Arnsberg. Kunst und Kultur in Corona-Zeiten: ein Interview mit Kirsten Minkel, der verantwortlichen Organisatorin des Kunstsommers.

Die Organisation und Durchführung des Kunstsommers verlangen dem Kultur-Büroteam Jahr für Jahre neue Kraftakte ab. Und nun kam noch Corona hinzu. Ein Gespräch mit Kulturbüro-Leiterin Kirsten Minkel.

Der Kunstsommer war in diesem Jahr ein Kunstsommer wie nie zuvor: Die Corona-Pandemie wirbelte die Pläne durcheinander. Improvisation war Trumpf. Ihr Fazit?

Schlussendlich sind wir froh, die Veranstaltungsreihe angeboten zu haben und auch mehr als 20 Workshops durchzuführen. Allerdings hatte dies wenig noch mit Improvisation zu tun, da für jede Ausstellung, Veranstaltung und für jeden Workshop besondere der Situation angepasste Auflagen nicht nur bedacht, sondern auch erfüllt werden mussten. Hygienekonzepte sind nun einfach kein „Papiertiger“ und die Umsetzung erfordert besondere Vorbereitung.

Einige Maßnahmen verursachen eben auch zusätzlichen Personalaufwand und fordern den Gästen mehr Geduld und Achtsamkeit ab. Die Lockerheit und Selbstverständlichkeit, mit der man sich sonst als Gast zu und in den Veranstaltungen bewegen konnte, ist nun doch von einigen Regeln überlagert. Dass das Lesen einer sich alle paar Wochen ändernden ordnungsbehördlichen Landesverordnung ein so bestimmender Teil der Veranstaltungsplanung sein würde, hätte wohl niemand bis vor wenigen Monaten geahnt.

Wie haben die Kunstinteressierten auf die vielen Veränderungen im gewohnten Ablauf und auf den Wegfall mancher „Straßenfeger“ reagiert?

Ich denke, alle vermissen die gesellige Atmosphäre, die bei den kulturellen Open-Air-Veranstaltungen immer eine wichtige Rolle spielt. Es sind dies ja nicht selten auch die unterhaltenden Formate, die ein breites Publikum ansprechen und die immer entgeltfrei stattgefunden haben.

Für die Kunstinteressierten im engeren Sinne gab es (und gibt es noch) Ausstellungen und Projekte, die zu sehen sind und hochkarätig besetzte Konzerte, die besucht werden können. Tatsächlich ist es sogar so, dass die Reihe der Kunstsommer-Bonbons immer weiter geht, da immer noch neue Angebote entstehen, so dass bis in den September noch ganz unterschiedliche Geschmäcker bedient werden.

Das Logo des Kunstsommers
Das Logo des Kunstsommers © Stadt Arnsberg

Wie war die Resonanz auf die Veranstaltungen?

Der überwiegende Teil der Gäste war sehr dankbar für das Angebot und hat es auch genießen können.

Natürlich birgt die Kurzfristigkeit des Programms auch immer die Gefahr, dass die Angebote nicht ausreichend beworben werden können.

So waren Veranstaltungen dabei, bei denen es ein paar mehr Besucher hätten sein können. Nur ganz wenigen Besuchern waren die Umstände (z. B. das Prozedere zur Rückverfolgbarkeit) nicht (an)genehm. Die meisten haben sich jedoch ausdrücklich bedankt.

Wurden die vorgeschriebenen Hygieneregeln grundsätzlich eingehalten?

Wenn wir als städtischer Veranstalter dies nicht gewährleisten können, dürfen wir es nicht durchführen. Diese Verantwortung tragen wir.

Dennoch ist es immer wieder eine Gratwanderung, das Publikum an Abstandsregeln zu erinnern, ohne zu sehr zu gängeln. Wir wissen doch alle selbst, dass wir uns in bestimmten Situationen selbst immer wieder disziplinieren müssen. Maskenpflicht und Abstandsregeln haben wir noch nicht verinnerlicht.

Und wie sind die Künstlerinnen und Künstler mit den Einschränkungen klargekommen?

Die Künstlerinnen und Künstler des Kunstsommers sind allesamt Profis, die sehr genau wissen, dass es die Einschränkungen und Regeln auch deshalb gibt, um überhaupt Kulturveranstaltungen durchführen zu können. Sie sind einfach froh, ihre Kunst wieder öffentlich darbieten zu können. Keine Veranstaltungen und keine Darstellungsmöglichkeiten sind mit Abstand die schlechtere Alternative.

Auch „Urban Sketching“ mit  Kursleiter Werner Towara - hier mit Jana Echterhoff und ihrer Mutter Kati - war ein Bringer im Kunstsommer 2020.
Auch „Urban Sketching“ mit Kursleiter Werner Towara - hier mit Jana Echterhoff und ihrer Mutter Kati - war ein Bringer im Kunstsommer 2020. © Frank Albrecht

Die freischaffenden KünstlerInnen sind aufgrund vieler weggebrochener Veranstaltungen arg gebeutelt, manche ringen um ihre Existenz. Wie schätzen Sie deren aktuelle Situation ein?

