Arnsberg. Personalmangel beeinträchtigt vielerorts das Schwimmvergnügen. Nass-Geschäftsführer Bernd Löhr über die Auswirkungen und Prognosen vor Ort.
Badefreuden in Arnsberg hängen an einem dünnen personellen Faden. Fachkräftemangel bei der Badeaufsicht stellt das Freizeitbad Nass und auch das Freibad Neheim vor große Herausforderungen. Unsere Zeitung sprach mit NASS-Geschäftsführer Bernd Löhr vor der Hitzewelle in der kommenden Woche und die dann steigende Nachfrage nach Freibadbesuchen über die dramatische Lage der Branche.
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Wie sieht die personelle Situation der „Bademeister“, also der Fachkräfte für Bäderbetriebe derzeit aus?
Die personelle Situation ist mehr als angespannt. Gerade in den Sommermonaten, wo wir zusätzlich das Aufsichtspersonal gemeinsam mit der Stadt Arnsberg für das städtische Freibad in Neheim stellen müssen. Ich arbeite nun seit 15 Jahren im Nass und habe bundesweit jährlich eine immer rasantere Verschlechterung der Personalsituation beobachten müssen. Laut Angaben des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister fehlen bundesweit schätzungsweise rund 2500 Fachangestellte für Bäderbetrieb und in NRW sind allein drei von sieben Stellen in diesem Beruf nicht besetzt. Derzeit sind trotz intensiver Bemühungen keine freien Fachangestellten am Arbeitsmarkt zu finden und die einzelnen Bäder werben sogar gegenseitig das wenige Personal ab. Eine Entwicklung, deren Ende noch nicht in Sicht ist.
Wie reagieren Sie?
Wir suchen ständig über alle möglichen Kanäle sowie über die Agentur für Arbeit nach potenziellen Fachkräften. Aber schon die Bewerbungen bleiben aus. Die Situation wird sich in den kommenden Jahren überall noch weiter verschlechtern und dies liegt jedoch nicht daran, dass die Kommunen weniger Geld für die Bäder ausgeben wollen. Nein, das Personal ist einfach nicht mehr da!
Wie steht es um die Nachwuchsgewinnung, gibt es genügend Bewerberinnen und Bewerber für diesen dreijährigen Ausbildungsberuf?
Auch hier sind die Bewerberzahlen fortwährend rückläufig. Im Nass bilden wir theoretisch je Ausbildungsjahr zwei Azubis aus, sofern wir sie denn überhaupt bekommen. Theoretisch könnten es also insgesamt sechs sein, praktisch sind es aktuell jedoch lediglich nur zwei. Im derzeit noch ersten Ausbildungsjahr sind im vergangenen Jahr in unserer Region 22 Azubis gestartet. Mittlerweile, also nach gut einem Jahr, hat sich die Klassengröße der regional zuständigen Berufsschule in Hagen um ein Drittel reduziert. Erschwerend kommt noch hinzu, dass bei diesem Ausbildungsberuf mit mehr als einem Drittel eine recht hohe Durchfallquote besteht. Als Richtwert kann man davon ausgehen, dass nur gut 30 Prozent nach der Ausbildung später im Beruf bleiben werden.
Wie schätzen Sie generell die Belastung für das Personal ein?
Gerade in den Sommermonaten gehen alle Beschäftigten bis an ihre Grenzen. Nun könnte man sagen, dass die Freibadsaison mit rund drei Monaten überschaubar ist. Man darf hierbei jedoch nicht vergessen, dass das Freizeitbad Nass an 355 Tagen im Jahr geöffnet hat und das in Früh- und Spätschicht. Also für meine Kolleginnen und Kollegen ist das ganze Jahr Saison. Was die Mehrbelastung während der Freibadzeit anbelangt, ziehen derzeit noch alle mit und machen den Betrieb immer wieder unter teils großen persönlichen Einschränkungen irgendwie möglich. Aber auch für uns gilt die Arbeitszeitgesetzgebung. Kommen dann noch krankheitsbedingte Ausfälle hinzu, sind die Dienstpläne nicht mehr aufrecht zu erhalten, dafür ist die vorhandene Personaldecke mittlerweile einfach zu dünn.
In den sozialen Medien wurde die Forderung laut, anstatt das Freibad das Freizeitbad bei den krankheitsbedingten Ausfällen reduziert zu öffnen oder gar ganz zu schließen, wie sehen Sie das?
