Hüsten. Wenn das Wohl eines Kindes in Gefahr ist, hilft ein neues Team des Klinikums Hochsauerland bei der Aufklärung. 2020 gab es bereits 44 Fälle.
Wenn das Wohl eines Kindes in Gefahr ist, sind schnelle Aufklärung und Hilfe gefragt. Dazu leistet das Klinikum Hochsauerland seit diesem Jahr mit einer eigenen Kinderschutzgruppe einen Beitrag. Darin arbeiten Mediziner aus verschiedenen Fachbereichen, Psychologen, Sozialarbeiter und Pflegefachkräfte zusammen, um Verdachtsfälle möglichst strukturiert und zügig nachgehen zu können.
44 Fälle gab es in diesem Jahr bereits, darunter 20 Fälle körperlicher Misshandlung, 5 Fälle sexuellen Missbrauchs, 9 Fälle von Vernachlässigung und in 10 Fälle mit sonstige Ursachen. Betroffen waren Kinder und Jugendliche aus dem gesamten Sauerland, vom wenige Wochen alten Säugling bis zum Teenager.
Schutz für betroffene Kinder
Im Vordergrund steht dabei immer der Schutz der Kinder. „Es geht nicht darum, irgendjemandem etwas anzuhängen oder bewusst nach Fällen zu suchen“, erklärt Dr. Fabian Linde, Oberarzt der Klinik für Kinder und Jugendmedizin und Leiter der Kinderschutzgruppe. Zudem sei das Team für die medizinische Aufklärung von Verdachtsfällen zuständig, nicht für die Strafverfolgung. „In der Regel finden wir gemeinsam mit den Eltern einen Weg“, so Linde. Nur wenn zweifelsfrei eine Gefährdung von einer Person aus dem näheren Umfeld ausgehe, würde das Klinikpersonal auch Hausverbote aussprechen beziehungsweise Entscheidungen treffen, die nicht dem Willen der Eltern entsprechen.
In den meisten Fällen bleibe ein begründeter Verdacht, auf dessen Basis die Jugendämter dann weiterarbeiten. Zum Beispiel sei das der Fall, wenn ein Kind nicht erklärbare blaue Flecken am Körper aufweise. Nur in einzelnen Fällen sei die Beweislage eindeutig, erklären die Mediziner. Die Befunde werden in jedem Fall so dokumentiert, dass sie falls es nötig werden sollte, auch im Gerichtsprozess als Beweismittel gelten.
Kontakt ist rund um die Uhr möglich
Die Kinderschutzgruppe arbeitet eng mit Jugendämtern, Beratungsstellen, dem Netzwerk Frühe Hilfen und weiteren Kooperationspartnern zusammen.
Für den Aufbau der Gruppe hat das Klinikum Hochsauerland eine Förderung in Höhe von 30.000 Euro vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten.
Neben der medizinischen Versorgung betroffener Kinder und Jugendlicher und der Abklärung von Verdachtsfällen, stellt die Präventionsarbeit eine wichtige Aufgabe der Kinderschutzgruppe dar.
Die Kinderschutzgruppe ist rund um die Uhr unter der Telefonnummer 02932-952343899 erreichbar.
Meist kommen die Hinweise auf Missbrauch oder Misshandlung von den Jugendämtern im Umkreis, manchmal melden sich Eltern aber auch selbst in der Kinder- und Jugendmedizin. „Die Kinder werden in vielen Fällen stationär bei uns aufgenommen, so können wir ihnen direkten Schutz bieten“, sagt Dr. Bartholomäus Urgatz, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendmedizin.
Unterstützung für das Team des Klinikums
Mit dem Start der Kinderschutzgruppe sind die Verantwortlichen zufrieden, obwohl beziehungsweise gerade weil er in einer Zeit erfolgt ist, die in Sachen Kinderschutz schwierig war. Denn Jugendämter sind auch auf Hinweise aus Kitas und Schulen angewiesen. In der Zeit der Kontaktbeschränkungen und Schließungen sei es daher umso schwerer gewesen, von Familien zu erfahren, die vielleicht gerade in dieser Zeit Hilfe brauchten.
Die Kinderschutzgruppe im Klinikum wird ihre Arbeit fortführen, ob es nach der finanziellen Förderung für den Aufbau weitere Gelder von Seiten des Landes geben wird, ist unklar, einen weiteren Förderantrag wird das Klinikum stellen. Denn gerade im Hochsauerlandkreis habe eine solche Einheit zur systematischen und interdisziplinären Nachverfolgung von Verdachtsfällen bisher gefehlt. „Wir sehen einen Bedarf, das Thema braucht mehr Aufmerksamkeit, sowohl akut als auch präventiv“, sagt Urgatz.
Für die Mitglieder der Kinderschutzgruppe, die sämtliche Befunde im Team diskutieren und so gegebenenfalls weitere Untersuchungen einleiten können, gibt es auch Unterstützung durch regelmäßige Fortbildungen. Darin lernen sie zum Beispiel den Umgang mit schwierigen Situationen auf der Station, denn wenn der Vorwurf der Kindeswohlgefährdung im Raum steht, komme es häufig zu sehr emotionalen und teils auch aggressiven Reaktionen.