Als freischaffender Künstler auf staatliche Hilfen angewiesen zu sein, weil das durch das Sozialgesetzbuch markierte Existenzminimum unterschritten wird, ist ganz sicher kein Einzelschicksal.

Besonders hart trifft es die Musiker und darstellenden Künstler (Theater, Performance, Tanz). Wir sprechen hier über eine Berufssparte, die oft ein jahrelanges Studium absolviert hat, immer wieder auch in Vorleistung tritt und dann in der Öffentlichkeit manchmal leider nur als schönes Beiwerk wahrgenommen wird.

Künstler und Kreative sind Herz eines der größten Wirtschaftssektoren in Deutschland. Das muss man in der Diskussion um staatliche Hilfen unbedingt im Auge haben. Wir bekommen aktuell Signale, dass Ensembles der freien Szene nicht wissen, ob sie überhaupt noch in der Lage sein werden, vereinbarte Nachholtermine wahrnehmen zu können, weil sie akut von Insolvenz bedroht sind.

Wird Corona die Kunst und deren Präsentation nachhaltig verändern?

Mal ganz unabhängig davon, dass die Vielfältigkeit des kulturellen Angebots leiden wird, gibt es natürlich auch Kunstformen, die sich neu herausbilden wie z. b. Digital Arts.

Wie die Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund zeigt, geht es aktuell darum, neue Wege der Präsentation im digitalen Zeitalter zu erforschen. Die Pandemie wird Digitalisierungs-Prozesse beschleunigen, wobei man feststellen muss, dass das Wesen der Künste ja auf dem Austausch zwischen Künstler und Rezipienten gründet und sinnliches Erleben erzeugt. Begegnungen sind und bleiben daher essenziell für die Künste.

Zurück zum Kunstsommer 2020: Was war bislang Ihr persönliches Highlight?

Beim „Konvoy Spezial“ setzen sich Künstlerinnen und Tandempartner künstlerisch mit der Stadt auseinander.
Beim „Konvoy Spezial“ setzen sich Künstlerinnen und Tandempartner künstlerisch mit der Stadt auseinander. © Frank Albrecht

Tatsächlich war die in Kooperation mit dem Kunstverein gezeigte Performance mit Anna Lessing Menjibar in der KulturSchmiede wegweisend, weil die Künstler neue Ansätze in der darstellenden Kunst aufzeigen.

Die Verbindung von Sound, bildender Kunst, tänzerischen Elementen und der Wirkung des Raums ist schon etwas ganz Besonderes gewesen.

Ich freue mich schon auf die Veranstaltung des Teatron Theaters, das ganz ähnlich arbeitet und die Krise auch als Chance begreift.

Prima ist auch der partizipative Ansatz des Projekts „Konvoy Spezial“ im Rahmen dessen sich die Künstlerinnen mit unserer Stadt auseinandersetzen. Selbst im Klassik-Konzert waren ganz neue, überraschende Töne zu hören.

Wie gesagt: Es geht ja noch weiter und es kommen noch tolle Künstler nach Arnsberg und aus Arnsberg!

Und gab es auch einen Flop?

Ein Flop wäre gewesen, einfach alles abzusagen. Wir spüren deutlich, dass wir damit auch ein positives Signal in die Kulturszene geben können.

Gehen Sie davon aus, dass der Kunstsommer 2021 wieder zu den gewohnten Bedingungen stattfinden wird oder richtet sich Ihr Kulturbüro-Team dank Corona erneut auf Improvisations-Kunst ein?

Momentan möchten alle Kollegen nicht wirklich darüber nachdenken und es ist tatsächlich viel zu früh, sich darüber bereits jetzt Gedanken zu machen.

Wir (und auch die Künstler) hoffen natürlich, dass wir auch mal wieder mit größeren Open-Air-Produktionen etwas freier und weniger bürokratisch arbeiten können. Unser Fokus liegt nun auf der Umstellung des Spielplans in den Häusern und der Umsetzung unterschiedlicher Projekte in allen Sparten.

Gibt es Lehren, die Ihr Team aus diesem Kunstsommer der eher leisen Töne ziehen kann?

Wir werden in den nächsten Wochen sicherlich ein Resümee ziehen und bestimmt gibt es auch Erkenntnisse, die sich auf die zukünftige Gestaltung des Kunstsommers auswirken werden. Das betrifft Betrachtungen zu den Zielgruppen, mögliche Zugangsbarrieren, Erwartungshaltungen und auch die Dauer des Kunstsommers. Last but not least: auch die eigenen Ressourcen.