Diese Forderungen sind mir bekannt. Es wundert mich immer wieder, wie das Nass nach mehr als 18 Jahren Betrieb immer noch so polarisiert. In dieser Zeit haben annähernd insgesamt rund 5,5 Millionen Gäste die Einrichtung besucht. Eine Zahl, die trotz der Kritik für das Nass spricht. Wir sehen uns überhaupt nicht als Konkurrenz zu den Freibädern. In der Woche vor den Sommerferien, in der auch das Freibad Neheim regulär geöffnet hatte, waren täglich im Durchschnitt fast 700 Gäste allein im Badbereich des Nass (ohne Schulen und Vereine). Wir hören oft von unseren Gästen, dass ein Freizeitbad gerade bei den immer unbeständigeren Wetterprognosen eher besucht wird. Es hat sich im Vergleich zu früher somit auch ein anderes Besucherverhalten entwickelt, aber das Angebot ist in unserer Stadt für alle gegeben.
Was verursachte die Öffnungszeit-Reduzierungen für das Freibad zu Beginn der Ferien?
Während der krankheitsbedingten Ausfälle zu Beginn der Ferien und der daraus einhergehenden Reduzierung der Öffnungszeiten im Freibad Neheim, war das Wetter an den fünf Tagen nicht gleichbleibend konstant beständig. Allein der Donnerstag war von der Witterung ein klassischer Freibadtag, am darauffolgenden Freitag war das Wetter beispielsweise nicht so gut. Wir können jedoch nicht morgens entscheiden, welches Bad je nach aktueller Witterung geöffnet wird. Dies ist organisatorisch nicht möglich und die Besucher würden den Überblick verlieren. Zudem hängen am Nass auch noch andere Teilbereiche, welche hierdurch auch betroffen wären. Auch ist der Betrieb leider weder im Freibad Neheim, noch im Nass ohne Fachangestellte möglich.
Warum können DLRG oder Schwimmvereine und deren Schwimmlehrer nicht bei Aufsicht aushelfen?
Die Anlagen sind zu groß. Es gibt klare Richtlinien, wonach welche Aufsichtskräfte mit welcher Qualifikation vorhanden sein müssen. Es wäre aus meiner auch nicht zu verantworten, es geht immerhin um die Sicherheit der Gäste und hierbei darf man sich nicht durch den Personalmangel treiben lassen.
Dezentrale Freibäder sind ein reiner witterungsbedingter Saisonbetrieb! Lässt sich das mit einer jährlich gedachten Personalplanung überhaupt abbilden oder wäre vieles leichter, wenn es nur ein Freibad direkt am Nass gäbe?
Es wäre leichter, da die Fachkraft dann auf dem selben Gelände anwesend wäre und die reine Beckenaufsicht durch Rettungsschwimmer erfolgen könnte. So wurde es seinerzeit auch gehandhabt, als das Freibad noch direkt am Nass war. Hier wäre nur wichtig, eine eigene Tarifzone für das Freibad zu haben. In vielen anderen Städten gibt es derartige Kombinationen.
Wie viele Fachkräfte – sprich „Bademeister“ - sind aktuell beim NASS und der Stadt beschäftigt? Arbeiten Sie schon unter Soll?
Es sind sechs Fachkräfte im Nass und ein Kollege der Stadt, welcher aber nur in geringem Umfang zur Verfügung steht. Das System ist dann je Bad: 1 mal Frühschicht, 1 mal Spätschicht, 1 mal Freischicht. Macht dann für Nass und Freibad sechs Fachkräfte. Es kann somit nur eine Person bedingt Urlaub nehmen.
Wie sind die tariflichen Entlohnungen für Bäderfachkräfte in Ausbildung und Beruf?
Das Nass ist nicht an den Tarif gebunden. Die Ausbildungsvergütung liegt bei monatlich 1000, 1100 und 1200 Euro je Ausbildungsjahr. Nach der Ausbildung liegen die Bruttogehälter in sechs Stufen zwischen rund 2600 bis 3200 Euro.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
Fast alle Bäder im Bundesgebiet befinden sich in ähnlichen Situationen und einige mussten durch den vorherrschenden Personalmangel gänzlich geschlossen werden oder bleiben. Dies konnten wir in Arnsberg bislang noch immer verhindern. Durch die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB) wird augenblicklich eine neue Richtlinie zur Wasseraufsicht erarbeitet. Als Ergebnis bleibt vermutlich, dass die Qualifikation in der Beckenaufsicht aufgrund des vorherrschenden Fachkräftemangels deutlich herabgesetzt werden soll. Sollte diese Überlegungen umgesetzt werden, wird die Sicherheit in den Bäder nicht mehr zu gewährleisten sein. Gerade auch unter dem Aspekt der vielen Nichtschwimmerkinder durch die Coronazeit eine äußerst gefährliche Entwicklung, mit der man das Personalproblem auf Kosten der Sicherheit und Gesundheit zu lösen versucht.