Wettmarsen. Auf dem Biohof der Familie Nagel in Wettmarsen fehlt wie auf vielen Höfen das Futter. Andere Trends machen den Landwirten aber Hoffnung.
Der dritte extrem trockene Sommer in Folge macht den Landwirten zu schaffen: Auf Höfen wie dem der Familie Nagel ist das Viehfutter knapp. Für den kommenden Winter müssen sie Futter hinzukaufen, weil das eigene Grünland nicht genug abwirft. Es fehlt schlicht an Niederschlag. Nur 550 Millimeter konnten an der Wetterstation im benachbarten Holzen in diesem Jahr bislang gemessen werden. In guten Jahren konnten die Landwirte fast mit der doppelten Menge rechnen.
Rund 20 Prozent weniger Ertrag bei Grasernte
Die Trockenheit hat die Ernte der Landwirte in diesem Jahr stark beeinflusst.
„Wir feiern trotzdem unser Erntedankfest und sind stolz und dankbar, dass wir in und mit der Natur wirtschaften können“, so Klaus Bauerdick, stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Hochsauerland.
Drei Schnitte waren bei der Grasernte in diesem Jahr möglich, sie lieferten durchschnittlich 20 Prozent weniger Ertrag.
Die Getreideernte sei ordentlich gewesen, allerdings seien die Preise schlecht und auch die stagnierenden Milchpreise seien ein Problem.
Gleichzeitig steigen aufgrund der Futtermittelknappheit die Preise für zugekauften Silomais und Siloballen enorm, teilweise seien sie doppelt so hoch wie vor der Dürre.
„Wir erleben den Klimawandel mit allergrößter Härte“, sagt Landwirt Theo-Josef Nagel. Auf dem Hof hätten Generationen vor ihm eine Mühle und eine Schmiede mit Wasserkraft betrieben, nun sei der Bach auf dem Gelände nur noch ein Rinnsal und der Brunnen nahezu versiegt. „Das stimmt einen nachdenklich“, so Nagel.
Wasser als wertvolles Gut
Und was sich auf dem Biohof in Wettmarsen zeigt, beschäftigt alle Landwirte im Hochsauerland, wie sie beim Erntedank-Gespräch deutlich machten. „Wasser ist das neue Gold“, kommentiert Markus Stratmann. Der Bio-Landwirt aus Schmallenberg-Grafschaft ist Sprecher des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Hochsauerland.
Beim Grünland sei Diversifizierung genauso die Zukunftsstrategie wie bei der Waldbewirtschaftung, erklärt Stratmann. Das heißt man setze auf verschiedene Pflanzen, um angesichts des sich verändernden Klimas möglichst breit aufgestellt zu sein. Doch das brauche Erfahrung, erst Recht im Wald.
Das weiß Familie Nagel nur allzu gut. Ihre Fichtenbestände konnte sie eine Zeit lang noch recht gut vor dem Borkenkäfer beschützen, nun aber schlägt er auch auf ihren Flächen zu. Die Familie muss davon ausgehen, dass in ungefähr zwei Jahren die letzte ihrer Fichten gefallen sein wird. Rund 450 Festmeter Holz haben sie in normalen Jahren eingeschlagen, jetzt sind es mehrere tausend pro Jahr. „Man kann sich ausrechnen, dass die Reserven bald erschöpft sind“, so Nagel.
Ausbau eines Hofladens
Seit 900 Jahren ist der Hof in Familienbesitz, im 21. Jahrhundert sind nun ganz neue Strategien gefragt, um ihn zu erhalten. „Man sieht aktuell wie der Wald, der über Generationen aufgebaut wurde, einfach wegstirbt“, sagt Junior Friedrich Nagel. „Mir tut das auch weh, aber ich schaue nach vorn. Wir müssen jetzt neue Wege finden, den Betrieb anders aufstellen.“ Einen Weg hat die Familie schon 2007 eingeschlagen, die Umstellung auf Bio-Landwirtschaft.
Die Vermarktung des Bio-Schweine- und Rindfleisches läuft gut, die Nachfrage steigt. Vor allem seit Beginn der Coronakrise gebe es noch einmal deutlich mehr Kunden auf dem Hof, deshalb bauen die Nagels einen Gebäudeteil nun zum Laden um.
Möglichst bis zum Advent soll der fertig sein, denn dann kommen viele Leute zum Weihnachtsbaumverkauf und zum kleinen Weihnachtsmarkt, der an den Adventswochenenden in Wettmarsen stattfindet. Auf dem Hof werden die Tiere nach der Schlachtung bei Jedowski in Unna zerlegt – und zwar genau nach dem Wunsch der Kunden, denn jedes Tier soll ganz verwertet werden.
Mastbetrieb arbeitet für Edeka
Mit ihrem Fleisch beliefern sie zusätzlich einige Läden im Umland und sie mästen Ferkel im Auftrag der Edeka Minden-Hannover. 500 Mastplätze hat der Hof, die Ferkel werden zugeliefert und auf ungefähr 120 Kilogramm gemästet. Dann werden sie bei Westfleisch in Coesfeld geschlachtet – normalerweise, denn weil der Betrieb in der Coronakrise zeitweise schließen musste, mussten die Tiere ausnahmsweise zu anderen Schlachthöfen gefahren werden. Vertrieben wird das Fleisch in Edeka-Märkten in Norddeutschland unter der Marke „Bio Jansen“.
Die steigende Nachfrage nach Bio-Fleisch stimmt die Landwirte zuversichtlich. „Wir sind frohen Mutes, dass wir den Verlust, den wir im Wald haben, damit ausgleichen können“, sagt Theo-Josef Nagel. Bliebe nur noch auf mehr Niederschlag für das Grünland zu hoffen.