Aufsicht einem Seeufer nicht mal nähern dürfen. Dazu kommt die flächendeckende Ausbildung von geeignetem Fachpersonal als Aufsicht. In vielen Schulen ist dieser Bereich erschreckend verkümmert. Wenn die Elternhäuser das Schwimmen nicht im Sinne ihrer Kinder forcieren, sind die Schulen hoffnungslos überfordert. Es ist aber auch nicht deren Kernaufgabe.
Zurück zum SV Aegir: Welche Aufgaben liegen nun vor Verein und Vorstand? Wo gibt es Probleme?
Die zu allen anderen Fragen schon beschriebene Gesamtsituation betrifft natürlich auch uns selbst als Verein. Der vielzitierte „Fachkräftemangel“ hat auch uns längst erreicht. Neben dem aktiven Sport müssen wir deutlich mehr Leute für unsere Ehrenämter in der Trainingsarbeit und am Vorstandstisch gewinnen. Also Leute: Kommt ran und macht mit.
Können Sie sich vorstellen, nach Betriebswiederaufnahme des Freibades Storchennest dort Schwimmkurse zu organisieren und den Trägerverein hinsichtlich der Schwimmmeister-Frage zu unterstützen?
Praktisch als Kooperation heimischer Vereine. Da sind wir dann liebend gerne doch wieder Stadtteilverein! Vielleicht haben wir in der Öffentlichkeit nicht laut und deutlich genug damit geworben. Genau diese Kooperation hat in den letzten Jahren - vor Corona - schon einige Male sehr erfolgreich stattgefunden. Allerdings ist unser damaliges Personal heute berufsbedingt nicht mehr in Arnsberg wohnhaft. Vorstellbar ist aber auch die Zusammenarbeit mit weiteren Vereinen. Wer wegen lädierter Knie und Füße nicht mehr Handball oder Fußball spielen kann, ist beim Wasserball immer willkommen. Da kann Ballsport in der Mannschaft wieder Spaß machen, ohne regelmäßig den harten Boden spüren zu müssen.
Wenn Sie einen Wunsch bei einer guten Fee frei hätten, was würden Sie sich für den SV Aegir wünschen?
Als erstes hoffe ich für die Fee selbst, dass man ihr das Schwimmen beigebracht hat. Ansonsten habe ich hier ja schon einen sehr langen Wunschzettel genannt. Der wirkliche Traum wäre aber tatsächlich der Neubau einer 25-Meter-Halle in 59821 Arnsberg. Die Souvenirs aus dem alten Hallenbad halten wir aber weiter in Ehren!