Neheim/Menden. Bereits 1965 wurde kommunale Arbeitsgemeinschaft für Autobahn-Lückenschluss gegründet - warum bisher nicht gebaut wurde, lesen Sie hier

Mittlerweile wird seit mehr als 50 Jahren über eine Schnellstraße zwischen Hemer und Neheim diskutiert. Der frühere Arnsberger Bürgermeister Alex Paust erinnerte bereits im Jahr 2008 in einem Heft des Heimatbundes Neheim-Hüsten daran, dass bereits 1965 (!) die Vorläufer der heutigen Kreise HSK, MK und Soest zusammen mit ihren Städten und Gemeinden die Arbeitsgemeinschaft A 46 gründeten, wobei der B7-Ausbau von Hemer nach Neheim zu einer „zumindest vierspurigen Schnellstraße“ zum Konzept gehörte.

An der Autobahnauffahrt Neheim /Voßwinkel steht dieser Wegweiser. Schon hier ist eine Kombination von B 7 (Richtung Menden) und A 46 sichtbar. Neue Planungen sehen eine dreispurige B7 zwischen Menden und Neheim vor
An der Autobahnauffahrt Neheim /Voßwinkel steht dieser Wegweiser. Schon hier ist eine Kombination von B 7 (Richtung Menden) und A 46 sichtbar. Neue Planungen sehen eine dreispurige B7 zwischen Menden und Neheim vor © Martin Schwarz | Martin Schwarz

Die lange Historie der Trassenfindung ist auch eine Geschichte von langjährigem Protest von Bürgern, die aus persönlicher Betroffenheit (als Anwohner einer neuen A46/B7) oder aus übergeordneten Naturschutzgründen gegen eine Schnellstraße Sturm liefen. Dies spiegelte sich dann auch in kommunalpolitischen Positionierungen wider. Nachdem im Jahr 1968 der Rat der damaligen Stadt Neheim-Hüsten einer neuen B7 mit Linienführung „Taufetal und Anbindung im Binnerfeld“ zugestimmt hatte und sich dies auch 1974 im Linienbestimmungsverfahren des Bundes wiedergefunden hatte, machte der Rat der neuen Stadt Arnsberg 1976 einen Rückzieher, weil Bürger aus dem Binnerfeld und von Bergheim massiv protestiert hatten. Mit neuer rot-grüner Mehrheit im Rat der Stadt Arnsberg wurde 1985 die Resolution beschlossen, wonach alle bisherigen Trassenvarianten aus ökologischen Gründen nicht zustimmungsfähig seien. Stattdessen solle das bestehende Straßennetz optimiert werden. Nachdem die rot-grüne Ära 1999 geendet hatte, beschloss der Rat 1999 mit neuer, von CDU mitgetragener Mehrheit, dass der A46-Lückenschluss voranzutreiben sei.

Dieter Henrici befürchtet B7-Nadelöhr

Im Jahr 1985 unterstützte Alex Paust die ablehnende Rats-Resolution zur A46. Heute sagt er: „Über das Für und Wider der A46 zwischen Hemer und Menden sollen die dortigen Akteure entscheiden. Für den Abschnitt zwischen Menden und Neheim bevorzuge ich einen B7-Ausbau, der möglichst umweltverträglich sein sollte, das heißt: Dreispurigkeit könnte man auf Geländeanstiege begrenzen.

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Eine ganz andere Position als Alex Paust vertritt Dieter Henrici, der sich in seiner Zeit als Präsident der IHK Arnsberg stets für einen Weiterbau der A46 von Hemer bis Neheim einsetzte und dies auch heute noch tut. Er wiederholt: „Südwestfalen ist die drittstärkste Industrieregion in Deutschland, aber es fehlt als Lebensader eine Verknüpfung durch ein Autobahnnetz zwischen dem Märkischen Kreis, Siegen. Soest, Olpe und HSK.“ Mit einem guten Autobahnnetz könnten auch die vier Standorte der Fachhochschule besser verbunden werden.

Der neuen Sichtweise, ab Menden nur eine dreispurige B7 zu bauen, steht Henrici kritisch gegenüber. „Dies wird zu Engpässen und Staus führen“, so Henrici, der sich für eine komplette A 46 zwischen Hemer und Neheim einsetzt. Darüber hinaus betont er, den Weiterbau der A445 zwischen Werl und Hamm nicht aus den Augen zu verlieren.

Herbert Bartetzko kämpft seit 30 Jahren gegen die A46

„Ich halte es wie die schwäbische Hausfrau: Ich kümmere mich nur um das, was vor meiner Tür passiert“, sagt Herbert Bartetzko. Der 66-jährige Sunderner und gebürtige Mendener zog in den 80er Jahren nach Holzen: „Da erfuhr ich, vor meiner Haustür soll eine Autobahn gebaut werden“, erzählt der heutige Vorsitzende des heimischen BUND von seinen ersten Aktivitäten gegen die A 46-Pläne durch das Biebertal. Später habe er jahrelang die Kröten über die Straße getragen, bis dann endlich Tunnel gebaut worden seien.

Der Sunderner Herbert Bartetzko an seinem Stück Bach am Oesberner Bach, neben ihm gibt es etliche weitere Bachpaten.
Der Sunderner Herbert Bartetzko an seinem Stück Bach am Oesberner Bach, neben ihm gibt es etliche weitere Bachpaten. © WP Sundern | Wolfgang Becker

Die aktuelle Diskussion um die auflebende Planung der Autobahn zwischen Hemer und dem Ruhrtal ist für ihn eine Farce. Die Unterschiede zwischen dem status quo zu Anfang der Planungen und heute sei gravierend: Der Luerwald ist eine Naturwaldzelle und FFH-Gebiet. Damit sei das Gebiet europaweit geschützt, und das auf der kompletten Strecke von Oelinghauser Heide bis Lendringsen.

