Arnsberg. Vorsitzender Rochdi Koubaa vom Marokkanischen Kulturverein Arnsberg setzt auf Dialog und Begegnung.

Der Marokkanische Kulturverein Arnsberg plant konkret den Bau einer Moschee als Gemeindezentrum auf einem erworbenen Grundstück am Berliner Platz in Hüsten. Unsere Zeitung sprach mit dem Vorsitzenden des Vereins, Rochdi Koubaa, über das mutige Vorhaben, gelingende Integration, zu lösende Probleme und den Heimatbegriff.

Welche Menschen verbergen sich hinter dem Marokkanischen Kulturverein Arnsberg?

Rochdi Koubaa: Das sind rund 200 Personen aus 53 Familien aus Arnsberg und Sundern aus inzwischen drei Generationen. 1963 kam die erste Generation im Rahmen des Abwerbeabkommens überwiegend als Gastarbeiter in der Leuchtenbranche. Sie lebte zwischen zwei Kulturen. Die zweite Generation sind schon die hier geborenen Kinder und Nachzügler, die hier aber groß geworden sind. Dazu gehöre ich. Wir sind schon andere Wege gegangen. Unsere Kinder sind die dritte Generation, das sind Arnsberger.

Moschee-Pläne am Berliner Platz
Moschee-Pläne am Berliner Platz © privat

Der Marokkanische Kulturverein gilt als Vorbild gelungener Integration. Was ist der Schlüssel dafür?

Wir sind Deutschland dankbar für die Willkommenskultur, die unsere Eltern und Großeltern hier erlebt haben. Und dafür ist auch die erste Generation dankbar, die uns das immer vermittelt hat. Das hat uns früh geprägt und war die Basis, auf der wir das Miteinander aufgebaut haben. Meine religiöse Erziehung steht und stand da nie im Widerspruch zum Miteinander. Wir suchen den ständen Dialog und Austausch. Das ist unser Konzept. Wichtig ist immer, wie ich mich öffne. So sind unsere Gespräche beim Dies Internationalis goldwert. Du musst dich immer öffnen für die Gesellschaft, in der du lebst.

Welche Probleme bei der Integration gibt es dennoch?

Der in der Silvesternacht 2016 aufgekommene Nafri-Begriff als Sammelbezeichnung für Nordafrikaner war grausam für uns. Das war für uns ein Schlag ins Gesicht vor dem Hintergrund dessen, was wir hier in Arnsberg leisten. Die Ereignisse und Folgen rund um die Nacht auf der Kölner Domplatte hatten nichts mit gewachsener Migration zu tun. Das hat uns angefasst und war demotivierend. Ein Problem bei uns ist aber, dass auch wir nicht alle Mitglieder unserer Community erreichen - zum Beispiel, wenn es um Bildung geht, die der Schlüssel für gelingende Integration ist. Wir schauen deshalb genau auf die Bildungswege unserer Kinder. Zu tun gibt es auch in Arnsberg noch etwas: Die Vielfalt in der Stadt muss sichtbarer werden, das ist die große Herausforderung und ein gemeinschaftliches Projekt aller Akteure hier vor Ort.

Sie wollen in Hüsten am Berliner Platz eine Moschee als Ihr neues Gemeindezentrum bauen. Warum ist das nötig?

Weil wir seit 20 Jahren nur in Hinterhöfen unsere Vereinssitze und Gebetsräume haben - zuletzt in der Turnhalle der Pestalozzischule. Das ist aber nicht das Bild, das wir von unserer Kultur und Religion zeigen wollen. Wir wollen offene Räume haben, in denen wir beten und das Bild der Stadt bereichern können.

Moscheebauten sind vielerorts umstritten. Wie wollen Sie Skeptikern in Arnsberg begegnen?

Wir sind total offen. Jeder, der Fragen hat, kann sich mit uns in Verbindung setzen. Und eines ist auch klar: Es wird einen nur zwölf Meter hohen Turm und keinen Muezzin geben. Wir bauen bewusst keine Kuppel, sondern im Bungalowstil. Eine offene Bauweise war uns wichtig. Diese haben wir abgestimmt mit dem Beirat für Stadtgestaltung, damit unsere Moschee auch zur Stadt passt.

Zur Person

Rochdi Koubaa (41) ist seit 2006 Vorsitzender des Marokkanischen Kulturvereins Arnsberg.

Er ist HR Business Partner beim Arnsberger Unternehmen Trilux.

Mit seiner Familie, drei Kinder im Alter von 8, 13 und 14 Jahren lebt er in Sundern.

Geboren ist er in Marokko, nach Deutschland kam er im Jahre 1990.

Nach dem Wirtschaftsabitur an der Höheren Handelsschule machte er eine Kaufmännische Ausbildung und studierte Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt HR (Human Ressources).

Spüren Sie eine Art von Islamophobie in Arnsberg?

Das hängt leider immer etwas von der weltpolitischen Lage ab. Teilweise spürt man die Ängste. Man weiß einfach vielfach noch viel zu wenig über die Muslime. Toleranz ist, den anderen so zu akzeptieren wie er ist. Ich muss bedauerlicherweise auch Kopftuch-Diskussionen führen, obwohl ich doch hier in meiner Stadt bin.

Wie organisiert sich Ihre Gemeinde und wie finanziert sich die Moschee?

Wir sind eine sunnitische Gemeinde. Wir arbeiten mit einem ehrenamtlichen Iman, der auch mehrsprachig unterwegs ist. Unsere Kinder sprechen ja oft kein arabisch mehr. Den Bau finanzieren wir über Mitgliedsbeiträgen und Spenden - bei so einem Projekt ist die Großzügigkeit groß. Aufgrund der Baukostensteigerung gehen wir von rund eine Millionen Euro Kosten aus. Unser Ziel ist es, in Etappen zu bauen und im Frühjahr 2022 mit dem Rohbau zu beginnen. Wir ziehen das durch - das ist die Krönung unserer Integrationsarbeit.

Herr Koubaa, Sie sind Zuwanderer der zweiten Generation. Welche Herausforderung bedeutet das für Sie?

Das Hin- und Hergerissene hatte die erste Generation - die hatten noch ein Nebenleben in Marokko. Davon haben wir uns verabschiedet. Wir stehen nun vor traurigen Fragen wie der, was wir mit den islamischen Beerdigungen unserer Eltern machen. Werden sie Zuhause in Marokko oder hier bestattet? Die Tendenz geht nach Deutschland - wir wollen sie bei uns haben. Es gibt muslimische Grabstätten im Rumbecker Holz, die bald aber auch an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Was ist für Sie Heimat?

Heimat ist dort, wo ich mich wohl fühle. Und aktuell ist das in Arnsberg. Mit einer Nebenheimat steht man mit einem Fuß immer hier und mit dem anderen woanders. Dann ist es schwer, das Gleichgewicht zu halten. Das schließt natürlich nicht die Verbundenheit zu Marokko aus.