Neheim. Der Neheimer Vater Max Humpe hält die aktuellen Quarantäne-Regeln für Schulkinder für unangebracht. Er stößt eine überfällige Diskussion an.

Nach den Ferien hatte sich die siebenjährige Lis wie alle Kinder wieder auf die Schule gefreut. Kaum aber hatte die Schule begonnen, da war für die kleine Neheimerin auch schon wieder alles vorbei. In ihrer dritten Klasse in der Grundschule Müggenberg-Rusch gab es einen positiven Corona-Fall. Eine kollektive Quarantäne war die Folge. Vater Max Humpe versteht langsam die Welt nicht mehr. Er kündigt eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg gegen die Quarantäne-Anordnung an und schrieb zudem einen offenen Brief an NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet und seine Schulministerin.

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Apotheker nimmt Corona sehr ernst

Das ist umso beachtlicher, weil Max Humpe fern jeglichen Verdachts steht, die Corona-Pandemie auch nur in irgendeiner Form verharmlosen zu wollen. Als Apotheker und Mitinitiator des ersten Neheimer Testzentrums macht er sich aber „für eine differenzierte Betrachtungsweise und der aktuellen Situation angepasste Maßnahmen“ stark. „Wir waren auch immer sehr vorsichtig“, sagt er. Ihm gehe es nun, wo viele Menschen geimpft seien, aber um das Wohl der Kinder, deren Interessen und Bedürfnisse in der Pandemie offenbar nicht ausreichend berücksichtigt werden. Gar kein Verständnis hat er dafür, dass auch ein negativer PCR-Test nicht ausreiche, um seine Tochter von der Quarantäne zu befreien. „Warum ermöglicht man den Kinder nicht das Freitesten mit negativem PCR-Test, wie es die Reiserückkehrer durften?“, fragt Humpe, „offensichtlich ist es der Politik wichtiger, Urlaubsreisen in Hochinzidenzgebiete zu ermöglichen, als für Kindern einen möglichst geregelten Schulbetrieb aufrechtzuerhalten“.

Zum dritten Mal von Quarantäne betroffen

Die Familie ist nun zum dritten Mal von einer Quarantäne betroffen - einmal in der Schule, einmal über die Kita. Lis war zudem vor zehn Monaten infiziert, gilt damit aber jetzt nicht mehr als genesen. Klar doch, dass die Quarantäne einmal mehr Probleme für die Familienorganisation mit den drei Töchtern mit sich bringt - beide Elternteile sind selbstständig. „Wir mussten schon wichtige Termine absagen“, sagen sie, „die Betreuungssituation bereite Probleme“. Homeschooling sei zudem eine psychische Belastung für jede Familie.

Das Kreisgesundheitsamt rechnet mit vielen Fällen in Schulen>>>

Vor allem fühlen die Eltern mit Lis. Während draußen die Kinder spielen, schaut sie durchs Fenster. Das Haus und den eigenen Garten darf sie nicht verlassen. „Mir tun aber besonders die betroffenen Kinder in beengten Wohnverhältnissen leid“, so Humpe. Es gehe ja noch um viel mehr. „Ich sehe grundsätzlich für alle Kinder die Gefahr von Bildungsrückstand, Vereinsamung, sozialer Isolation, Bewegungsmangel und in prekären Verhältnissen auch einen Anstieg von häuslicher Gewalt“, so Max Humpe. Daher will er politisch unbedingt die Diskussion über die Angemessenheit der Quarantäneregeln in Schulen anstoßen. Die Schulen seien zwar durchaus besser aufgestellt als noch vor den Ferien, „aber nicht gut genug!“. Max Humpe fragt sich, warum am ersten Schultag nicht einfach nur alle Kinder getestet und dann nach Hause geschickt wurden. „Damit hätte man verhindern können, dass so viele Kinder als Kontaktpersonen jetzt in Quarantäne sein müssen“, sagt er.

Anlass für die Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht sind vor allem unterschiedliche Regelungen in den Kreisen. Er habe von Fällen im Kreis Soest erfahren, wo nur der Sitznachbar in Quarantäne musste, und von Möglichkeiten der Freitestung in einem Kreis im Rheinland. „Daher legen wir die Beschwerde ein“, sagt Max Humpe, „ich hoffe, dass über unseren Fall in einem Eilverfahren entschieden wird“. Ihren Tornister hat Lis jedenfalls immer griffbereit gepackt.

Der offene Brief an die NRW-Regierung im Wortlaut

Sehr geehrte Frau Gebauer,
sehr geehrter Herr Laschet,

in dieser Woche hat die Schule in NRW begonnen und ist für viele Kinder auch schon wieder vorbei. Der Grund: die zahlreichen Quarantäne-Anordnungen der Gesundheitsämter. Meine Tochter ist ebenfalls betroffen und muss trotz negativem PCR-Test für 14 Tage in Quarantäne, weil sie als Kontaktperson eingestuft wurde.

Geht das Homeschooling und das Betreuungschaos jetzt wieder von vorne los? Es ist zum Verzweifeln! Für Kinder unter 12 Jahren steht kein Impfstoff zur Verfügung. Welche Perspektive haben sie und ihre Eltern in diesem Winter? Die Delta-Variante ist ansteckender als frühere Varianten. Ich befürchte einen dauerhaften Quarantäne-Zustand für viele Kinder über Monate, der einem Lockdown gleichkommt.

Sie haben versprochen, dass die Schulen geöffnet bleiben. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zum Vorjahr: Alle Erwachsenen, die sich impfen lassen wollen, sind mittlerweile geimpft. Vulnerable Personengruppen sind durch wirksame Impfstoffe geschützt. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund mehr, Kinder massenhaft in Quarantäne zu schicken, mit allen negativen Konsequenzen wie Bildungsrückstand, psychosozialen Problemen und fehlender Betreuungsmöglichkeit bei berufstätigen Eltern, um nur einige zu nennen.

Deshalb bitte ich Sie dringend darum, die Quarantänevorschriften für die Gesundheitsämter (die gerade jetzt wieder akut überlastet sind) in folgenden Punkten zu ändern: Quarantäne-Anordnung für unter 12-jährige nur noch bei positivem PCR-Test und nicht mehr als Kontaktperson. Ermöglichen Sie Kindern, sich von einer 14-tägigen Quarantäne mit einem negativen PCR-Test „freizutesten“, wie dies für Urlaubsrückkehrer auch möglich war.

Ich bin beileibe kein Protestwähler, aber wenn schon zum Schulanfang im Spätsommer wieder die Eltern und Kinder die Leidtragenden der Pandemie sind, während sich Fußballstadien mit Zuschauern füllen dürfen, dann kann ich Ihren Parteien bei der anstehenden Bundestagswahl meine Stimme nicht geben! Max Humpe