Neheim. Ernst Hochstein, Mitinhaber der Reiseagentur „El Mundo“, spürt dramatische Lage der Reisebranche in der Corona-Zeit. Kunden sind verunsichert.
In der Corona-Zeit muss die heimische Reisebranche erhebliche Umsatzeinbußen verkraften. Denn die vergangenen sechs Monate waren geprägt von Stornierungen und Umbuchungen geschäftlicher oder touristischer Reisen. Unsere Zeitung erkundigte sich bei Ernst Hochstein, Mitinhaber der Neheimer Reiseagentur „El Mundo“, wie es seinem Betrieb erging.
Wann wirkte sich die Corona-Pandemie erstmals auf Ihr Agenturgeschäft aus?
Ernst Hochstein: Ende Februar 2020 berichteten die Medien über einen ersten Corona-Fall in einem Hotel auf Teneriffa. Auch wenn Kunden unserer Agentur dort nicht betroffen waren, sorgte dies in unserem Kundenkreis sofort für besorgte Nachfragen mit Blick auf bereits gebuchte Reisen zu den Kanarischen Inseln.
Wie ging es dann weiter?
Dann kam die weltweite Reisewarnung. Das war für uns ein absolut harter Schlag. Von einem Tag auf den anderen entzog man uns die Geschäftsgrundlage und wir wurden mit der Stornierung zahlreicher, manchmal schon vor Monaten gebuchter Pauschalreisen konfrontiert. Aufgrund der behördlichen Warnung haben die Kunden zwar ein Recht auf Erstattung ihres bereits gezahlten Geldes, doch bundesweit ist den Reisebüros und natürlich auch unserer Agentur ein hoher finanzieller Schaden entstanden, weil Provisionen, die schon vor Monaten für die Vermittlung von Pauschalreisen an Reisebüros gezahlt werden, an die Reiseveranstalter zurückerstattet werden mussten. Da kam rückwirkend ein hoher Gesamtbetrag an zurückzuzahlenden Provisionen zusammen.
Wie sieht es bei den Fluggesellschaften aus? Viele Kunden, die bei Fluggesellschaften die Erstattung ihres schon gezahlten Ticketpreises verlangen, warten immer noch auf ihr Geld. Eine positive Nachricht kommt mittlerweile von der Lufthansa: Sie hat signalisiert, in den nächsten Wochen die Kosten für sämtliche Tickets zu erstatten.
Wie hat sich in Ihrer Agentur Corona auf den Bereich Geschäftsreisen ausgewirkt?
Für Geschäftsreisen, zum Beispiel für die Ausstellung von Flugtickets, können wir beim Kunden Service-Entgelte erheben. Solche Service-Entgelte fallen natürlich größtenteils weg, wenn kaum noch Flüge gebucht werden. Insgesamt kann man sagen, dass in unserer Agentur das Volumen bei Geschäftsreisen im Vergleich zu 2019 um 85 bis 90 Prozent zurückging. Bei Privatreisen, hier ist es häufiger zu Umbuchungen fürs nächste Jahr gekommen, ist es etwa 70 bis 80 Prozent weniger geworden.
Wie kommen Sie angesichts solcher Zahlen durch die Krise?
Unsere drei Mitarbeiterinnen mussten, trotz des erhöhten Arbeitsaufkommens aufgrund der Rückabwicklungen abgesagter Reisen, in einem großen Umfang ihre Arbeitszeit reduzieren und sind nun schon lange in Kurzarbeit. Davon ausgenommen ist unser Auszubildender. Unsere monatlichen Fixkosten konnten wir durch individuelle Regelungen mit unseren Vertragspartnern reduzieren. Natürlich müssen wir auch auf Rücklagen zurückgreifen, um Einbußen auszugleichen.
Was macht Ihnen im Moment am meisten Sorgen?
Viele unserer Reisegäste sind verunsichert und warten bei der Neubuchung von Reisen ab. Verursacht wird die Verunsicherung zum einen durch den Zickzack-Kurs bei den Corona-Regeln für Urlaub im Ausland und die Bestimmungen für Reiserückkehrer. Zum anderen sorgen sich manche Kunden, dass möglicherweise ihr Reiseveranstalter in der Corona-Krise Insolvenz anmelden muss. Deshalb warten viele Kunden derzeit ab und beobachten, wie sich die Lage entwickelt. Aber ich bin kein Pessimist. Die Reisebranche hat schon viele Krisen gestemmt: Aschewolke über Island, den Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York, Airline-Pleiten und anderes mehr.
Was wünschen Sie sich von der Regierung für die Reisebranche?ZurZ
Ich hoffe auf die baldige Aufhebung der pauschalen Reisewarnungen für fast alle Staaten außerhalb der EU und wünsche mir, dass diese Warnungen, die gerade erst bis zum 14. September verlängert wurden, differenziert nach Ländern erlassen werden. Beispielweise gibt es eine Reisewarnung für alle afrikanischen Länder. Das ist aber nicht angemessen. Zum Beispiel ist in Teilen Südafrikas das Infektionsgeschehen deutlich stärker ausgeprägt als im eher dünn besiedelten Botswana. Ich sähe also durchaus Möglichkeiten, Safaris in Afrika anzubieten. Doch auch dieses Geschäft ist uns weggebrochen.
ZUR PERSON
Ernst Hochstein ist gebürtiger Neheimer und besuchte das Franz-Stock-Gymnasium. Nach dem Abitur machte er beim damaligen „Verkehrsverein und Reisebüro Arnsberg“ eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann.
Später arbeitete Hochstein beim Verkehrsverein Neheim-Hüsten (in der damaligen Geschäftsstelle am Bahnhof Neheim-Hüsten) und wechselte dann in ein Mescheder
Reisebüro. Von dort ging es weiter als Büroleiter in ein Dortmunder Reisebüro und von dort nach Soest. Im Lufthansa City Center Reisebüro Soest übernahm er Führungsaufgaben und leitete 13 Jahre lang den Bereich Geschäftsreisen.
Im Januar 2005 machte er sich zusammen mit seinem Geschäftspartner Thomas Eickholt mit der Reiseagentur „El Mundo“ an der Neheimer Apothekerstraße selbstständig. „El Mundo“ blickte in diesem Jahr auf 15-jähriges Bestehen zurück.
Der 57-jährige Ernst Hochstein, der heute am Möhnesee wohnt, verfügt mittlerweile über mehr als 35 Jahre Berufserfahrung in der Reisebranche.