Arnsberg/Lippetal. Neues aus der Arnsberger Rotlicht-Szene: Über umfangreiche Renovierungen, Stammkunden, unübliche Öffnungszeiten und eine Unterschriften-Aktion.

Am bekannten Rotlicht-Standort im Industriegebiet von Niedereimer wird aktuell fleißig renoviert. Nach der Schließung vom „Club 10 – Secret Service“, steht nun „Nicole“, die im echten Leben einen anderen Namen trägt, gemeinsam mit ihren Mann und dem Bordell „Traumraum“ in den Startlöchern.

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Ungewöhnliche Öffnungszeiten

Noch stehen die neuen Genehmigungen für die Mitarbeiterinnen aus und die Renovierung der Räumlichkeiten ist in vollem Gange, voraussichtlich ab Mitte Mai wird an der Dieselstraße 10 dann ein neues Freudenhaus eröffnen. Einen Barbetrieb gibt es allerdings nicht. Zwischen elf Uhr morgens und neun Uhr abends werden ausschließlich sexuelle Dienstleistungen angeboten. Dass das Bordell nur tagsüber geöffnet hat, sei ganz bewusst gewählt, um die Sexarbeit aus der nächtlichen „Schmuddelecke“ zu holen.

In der Szene sind Nicole und ihr Mann keine Unbekannten und auch der Name „Traumraum“ könnte dem ein oder anderen bekannt vorkommen. Unter gleichem Titel haben die beiden in den vergangenen acht Jahren ein Bordell in Lippetal geführt. Dort hat der Verkauf der angemieteten Immobilie an die Stadt nun dafür gesorgt, dass das Inhaber-Paar und die angestellten Damen umziehen müssen. „In unseren ehemaligen Räumlichkeiten soll nun eine Flüchtlingsunterkunft entstehen. Es ist ein wenig zum Schmunzeln, aber die Anwohner haben tatsächlich eine Unterschriften-Aktion gestartet, damit wir dort bleiben. Man hat uns wohl immer als angenehme und ruhige Nachbarn wahrgenommen“, berichtet Nicole.

Stammkunden ziehen mit um

Doch der Umzug nach Arnsberg ist inzwischen längst besiegelt, durch vorherige Kontakte zum Besitzer der Immobilie in der Arnsberger Dieselstraße tat sich schnell eine mögliche Lösung für den Fortbestand des Traumraums auf. „Als wir vom Verkauf der Immobilie erfahren haben, hatten wir ja nur zwei Optionen: Entweder ganz aufzuhören oder eben umzuziehen. Wir haben dann erst einmal mit allen Mädchen gesprochen, ob sie mit uns nach Arnsberg gehen würden. Da alle grünes Licht gegeben haben, war der Entschluss zeitig gefasst“, erklärt Nicole, die den Umzug nach Niedereimer als echten Glücksgriff bezeichnet.

Und auch die Stammkunden, die sie als „von/bis“ beschreibt, seien größtenteils bereit, den Weg auf sich zu nehmen. „Die meisten sind ja ohnehin aus dem entfernteren Umfeld zu uns gekommen“, sagt sie. Üblicherweise gehe niemand genau dort ins Bordell, wo er wohnt. „Von jungen Männern, die meiner Ansicht nach auch Gesellschaft in der Disco finden würden, bis zu den typischen Verheirateten ist alles dabei.“

Renovierung der „Arbeitszimmer“

Aktuell sei man schwer damit beschäftigt, die insgesamt sechs „Arbeitszimmer“ so zu renovieren, dass sie dem bisherigen Standard des Unternehmens entsprechen. Dazu gehöre zum Beispiel, dass jedes Zimmer über eine Dusche verfügt, damit die so genannten Stunden-Gäste nach dem Besuch wieder frisch zurechtgemacht in den Alltag zurückkehren können. „Das sind unsere Stammkunden so gewohnt und daher war gleich klar, dass wir überall Duschen installieren werden“, so die Inhaberin. Die weitere Gestaltung der Arbeitszimmer unterliege ansonsten lediglich verschiedenen Farbkonzepten. „Wir haben zum Beispiel ein blaues Zimmer im Barock-Stil. Traumraum steht für Seriosität und Diskretion. Darauf legt unser Publikum, das durchaus eher gehoben ist, viel wert. Der neue Standort in Arnsberg ist dafür ohnehin ideal. Vorher waren wir direkt an der Bundesstraße und man konnte gleich erkennen, welche Autos so vor der Tür stehen. Jetzt gibt ja deutlich weniger Durchgangsverkehr“, beschreibt die Teilzeit-Bordellbesitzerin die Vorzüge des Umzugs.

