Arnsberg. Franziskus von Ketteler, Inhaber des Wildwalds Voßwinkel, lehnt die bisherigen Lückenschluss-Planungen für A46 / B7 ab. Hier seine Argumente.

Nachfolgend erläutert der Inhaber des Wildwalds Voßwinkel, Franziskus von Ketteler, seine ablehnende Position zu den bisherigen Planungen für den Schnellstraßen-Lückenschluss zwischen Hemer und Neheim, der eine Kombination von Autobahn 46 und dreispuriger Bundesstraße 7 vorsieht. Franziskus von Ketteler schreibt im Wortlaut:

„Seit gut 16 Jahren beschäftige ich mich mit der Frage des Lückenschlusses; diesem kaum 20 km langem und sicherschwierigsten Bauabschnitt der A 46, der seit fünf Jahrzehnten so sehr die Gemüter bewegt. Obwohl ich in dieser Zeit sechs Verkehrsminister erlebt habe, gehöre ich immer noch zu den i-Männchen derer, die sich für oder gegen das Projekt engagieren.

Warum ist aus dem angeblich so unverzichtbaren Lückenschluss bis heute nichts geworden? Man kann die Ursache dafür im System suchen, auf den Landesbetrieb Strassen.NRW schimpfen oder den Befürwortern wie den Verhinderern ideologisch motivierte Blockaden vorhalten. Das alles wäre ebenso richtig wie wenigzielführend. Fakt ist, dass in dem untersuchten Landschaftsraum bis heute keine naturschutzkonforme Linie gefunden werden konnte.

Zielkonflikt

Keine Frage, wir befinden uns im Zielkonflikt zwischen dem Schutz unserer Heimat vor einer dramatischen Zerstörung von Natur einerseits und den Ansprüchen unserer heimischen Wirtschaft an eine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur andererseits. Beide Positionen sind wichtig, beide sind schlüssig, beide sind legitim. In ähnlichen Fällen gelingt mit Kompromissen und gutem Willen manchmal eine Versöhnung –gelegentlich sogar am selben Ort. Bei uns aber liegen die Dinge anders: Zu hochwertig und einmalig ist der Landschaftsraum, um den es geht. Zu entschlossen sind seine Beschützer, und zu streng sind Gesetze und Rechtsprechung.

Der Lückenschluss bringt auch mich als Unternehmer in eine Zwickmühle. Auf der einen Seite könnten einzelne unserer Betriebe wie der WILDWALD VOSSWINKEL oder unser Forstbetrieb von einer besseren Anbindung an das südliche Ruhrgebiet profitieren. Auch auf die Wertentwicklung von Grundstücken kann er positive Effektehaben. Auf der anderen Seite gehört das mit Abstand schönste, wertvollste und interessanteste Fleckchen Schöpfung zum Kernangebot des Unternehmens, ja zu seiner DNA, die es vor einer gefährlichen und unnötigen Dummheit zu bewahren gilt. Nun gehört die Lösung von Zielkonflikten genauso zum täglichen Geschäft eines Unternehmers, wie das Eingehen von Risiken. In der Abwägung haben wir uns nun den Gegnern des Projekts angeschlossen. Denn sie haben im Kern die besseren Argumente. Sehen wir uns das an vier Beispielen an:

Prognosen der Verkehrswissenschaftler

1. Glaubt man den Prognosen der Verkehrswissenschaftler, müssen wir bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg der Verkehrsbelastung in durchaus relevanter Größenordnung rechnen. Vieles spricht aber inzwischen dafür, dass Klimawandel, Co2-Bepreisung, dezentrale Produktion und die wachsende Zahl an Homeoffices den Anstieg tatsächlich deutlich geringer ausfallen lassen wird. Zudem sollte über eine Autobahn, die für eine Nutzungszeit von immerhin 100 Jahre gebaut wird, auf Basis von sehr viel längeren Betrachtungszeiträumen entschieden werden als die derzeit verbliebenen 10 Jahre. Denn unsere Mobilität, unsere Arbeit, unsere ganze Gesellschaft wird sich durch die Digitalisierung und den Klimawandel anders entwickeln.

Als Waldbauer bin ich es gewohnt, forstliche Standortentscheidungen nicht allein auf Grundlageaktueller Wuchsbedingungen zu treffen, sondern auf Grundlage der erwarteten Bedingungen innerhalb der Lebensphase eines Baumes von vielleicht 80 - 180 Jahren. Natürlich ist das im Falle der Autobahn nicht einfach. Aber ich halte es in Anbetracht dessen, was auf dem Spiel steht, für unverzichtbar. Fazit: Die Verkehrsprognosen, die von den Befürwortern des Lückenschlusses angeführt werden, sind nicht aktuell genug. Sie bilden den gesellschaftlichen Konsens falsch ab und beziehen sich auf einen zu kurzen Betrachtungszeitraum. Wir brauchen das ganze Bild, um verantwortlich entscheiden zu können. Vermutlich stellt sich dann heraus, dass es sinnvoller ist, die 600 Mio. € in den Ausbau von Datenautobahnen zu investieren.