Zur aktuellen Planung sagt er: „Ich dachte, ich könnte mal aufhören mit dem Umweltschutz.“ Er sei schon über drei Jahrzehnte dabei und vieles an Widerstand gegen die Autobahn habe er mitinitiiert. Spontan fällt ihm dazu eine Anekdote ein: „NRW-Verkehrsminister Christoph Zöpel besuchte End er 80er Jahre das Biebertal. Da zeigte ich ihm einen dort ansässigen Schwarzstorch. Die Folge: Von Stund an fand Zöpel, das Biebertal sei wirklich schützenswert.“

Aber es gibt aus seiner Sicht noch einen anderen Sperrriegel gegen den Autobahnbau: „Freiherr Wolfhard von Boeselager hat entlang des Oesberner Baches, der in Süd-West-Richtung zur Ruhr verläuft, seine Flächen entlang des Baches in sogenannten Bachpatenschaften auf Lebenszeit vergeben. Wenn jemand über diesen Bach die A 46 bauen will, dann muss er nach den Besitzern suchen. Einer bin ich“, verrät er. Aber es gebe weltweit noch weitere neun Paten, so etwa einen in Peru. „Nur durch Enteignung ist daran zu kommen“, sagt er. Dadurch beurteilt er die Planung als „Geldverschwendung und Luftnummer“.

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Den sogenannten Bettermann-Spieß, vom Seiler See über Langschede zum Kreuz Unna, hätte man nach seiner Ansicht bauen sollen. Aber dagegen sei eine starke Lobby von heimischen Unternehmen aus dem HSK gewesen. Die ganz frühen Ursprünge macht Bartetzko aber noch an einem anderen Umstand fest: „Im Grund ging es anfangs nur darum, die Sprengköpfe aus dem ehemaligen Atomwaffenlager bei Holzen über eine Autobahn nach Osten zu schaffen.“ Aber auch das sei ja seit 1989 Geschichte.

KOMMENTAR von Martin Schwarz: Illusionäres Bemühen um Konsens

Seit mehr als 50 Jahren wird über das Für und Wider eines Autobahn- bzw. Schnellstraßen-Lückenschlusses zwischen Hemer und Neheim diskutiert. Die Debatte tritt auf der Stelle. Der aktuell von der Landesregierung NRW initiierte Dialogprozess, an dem Befürworter und Gegner teilnehmen können, hat die Planer-Uhren erheblich zurückgedreht. Alles kommt nochmals auf den Tisch. So wird zum Beispiel eine durch das Holzener Biebertal führende, potenzielle Trasse, die schon vor Jahren verworfen wurde, wieder einer Prüfung unterzogen. So geht es absolut nicht voran mit einer Trassenbestimmung, die schon in den 1970er und 1980er Jahren die Gemüter so erhitzte, dass keine Einigung gefunden werden konnte.

Nach wie vor gilt das, was Straßenplaner schon vor Jahrzehnten festgestellt haben: Es gibt keine Trassenvariante, die einen Konsens zwischen den Interessen der Wirtschaft und Forderungen der Naturschützer schafft. Auch in den privaten Haushalten divergieren die Interessen: Einerseits würden Berufspendler mit ihren Autos gern schneller zwischen HSK und Märkischem Kreis unterwegs sein, andererseits verweisen auch Privatpersonen darauf, dass im Zeichen von Digitalisierung (mehr Home Office) und immer mehr automatisierter Produktions- und maschineller Überwachungsprozesse (Industrie 4.0) mittelfristig gar nicht mehr so viele Leute in den Fabriken benötigt werden. Der Wahrheitsgehalt alter Verkehrsprognosen wird bezweifelt.

Wahr ist aber auch, dass es schon beim Bau der A 445 zwischen Werl und Neheim und dem anschließenden Weiterbau der A 46 in Richtung Alt-Arnsberg erhebliche Widerstände gab. Wäre damals die Politik diesen Widerständen gefolgt, könnten heute einige Neheimer der 2. Generation, deren Eltern damals noch die A 445/46 kategorisch ablehnten, die heutige Autobahn nicht ausgiebig als schnelle Verbindungsstrecke zwischen den Arnsberger Stadtteilen und gleichzeitig als Ortsumgehung für manche Dörfer nutzen.

Im aktuellen Planverfahren „Dialogforum 46/sieben“ wird der Zwiespalt der Interessen bestehen bleiben. Bürger erleben dort ein illusionäres Bemühen um Konsens. Aber letztlich wird entschieden werden müssen: Der Bundesverkehrswegeplan sieht einen Lückenschluss bis 2030 vor, es sei denn, dass sich das aktuelle Planverfahren wieder so lange hinzieht, dass der Lückenschluss zwischenzeitlich aus dem vordringlichen Bedarf genommen wird. Gegner wie Befürworter des Projekts brauchen jedenfalls einen langen Atem. Beide Seiten haben diesen seit 55 Jahren allerdings auch schon bewiesen, indem sie gebetsmühlenartig ihre Argumente wiederholen und vielleicht so zumindest durch Zermürbungstaktiken die öffentliche Meinung zu beeinflussen versuchten. Martin Schwarz