Voßwinkel. Wald speichert Kohlendioxid: Wildwald-Mitinhaber Franziskus Freiherr von Ketteler hält staatliche Unterstützung für angemessen.

Angesichts langer Trockenheit und daraus resultierender Borkenkäferplage schlagen deutsche Waldbauern Alarm. Der Mitinhaber des 770 Hektar großen Wildwalds Voßwinkel, Franziskus Freiherr von Ketteler, hofft jetzt auf eine finanzielle Honorierung der Klimaschutzleistung des deutschen Waldes. Denn der speichert im Durchschnitt jährlich acht Tonnen Kohlendioxid pro Hektar. Den starken Symbolwert dieser „8“ hat der Wildwald Voßwinkel nun mit der Anfertigung von sechs Exemplaren einer mannshohen orangenen „8“ in Szene gesetzt. Eine davon steht im Wildwald, andere Achten sind bei Aktionen der Waldbauern in ganz Deutschland unterwegs und standen kürzlich sogar bei einem Termin mit Ministerin Julia Klöckner vor dem Reichstag. Unsere Zeitung sprach mit Franziskus von Ketteler über den Sinn der Aktion „Wald ist Klimaschützer“ und die Lage der Waldbauern.

Die Aktion „Wald ist Klimaschützer“ bringt den Waldbauern vielleicht keinen einzigen Euro extra ein. Warum sehen Sie in der Aktion dennoch ein wichtiges Zeichen?

Ketteler: Zunächst wollen wir mit den orangenen Achten bewusst machen, dass dem Wald bei der Lösung der Klimakrise eine entscheidende Rolle zukommt. Derzeit bindet er rund 127 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Das sind etwa 14 % der der gesamten CO2-Emissionen Deutschlands. Das klimaschädliche CO2, das andere in die Luft blasen, entzieht er der Atmosphäre wieder und macht daraus wertvolles Holz. Das CO2 wird so als stabiler Dachstuhl, Schaukelpferd oder schöne Kommode über Jahrzehnte hinweg gebunden, nicht selten sogar über Jahrhunderte. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die 2 Millionen Waldbäuerinnen und Waldbauern unseres Landes für diese Klimaschutzleistung ihres Waldes eine angemessene Vergütung erhalten sollten.

Hat der Beruf Waldbauer in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft, wenn man daran denkt, dass sich das Klima immer weiter erwärmt und weitere Trockenperioden kommen werden? Sie könnten doch Ihren Wald verkaufen und etwas ganz Anderes machen….

Die Frage ist berechtigt, zumal in der Branche gerade eine große Ratlosigkeit herrscht. Genau wie vermutlich viele andere Kolleginnen und Kollegen auch, denken meine Frau und ich aber trotz allem generationsübergreifend. Von jedem Baum, den wir heute planen, pflanzen und pflegen, werden wir selbst ja nichts haben, wohl aber unsere Urenkel und Ururenkel. Diese Denke, dieses Selbstverständnis, gibt man nicht einfach so auf, auch wenn wir tatsächlich gerade Herausforderungen historischen Ausmaßes gegenüberstehen.

Warum haben Sie ausgerechnet in den USA Wald gekauft? In Kalifornien gibt es verheerende Waldbrände. Auch in anderen Bundesaaten wären solche Katastrophen denkbar…

Tatsächlich haben wir unsere Aktivitäten in den USA kürzlich ausgebaut. Wir sind dort ja schon länger forstlich aktiv. Hintergrund war damals wie heute der Wunsch nach einer besseren Risikoverteilung. Außerdem waren wir der Meinung, in den USA mit unserer Art von Forstwirtschaft einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Natürlich kann uns auch dort immer ein Sturm heimsuchen oder eine andere Katastrophe. Verheerende Waldbrände hat es aber zum Glück im Nord-Osten der USA, wo wir beheimatet sind, noch nicht gegeben.

Viele Waldbauern haben vor Jahrzehnten ihr Heil im „Brotbaum“ Fichte gesucht. Das fliegt ihnen jetzt um die Ohren. Hätten die Waldbauern nicht viel früher großflächig mit der Anpflanzung von Mischwäldern beginnen sollen?

Grundsätzlich versuchen Forstleute ja im eigenen Interesse immer, den richtigen Baum am richtigen Ort wachsen zu lassen. Nur das macht übrigens ökologisch wie ökonomisch Sinn. Es ist so ähnlich wie in unserer Gesellschaft: Ein ausreichendes Maß an Vielfalt schafft insgesamt Stabilität. Nach dem Krieg und in den Wirtschaftswunderjahren wurde halt sehr viel Holz gebraucht. Das führte gelegentlich zu Fehlbestockungen, also aus heutiger Sicht zu waldbaulichen Fehlern. Übrigens wurden die Waldbäuerinnen und Waldbauern dabei auch oft falsch beraten, manchmal sogar gezwungen. Bei uns in Voßwinkel hat mein Schwiegervater Dr. von Boeselager schon Anfang der achtziger Jahre auf alters– und artendifferenzierte Bestände gesetzt, sogar mit einem eigenen betrieblichen Naturschutzplan. Der sah für kleinere Bereiche manchmal sogar einen vollständigen Nutzungsverzicht vor. Fichten wurden bei uns schon damals nur dort gepflanzt, wo sie sich wohl fühlten und gute Chancen hatten, ihr Erntealter auch wirklich zu erreichen. Allerdings hat es jetzt auch diese Bäume erwischt. Das ist bitter.