Ein zweites Standbein

Dass Nicole und ihr Mann auch noch „normale“ Jobs haben und das Bordell nebenbei führen, hat den beiden vor allem während der Pandemie sehr geholfen – schließlich waren auch Bordelle von den ewigen Lockdowns betroffen und hatten monatelang keine Einnahmen. „Wir sind eigentlich gerade erst dabei, uns von der Corona-Zeit zu erholen und der Umzug kommt zu keiner guten Zeit. Durch unsere zweiten Standbeine ist das überhaupt nur alles möglich“, sagt Nicole. Besonders besorgt habe sie, dass sich die Prostitution durch die Lockdowns maximal in den privaten Raum verlagert habe. „Das Geschäft ging ja überall trotzdem weiter, nur eben nicht in offiziellen Bordellen, sondern in Privatwohnungen. Das hat uns und anderen Betreibern natürlich sehr geschadet bzw. schadet uns noch immer“, zieht die Traumraum-Chefin eine Bilanz.

Prostitution im privaten Raum

Offizielle Bordelle und Clubs gibt es laut Informationen des Hochsauerlandkreises derzeit noch in Winterberg (1), Brilon (2), Arnsberg (3) und Marsberg (1). Wie schnell Kontakte im Bereich der privaten Prostitution im HSK möglich sind, zeigt eine simple Suche über Google mit einschlägigen Begriffen. Offiziell liegen beim Hochsauerlandkreis 69 Anmeldebescheinigungen für Prostituierte vor. Aussagekräftig ist diese Zahl nicht.

„Eine Aussage zu lokalen Zahlen beziehungsweise aktuellen Aufenthalten der Prostituierten kann jedoch nicht getroffen werden. Dies ergibt sich daraus, dass größtenteils bundesweit gültige Anmeldebescheinigungen ausgestellt werden und die Prostituierten somit deutschlandweit tätig werden dürfen“, erklärt Kreissprecher Martin Reuther. Die Frauen, Männer sind im HSK nicht registriert, können sich also ihre Bescheinigung im HSK abholen, aber künftig in Hamburg arbeiten. „Zudem sind durch Corona (vermutlich) viele Prostituierte wieder zurück in ihre Heimatländer gekehrt, ohne dass hier eine Abmeldung erfolgte“, so Reuther.

Keine Beratungsstelle mehr für Prostituierte

Der Kreistag hat die Förderung der Tamar-Beratungsstelle für Prostituierte Ende des Jahres 2021 mit Mehrheit abgelehnt. Es ging um eine jährliche Förderung von 28.700 Euro. Deshalb werden die Frauen vor Ort nicht mehr betreut. Zunächst wurden die HSK-Prostituierten noch in Soest oder Siegen beraten, das ist aber nun nicht mehr möglich, erklärt Sabine Reeh, eine der Beraterinnen.

Gerade die Corona-Pandemie habe die Situation für die Frauen massiv verschlechtert, so Reeh. Durch das zweimal verhängte Prostitutionsverbot haben viele Frauen Existenzsorgen und standen vor der Wohnungslosigkeit“, erklärt Reeh. Einige Frauen äußerten den Wunsch, zurück in ihre Herkunftsländer zu reisen. Der Schwerpunkt der sozialarbeiterischen Tätigkeit habe sich auf die Existenzsicherung verlagert. Viele Prostituierte, so Sabine Reeh, versorgen nicht nur sich, sondern auch eigene Kinder oder die Familien in der Heimat mit ihrem Einkommen. Die Situation sei teilweise dramatisch gewesen, auch weil die Freier durch tagesaktuelle Corona-Schnelltests abgeschreckt wurden. Frauen hätten ihre Sexarbeit deshalb im Verborgenen und somit in einem ungeschützten Raum angeboten. Von diesen Nöten seien wahrscheinlich auch die Frauen aus dem HSK betroffen gewesen. Allerdings bestehe dort kein Kontakt mehr.

Die Meldungen über ukrainische Frauen, die an deutschen Bahnhöfen abgefangen und mutmaßlich zur Prostitution gezwungen werden, betrachtet Sabine Reeh mit Vorsicht. Medien hatten zuvor über solche Verdachtsfälle am Berliner Hauptbahnhof berichtet. Die Sozialarbeiterin bittet um Besonnenheit und einen differenzierten Blick auf die Situation. „Die Ukraine ist ein aufgeklärtes Land. Sexarbeit ist dort ein Thema wie bei uns. Wir beobachten bislang nicht, dass nun vermehrt ukrainische Frauen in der Sexarbeit tätig sind“, so Reeh. Mehr als die Hälfte der Frauen in der Sexarbeit in Südwestfalen kommt aus Rumänien und Bulgarien. Gefolgt von Thailand, Deutschland, Polen, Russland und Litauen. Die Zahlen beziehen sich auf die Tamar-Beratungen im Jahr 2018.