Arnsberg/Kullu Valley. Der Schreppenberger organisiert in Indien spannende Motorradtouren. Und er ist optimistisch, die Coronakrise wirtschaftlich gut zu überstehen.
Der gebürtige Arnsberger Peter Paulo Dos Santos - früher Peter Schmidt - betreibt im Kully Valley in der indischen Himalaya-Region ein Unternehmen, das Motorradtouren organisiert. Dort hat der Schreppenberger seine zweite Heimat gefunden. Doch nun fordert der Coronavirus auch in Indien drastische Einschränkungen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, im fernen Indien Bike-Touren zu organisieren? Gab es einen besonderen Bezug zu Indien?
Peter Paulo Dos Santos: Mein erster Kontakt mit Indien fand 1986 über einen Busfahrerkollegen statt. Wir fuhren in 48 Stunden von West-Berlin nach Lissabon. Da hatten wir viel Zeit zum Reden. Der fuhr jeden Winter über Land nach Indien, immer mit dem gleichen Ziel: Goa. Er hat mir viel von Goa erzählt, vor allem von den klassischen Motorrädern, den Enfield Bullets.
Das hat mich total fasziniert, zumal ich schon immer ein begeisterter Biker war. Ich kann mir gar nicht vorstellen, ohne Motorrad zu leben.
Und wie ging es weiter?
Meinem Freund Klaus bin ich dann 1988 nach Goa gefolgt, mit einer Gruppe, um eine Motorradexpedition zu machen. Wir wollten in drei Wochen Südindien erkunden. Klaus hatte über seine Beziehungen schon ein paar Motorräder angemietet. Alles super abenteuerlich, denn nichts hatte so geklappt wie geplant:
Wir kamen an und fanden da ein paar absolute Schrottkarren vor. Schließlich sind wir mit fünf Bikes losgefahren. Ich werde nie vergessen, dass wir kaum, nachdem wir die Grenze von Goa hinter uns gelassen hatten, schon das erste Motorrad am Seil ziehen mussten. Eigentlich sind wir nur von Werkstatt zu Werkstatt gefahren.
Wir hatten auch keine richtigen Karten oder Reiseführer dabei, aber gute Freunde. Einer war ein berühmter Musiker, der Sänger von den „Ärzten“. „Fahr in Urlaub“ heißt der auch noch mit Künstlernamen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, selbst Motorradtouren zu organisieren?
Ich war auch vorher schon viel unterwegs. Einerseits auf Tourneen, ich habe mein Geld verdient als Tourneemanager und Busfahrer. Andererseits, wenn ich nicht auf Tournee war, erholte ich mich auf Zypern, dort hatte ich eine kleine Pension gepachtet.
Ich hatte dort einen kleinen Motorrad- und Mountainbike-Verleih aufgebaut, das war so ein Non-Profit-Ding. Ich konnte damit gut auf Zypern leben, aber richtig Geld kam dabei nicht herein.
Wie haben Sie dann den Sprung von Zypern nach Goa geschafft?
Der Winter in Zypern - immerhin drei Monate - war zu regnerisch. Also kam die Idee auf, im Winter da hinzufahren, wo es wirklich warm ist. Goa ist immer warm. Am Anfang ging es mir aber nur darum, Spaß zu haben, mich wohl zu fühlen und Motorrad fahren zu können - im T-Shirt und ohne Helm.
Im ersten Jahr hatte ich auch einige Journalisten dabei, um die Idee bekannt zu machen. So konnte ich eine lange Geschichte in der größten deutschen Motorradzeitung unterbringen.
Das hat so viel Interesse geweckt, dass die von der Zeitung gesagt haben: Mensch, kannst du diese Reise für unsere Leser organisieren? Ich habe zugesagt, kaufte mit ein paar Freunden Motorräder und dann boten wir ein paar Touren an. Aus dem Stand haben wir fünf Gruppen auf die Beine gebracht. Damit waren die Bikes finanziert.
Und das ging so einfach in Goa?
Das hat uns in Goa niemand zugetraut, niemand glaubte, dass das gehen würde. Wir hatten keine Firma, wir haben das sozusagen schwarz gemacht und Strohmänner genutzt.
