Neheim. Seit 30 Jahren besteht die Neheimer Verbraucherzentrale - Leiterin Petra Golly erläutert die Beratungsarbeit im Interview.
Vor 30 Jahren – am 10. Januar 1991 - wurde an der Burgstraße 5 in Neheim die Verbraucherzentrale (VZ) Arnsberg eröffnet. Seitdem haben die Verbraucherberater - in den gleichen Räumen wie heute - unzähligen Menschen wirkungsvoll geholfen, die beim Kauf von Produkten oder Dienstleistungen Opfer von Abzocke wurden. Das Beraterteam gab auch viele geldwerte Tipps, wie man beim Einkauf – bei gleichen Leistungen – viel Geld sparen kann und von welchen verlockenden Angeboten man lieber die Finger weglassen sollte. Die Beratungsstelle half in 30 Jahren insgesamt 400.000 Ratsuchenden in Neheim, bei Sprechstunden in Meschede oder bei anderen Info-Aktionen im Hochsauerlandkreis. Unsere Zeitung sprach anlässlich des Neheimer Beratungsstellen-Jubiläums mit der örtlichen VZ-Leiterin Petra Golly, die am 1. Januar 2018 die VZ-Leitung von Marlies Albus übernommen hatte.
Wie hat sich die Arbeit der Verbraucher-Beratungsstelle in den vergangenen 30 Jahren verändert?
Petra Golly Früher gab es in der Neheimer Beratungsstelle eine Infothek, wo man in Heften der „Stiftung Warentest“ Produktinformationen erhielt, wenn man zum Beispiel eine Waschmaschine oder Mikrowelle kaufen wollte. Eine solche Infothek ist heute nicht mehr nötig, weil sich viele Verbraucher vor Kaufentscheidungen im Internet informieren. Das Bestellen von Ware im Internet kann aber Probleme bereiten, wenn man auf unseriöse Anbieter reinfällt. Beratungsbedarf gibt es aber auch zu vielen anderen Themen. Wir bieten den Verbrauchern zum Beispiel unabhängige Expertenberatung bei Baufinanzierung, Geldanlage, Versicherungen, Altersvorsorge sowie Rechtsberatung bei Gesundheitsthemen. Probleme mit Telekommunikationsunternehmen und Energieversorgern gibt es immer wieder, wenn Verbraucher den Anbieter oder den Tarif wechseln wollen. Unser Energieberater zeigt Eigenheim-Besitzern auf, wie sich eine energetische Sanierung des Wohnhauses und auch der Einsatz regenerativer Energien lohnen kann.
Oft erleben Verbraucher Abzocke im Internet. Bitte nennen Sie mal ein Beispiel.
Ein Klassiker ist das angebliche Schnäppchen im Internet. So hat eine Frau aus dem Arnsberger Stadtgebiet sehr preisgünstige Markenschuhe online mit Vorkasse bestellt. Bei der Lieferung stellten sich die Schuhe aber als minderwertig heraus. Eine Retour nach China wäre aber teuer geworden (ca. 60 Euro), ggf. wäre noch Zoll dazukommen. Dieses Risiko und auch möglichen weiteren Schriftkram wollte die Kundin aber nicht auf sich nehmen und hat dann ihr Geld in den Wind geschrieben. Sie wird ihre Schuhe nun im Garten anziehen. Wegen solcher Fälle raten wir dringend dazu, Schnäppchen-Angebote im Internet vorab sehr sorgfältig zu prüfen und einen nicht zu großen Vertrauensvorschuss zu geben. Bei Vorkasse sollte man generell eher vorsichtig sein. Würden Sie einer unbekannten Person 150 Euro an der Haustür geben, wenn diese Ihnen sagt „Die Schuhe bringen ich Ihnen morgen vorbei“ …?
In welchen Fällen habe Sie Verbrauchern schon verloren geglaubtes Geld wieder zurückgeholt?
