Neheim/Hüsten. Die Friseur-Dichte und die Umsetzung der Meisterprüfungspflicht bereiten hiesigen Friseurmeistern Sorge. Die Hintergründe.

Rund 30 Friseure gibt es allein in Neheim. Inklusive eines neuen Barbershops befinden sich insgesamt acht davon auf der Langen Wende. Willi Hartwig (Foto) führt dort den 1910 gegründeten Familienbetrieb und ist die hohe Friseur-Dichte auf seiner Straße seit Jahren gewohnt – dass es aber immer mehr und mehr Geschäfte werden, sorgt ihn inzwischen doch etwas. „Ich wünsche mir lediglich einen fairen Wettbewerb. Aber wenn das Angebot immer größer und größer wird, werden die Kuchenstücke für den Einzelnen kleiner, da müssen wir uns nichts vormachen“, sagt er.

Betriebe ohne Meister

Als besonders ärgerlich empfindet er, dass er und weitere alteingesessene Kollegen teils gleich mehrere Mitarbeitende mit Meisterbrief beschäftigen und dementsprechende Preise aufrufen müssen, während andere Friseurgeschäfte mit einem oder sogar keinem Meister im Betrieb arbeiten – und dementsprechend deutlich günstigere Haarschnitte anbieten können. Das liegt jedoch nicht nur am höheren Lohn für angestellte Meister. Wie im Fall von Willi Hartwig und seinen Töchtern Valeria und Helena, die beide im Familienunternehmen als Friseurmeisterinnen arbeiten, schlägt schon die Meisterprüfung an sich ordentlich zu Buche. „Der Meisterbrief kostet durchaus zwischen 6500 und 7000 Euro“, berichtet Helena Hartwig.

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Wenn man dann davon höre, dass die Handwerkskammer inzwischen auch Ausnahmebewilligungen für „der Meisterprüfung als gleichwertig anerkannte andere Qualifikationen“ ausstellt, um Personen den Betrieb eines Friseurgeschäfts, oft Barbershops, zu ermöglichen, komme das bei vielen Friseurmeistern nicht gut an. Dies bestätigen neben Willi Hartwig auch Friseurmeister Willi Funke, der seinen Salon ebenfalls auf der Langen Wende betreibt, als auch Werner Reuther, Friseur­meister und Obermeister der Friseur-Innung Arnsberg/HSK.

Ausnahmeregelung verärgert den Friseurmeister

„Ich muss sagen, dass ich bei diesen Ausnahmeregelungen wirklich einen Hals bekomme“, bringt Hartwig seinen Unmut auf den Punkt. Zwar gehe er in erster Linie nicht davon aus, dass seine Kunden auch die eines typischen Barbershops seien, die Unverhältnismäßigkeit der Voraussetzungen sowie der Preiskalkulation verärgern ihn aber durchaus. „Ich rechne so, dass eine Friseurmeisterin das Dreifache von dem einnehmen muss, was sie brutto verdient. Da kommen natürlich ganz andere Preise zustande, als wenn ungelernte Kräfte Haare schneiden“, sagt Willi Hartwig und spielt auf Barbershops an, in denen er kaum bis keine Meister vermutet.

Und auch Willi Funke kann nur wenig Verständnis dafür aufbringen: „Die Konsequenz ist ja klar: Wenn ich einen Herrenschnitt für 22 Euro anbiete und es woanders die Hälfte kostet, wird es immer diejenigen geben, die die günstigere Option wählen.“ Zudem verärgert es ihn, dass ein Barbershop nach dem anderen eröffne und zu wenig kontrolliert würde, ob dort alle gesetzlichen Voraussetzungen ordnungsgemäß erfüllt werden.

Obermeister hat die Problematik im Blick

Darauf wirft auch Obermeister Werner Reuther seit Jahren verstärkt einen Blick und macht sich für Überprüfungen stark, wie er erklärt: „Wenn mir Hinweise zugetragen werden, gebe ich diese in meiner Funktion als Obermeister an das Ordnungsamt oder die Kammer weiter. Aber auch dort gibt es – wie in anderen Bereichen – nicht genug Personal, um Meldungen immer direkt nachzugehen.“ Im Moment seien ihm zwei bis drei Fälle im Bereich Hüsten bekannt.

„Da sitzt der Meister dann irgendwo in Dortmund“, sagt er verärgert. Dass auf diese Art und Weise die Friseurdichte in Neheim und Hüsten weiter in die Höhe getrieben werde, dürfe eigentlich nicht sein – etwas dagegen tun könne man aber kaum, sagt Werner Reuther, „schließlich gibt es keine Beschränkungen. Das ist wie bei Apotheken.“

Sachkundeprüfung reicht aus

Doch was steht eigentlich hinter der sogenannten Ausnahmebewilligung, die es auch Nicht-Meistern ermöglicht, ein Friseurgeschäft zu eröffnen? Auf Nachfrage dieser Zeitung klärt Silvia Gängler von der Handwerkskammer Südwestfalen in Arnsberg auf:

„Die angesprochene Ausnahmeregelung gilt zum Beispiel für Personen im Alter von über 47 Jahren und ohne Meistertitel. Nach einer Sachkundeprüfung, bei der sowohl handwerkliches als auch betriebswirtschaftliches Wissen geprüft wird, können auch Menschen ohne Meisterprüfung einen Friseursalon eröffnen.“

Jeder kann die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen

In Anspruch würden dies häufig Personen aus dem Ausland nehmen, die über Fachkenntnisse verfügen, jedoch keine anerkannte Meisterschule besucht haben und nun in Deutschland einen Friseursalon eröffnen möchten. „Grundsätzlich gilt diese Ausnahmeregelung aber für alle. Zum Beispiel auch für Witwen, die den Friseursalon des Mannes nach Rente oder Tod übernehmen möchten, bis dato aber keine Meisterprüfung abgelegt haben.“

Nichts habe diese Ausnahmebewilligung hingegen mit der verbreiteten Annahme zu tun, dass Mitarbeitende in Barbershops nur Bärte schneiden dürften, jedoch keine Haare. „So etwas gibt es im Raum Arnsberg nicht“, erklärt Silvia Gängler. Sollte jemand in Friseurgeschäften oder Barbershops anderweitige Unregelmäßigkeiten feststellen, könne er sich aber grundsätzlich immer beim zuständigen Ordnungsamt oder direkt bei der Handwerkskammer melden.