Netzlösung und „Bettermann-Trasse“ als Alternative

2. Wenn es zutreffend ist, dass wir in den nächsten 10 – 15 Jahre mit einem Anstieg der Verkehrsbewegungen rechnen müssen, benötigen wir sehr rasch eine vernünftige Lösung. Vernünftig aber kann nur sein, was schnell, rechtskonform und kostengünstig machbar ist. Das aber kann der geradezu stoisch von IHK und Strassen.NRW verfolgte Lückenschluss nicht leisten. Denn, so ist zu erwarten, er würde 10 - 20 Jahre zu spät kommen, unverhältnismäßig teuer werden und einen verkehrspolitischen Ansatz aus dem 70er Jahren des letzten Jahrhunderts verfolgen, der mit den Vorstellungen und Erwartungen der heute jungen Generation nichts gemein hat. Die aber tritt im Herbst 2021 zum ersten Mal an die Wahlurne. Sie wird sich nicht so ohne weiteres abspeisen lassen.

Tatsächlich sind im Laufe der Jahrzehnte aber zwei Vorschläge diskutiert worden, die mir immer nochgeeigneter zu sein scheinen, als die nun verfolgte Kombilösung 46/7. Bereits Ende der 90er Jahre wurde die sog. Netzlösung ins Spiel gebracht, also eine moderne, leistungsfähige und atmende Verkehrsinfrastruktur, bestehend aus dem weitgehend vorhandenen, aber optimierten Straßennetz. Was damals als ideologische Spinnerei abgetan wurde, könnte heute eine sehr attraktive Lösung darstellen. Es ist ein Jammer, nein es ist ein unverzeihlicher Fehler gewesen, diesen Vorschlag nichternsthaft zu prüfen.

Der zweite Vorschlag ist die sog. „Bettermann-Trasse“, also die Nord-Süd-Verbindung der A 46 zwischen Seilersee und dem bereits vorhandenen Kreuz Unna-Ost sowie der sechs-streifige Ausbau der A 44 zwischen Unna-Ost und dem Kreuz Werl. Es macht mich misstrauisch, dass beide Vorschläge weder fachlich sauber geprüft wurden, noch sie dem Bundestag vollständig bekannt waren, als er über die Ausbaugesetze zum aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030 abgestimmt hat. Hätte man diese beiden Varianten mit vergleichbarer Akribie und vergleichbarem Einsatz an Mitteln untersucht, wären wir heute schlauer. Und wir wären einer Lösung näher.

Verkehrsbelastung

3. Die von den Befürwortern immer wieder ins Feld geführte Entlastung der Dörfer wird bestenfalls marginal stattfinden – wenn überhaupt. Das folgt aus dem Verkehrsentwicklungsplan der drei Städte Menden, Hemer und Iserlohn aus dem Jahr 2016, der Strassen.NRW bis vor Kurzem nicht einmalbekannt war.

https://www.hemer.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/A_Endbericht_VEP_HIM_Kap_1-6_AnlassAnalyse-Ziele.pdf

Auch Wickede wird seine starke Verkehrsbelastung mit Hilfe der Kombivariante 46/7 nicht reduzierenkönnen, eher im Gegenteil. Denn auf der B 63 sollen laut Projektdossier des Bundesverkehrsministeriums im Jahr 2030 ohne Lückenschluss täglich zwischen 10.000 – 14.000 Autos unterwegs sein, mit der Kombivariante wären es 12.000 – 13.000 PKW täglich. Von einer Entlastung kann man also nicht ernsthaft sprechen. Und dort, wo sie eventuell doch gelingt, hätte sie einen sehr,sehr hohen Preis.

Es geht um Schutz der Natur

4. Das für mich ausschlaggebende Argument ist aber ein betriebswirtschaftliches. Denn unsere Sauerländer Heimat verfügt neben einem gesunden Mittelstand, großartigen Unternehmerpersönlichkeiten und vielen fleißigen und gut ausgebildeten Menschen über den besten Standortvorteil, den man sich für einen Wirtschaftsstandort wünschen kann: Eine weitgehend gesunde, unzerschnittene Natur mit hohem Erholungswert vor den Toren des Ruhrgebiets. In Zeiten, in denen Urlaube wieder mehr in Deutschland verbracht werden und wir Mitarbeitern und ihren Familien einattraktives und gesundes Umfeld bieten müssen, um sie für eine Zusammenarbeit mit unseren Betrieben zu gewinnen, wird das zu einem noch wichtigen Standortvorteil.

So bin ich als Unternehmer zu dem Schluss gekommen, dass der Weiterbau der A 46 bis Menden und die Weiterführung von dort als dreistreifige Verbindung bis zur A 445 volks- und betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist und dass die uns versprochenen Entlastungseffekte so nicht eintreten werden.

Was allerdings kommen könnte, wenn wir jetzt nicht zusammenhalten, ist mit mind. 600 Mio. € einer der teuersten Autobahnabschnitte Deutschlands, der zu spät fertig werden wird, wertvollste Lebensräume ruiniert und die Atmosphäre mit weiteren 10.000 t Co2 im Jahr unverantwortlich belastet.

Wenn wir eine Lösung wollen, die schnell, preiswert und wirksam ist, sollten wir gemeinsam und mit voller Energie an einer aktualisierten Netzlösung arbeiten! - oder, wenn es denn unbedingt eine Autobahn sein soll, an einer modifizierten „Bettermann -Trasse“. Es ist ein Skandal, aber es macht mich auch traurig zu sehen, dass die naheliegendsten und realistischen Vorschläge für eine Lösung weder fachlich vernünftig geprüft, noch dem Bundestag im neuen Bundesverkehrswegeplan zur Entscheidung vorgelegt wurden. Solange aber die Vernunftausgesperrt bleibt und der Bundesverkehrswegeplan nicht geändert wird, halte ich es für notwendig, dem Projekt entschieden entgegenzutreten.“ Franziskus Freiherr von Ketteler