Wir schaffen es öfters., geprellten Bürgern ihr Geld zurückzuholen. Hier ein anderes Beispiel aus der Neheimer Verbraucherzentrale: In Corona-Zeiten wird das Internet verstärkt zum Zeitvertreib genutzt. Drei Senioren haben – unabhängig voneinander – an verschiedenen Kartenspielen, zum Beispiel Canasta, teilgenommen. Doch plötzlich wurde ihnen monatlich 39,90 Euro abgebucht, weil sie angeblich ein Spiel-Abo abgeschlossen hätten. Den Senioren war der Abschluss eines Abos gar nicht bewusst. Hintergrund: Man konnte drei Monate kostenfrei spielen, dann wurde es plötzlich kostenpflichtig. So wurden zunächst mehrere Monate monatlich 39,90 Euro von der Konten der Senioren per Lastschrift abgebucht, bis sie das nicht mehr länger akzeptieren wollten. Die Verbraucherzentrale fand dann heraus, dass in den Geschäftsbedingungen die Aufklärung über das Widerrufsrecht fehlte. Dies wiederum ermöglichte es, den Vertrag anzufechten und die Lastschrift-Überweisungen auch noch über mehrere Monate zurückzubuchen. So haben wir den drei Senioren insgesamt rund 500 Euro zurückgeholt.
Welche Anfragen von Verbrauchern haben in der Coronazeit deutlich zugenommen?
Es geht viel häufiger als in der Vor-Corona-Zeit um Existenzsicherung. Denn Einnahmeverluste der Verbraucher durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit (plötzlicher Jobverlust) oder Warten auf staatliche Übebrückungshilfen führen dazu, dass immer mehr Bürger in Finanznot geraten und zum Beispiel nicht die monatliche Stromrechnung bezahlen können. Wir suchen dann nach Wegen, wie dies dann doch möglich ist. Wir können in solchen Fällen dann raten, eventuell auf etwas Anderes wie einen teuren Handyvertrag zu verzichten oder uns bemühen, Abschlagszahlungen anzupassen, Ratenzahlungen beim Stromanbieter zu erreichen oder den Energieversorger zu wechseln. Leider stellen wir fest, dass manche Verbraucher oft sehr lange warten, bis sie endlich zu uns kommen. Dann droht manchmal schon die Stromsperre. Wenn man uns früher kontaktiert, können wir oft noch besser helfen. – Eine Besonderheit bildeten im vergangenen „Corona-Jahr“ die vielen Reise-Stornierungen, bei denen wir halfen, wenn es Probleme gab.
Wie hat sich die Arbeit der Verbraucherberater in der Corona-Zeit verändert?
Aus Coronaschutz-Gründen arbeiten wir derzeit ohne persönlichen Kontakt zum Ratsuchenden, das heißt: Wir beraten telefonisch 02932 /5109701 oder per Mail: arnsberg@verbraucherzentrale.nrw So arbeitet unser gesamtes Team mit Verbraucherberater Volker Mahlich, Energieberater Carsten Peters und unsere Büroassistenz Inke Westermann. Es ist eine tägliche Freude, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie machen einen Top-Job. Unsere Arbeit wurde anlässlich unseres 30-jährigen Jubiläums auch besonders von Arnsbergs Bürgermeister Ralf-Paul Bittner und Landrat Dr. Karl Schneider gewürdigt. Unvergessen sind natürlich die vielen dankbaren Worte der Ratsuchenden, denen wir schon geholfen haben.
Zur Person:
Petra Golly arbeitet seit 20 Jahren als Verbraucherberaterin der Verbraucherzentrale (VZ) NRW, seit 2018 ist sie in leitender Funktion in der Neheimer Beratungsstelle tätig.
Von 2001 bis 2010 hatte sie eine Teilzeitstelle in der VZ in Neheim, dann hatte sie einige Jahre eine Vollzeit-Stelle in der VZ-Beratungsstelle in Lippstadt, bis sie dann nach Neheim als Leiterin zurückkehrte.
Die 52-jährige gelernte Hauswirtschaftsmeisterin, die sich dann durch ein Studium in Münster zur Diplom-Oecotrophologin fortbildete, kam durch Studienpraktika zur VZ. Schon damals wurde ihre Leidenschaft für den Beruf der Verbraucherberaterin geweckt, weil sie immer wieder effektiv Menschen helfen kann.
Petra Gollys soziale Ader wird auch in ihrem Privatleben offenbar: Als Mitglied der DLRG bringt sie Kindern das Schwimmen bei. Die Single-Frau wohnt in ihrer Heimatstadt Rüthen.
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