In Indien habe ich sehr schnell gespürt, dass die Mentalität der Inder genau mein Ding ist. Ich kam mit der Bakschisch- und der Improvisationsmentalität super gut klar.
Die Inder haben die Gabe, aus dem Chaos heraus zu einem Ergebnis zu kommen, das alle Seiten befriedigt. Das Leben im permanenten Chaos ist auch ein Leben in permanenter Kommunikation. In Indien gibt es für den, der Geld hat, fast keine Grenzen.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie vor Ort?
Wir haben viel feste Freie, Guides, Fahrer, Mechaniker, Buchhalter, Grafiker, Texter und so weiter. Die feste Crew besteht aus fünf Mitarbeitern und deren Familien, für die du in Indien immer mit verantwortlich bist.
Wie oft besuchen Sie die alte Heimat Arnsberg?
Mindestens einmal im Jahr, in den letzten Jahren auch öfter. Ich verbringe gern Weihnachten und Neujahr mit meinen Eltern, beide sind jetzt über 85.
Zur aktuellen Situation: Wie geht Indien mit der Coronakrise um?
Totaler Lock Down: Es gibt eine Ausgangssperre für 1,3 Milliarden Menschen erst mal bis zum 1. April, es sind keine Ein- und Ausreisen mehr möglich. Und das alles bei wenigen Corona-Fällen bisher.
Sind die Corona-Regelungen Ihrer Ansicht nach rechtzeitig erfolgt und werden sie konsequent umgesetzt?
Ja. Die Regierung handelt, und auch in den Bundesstaaten wird entschlossen umgesetzt.
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Eher entspannt, die große Mehrheit zieht mit. Die wirtschaftlichen Folgen sind aber noch gar nicht abzusehen, die Landwirtschaft läuft erst mal weiter. Was in den Metropolen und Industriegebieten jetzt passiert, muss man abwarten.
Fühlen Sie sich dort – auch in Sachen medizinischer Betreuung – nun gut aufgehoben?
Es geht mir gut hier im Himalaya, ich lebe immer schon eher isoliert, gucke aus meinem Häuschen mitten im Wald runter auf die Welt, da ändert sich jetzt nicht so viel. Meine Freunde und Mitarbeiter wohnen in den umliegenden Dörfern, ich habe alle Unterstützung, die ich brauche.
Wenn ich ernsthaft krank werden sollte, dann müsste ich in eine der privaten, sehr guten Kliniken in einer der Metropolen gehen, dort wird sehr gut geholfen. Ich bin hier bei der Indischen Allianz Versicherung gut versichert, ich mache mir da erst mal keine Sorgen.
Haben Sie dennoch Rückkehr-Gedanken entwickelt?
Nein. Ich werde - wenn möglich und wie jedes Jahr - im Mai und Juni nach Arnsberg kommen, um bei meiner Familie zu sein, aber dann soll es wieder zurückgehen nach Indien.
Wie sind die Auswirkungen von Corona auf Ihren Betrieb?
Wir haben alle anstehenden Touren um ein Jahr auf 2021 verschoben. Die gebuchten Teilnehmer machen das gerne mit, alle wollen ja weiterhin mit uns in den Himalaya. Wir müssen niemanden entlassen.
Wir werden das durchstehen, denn in Indien sind wir ganz andere Katastrophen und Epidemien gewohnt. So schnell geben wir hier nicht auf.
Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens nach Corona?
Es wird weitergehen, vielleicht erst nach einer Anlaufphase, vielleicht auch mit etwas weniger Touren und Teilnehmern. Aber wir bleiben dabei!
Stehen Sie derzeit in engem Kontakt mit Angehörigen und Freunden in Arnsberg?
Ja, ich chatte mit Arnsberger Freunden auf Whatsapp, verfolge das Arnsberger Leben auf Facebook und in der Online-Ausgabe der WP. Ich lese täglich, was ihr schreibt. Und ganz wichtig: Ich telefoniere regelmäßig mit meinen Eltern.
Ich selber nutze die Zeit für eine private 15-tägige Heilfasten-Kur, dazu täglich Yoga, kleine Waldwanderungen mit dem Hund und viel Ruhe. Nachrichten gibt es nur einmal am Tag, und maximal eine Stunde Kommunikation mit der Außenwelt.