In welcher Art und Weise erwarten Sie Hilfe von Bundes- und Landesregierung? Ihre Forderungen könnten mit einem Milliardenhilfsprogramm für die privaten Waldbauern verbunden sein. Ist dies angesichts bereits jetzt hoher staatlicher Defizite in Corona-Zeiten überhaupt eine realistische Forderung?

Zunächst müssen wir unterscheiden zwischen einem Hilfsprogramm einerseits und der fairen Bezahlung von Ökosystemprodukten des Waldes andererseits. Bei Ersterem geht es darum, den betroffenen Menschen und Betrieben aus einer aktuellen Notlage zu helfen, für die sie ja selbst nichts können. Der Wald ist ja nicht Täter des Klimawandels, sondern Opfer. Sowohl die Landesregierung, als auch die Bundesregierung haben sich in Sachen Nothilfe sehr schnell auf den Weg gemacht, auch wenn der Abfluss der Mittel heute viel zu kompliziert ist und sehr langsam anläuft. Bei der Bezahlung von Ökosystemprodukten des Waldes geht es hingegen darum, eine Leistung, die der Wald für uns alle erbringt, fair zu bezahlen. Darum geht es bei der Kampagne „Wald ist Klimaschützer“.

Müssten nicht auch - mit Blick auf gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Holzmarkt - die Wälder, die sich in kommunaler oder Bundesland-Hand befinden, genauso gefördert werden?

Über die Frage, was fair bedeutet, gibt es naturgemäß unterschiedliche Auffassungen, aber das ist ja auch in Ordnung. Ich bin der Meinung, dass selbstverständlich auch der kommunale Wald, der Landes- und Bundeswald sowie der Kirchen- und Stiftungswald für seine CO2-Bindung vernünftig bezahlt werden muss. Auch diese Wälder müssen schließlich umgebaut werden, um resilient zu werden und für unsere ganze Gesellschaft das Klima optimal zu schützen.

Wenn es zu diesem Hilfsprogramm nicht kommen sollte, sehen Sie dann viele private Forstbetriebe in der Existenz gefährdet?

Noch einmal, es geht bei der Kampagne „Wald ist Klimaschützer“ nicht um ein Hilfsprogramm. Es geht darum, dass derjenige, der CO2 emittiert, ab 2021 25 €/Tonne in den neuen Energie- und Klimafonds einzahlen muss. Das ist bereits beschlossene Sache. Der, der hingegen CO2 bindet, sollte aus dem Fonds Geld erhalten. So würde für etliche bäuerliche Familienbetriebe in Deutschland eine wichtige neue Einkommensquelle entstehen, sie könnten die wegbrechenden Holzerlöse ausgleichen und die Menschen würden ihre Anstrengungen zur Optimierung der CO2-Bindung ihres Waldes verstärken. Und Geld brauchen unsere Waldbärinnen und Waldbauern dringend, in Anbetracht der großen Herausforderungen. Es muss ja in den nächsten Jahren neuer Wald begründet und bestehender Wald umgebaut werden.

Was würde in Deutschland passieren, wenn privater Wald nicht mehr bewirtschaftet werden würde?

Würden in Deutschland die Familienbetriebe aufgeben, wäre zunächst die Versorgung mit unserem wichtigsten heimischen und ökologischen Rohstoff Holz nicht mehr möglich. Wir müssten unsere heutigen Importe z. B. aus Lettland, Tschechien und Polen, um die drei wichtigsten zu nennen, noch weiter steigern. Dachstühle bestünden dann nur noch aus energieintensivem Beton, anstatt aus heimischem und nachwachsendem Holz. Das würde stattdessen im Wald verrotten, dabei das in ihm gebundene CO2 vorzeitig an die Atmosphäre abgeben und so die Klimakrise noch verschärfen. Und mehr als 1,1 Mio. Menschen in Deutschland müssten um ihrem Arbeitsplatz bangen. Das alles kann also nicht vernünftig sein. Das alles kann und wird niemand wollen.

Wald in den USA gekauft

Der Voßwinkeler Betrieb Ketteler-Boeselager verfügt bei Land- und Forstwirtschaft nach Flächenzukauf in den USA nun insgesamt über mehr als 6000 Hektar in Deutschland und in den USA.

Der Betrieb verwaltet und entwickelt Grundstücke und Gebäude über Miet- und Pachtverhältnissen, verwaltet Kapitalanlagen und übt zentrale Dienste für Dritte aus. Ein besonderer Firmenbereich ist die naturpädagogische Einrichtung W ildwald Voßwinkel.