Arnsberg. Erinnerung an Silvester vor 30 Jahren: Nach Öffnung der innerdeutschen Grenze bietet das Busunternehmen Henneke eine Fahrt nach Berlin an.

„Ein Jahrhundert-Ereignis stand bevor – und wir wollten dabei sein!“ So schildert Hildegard Henneke die Beweggründe, dass das Arnsberger Unternehmen „Henneke-Reisen“ vor 30 Jahren eine Fahrt zur Silvesterfeier in Berlin anbot. Es war die erste Silvesterfeier, nachdem die innerdeutsche Grenze am 9. November 1989 geöffnet worden war. „Es herrschte eine euphorische Stimmung in Deutschland, insbesondere in Berlin, wo die Mauer gefallen“, erinnert sich Hildegard Henneke, die mit ihrem Ehemann Anton Henneke die Fahrt organisiert hatte.

„Auch in Arnsberg war die Begeisterung über die Öffnung der Grenzen groß und es war überhaupt kein Problem, 50 Teilnehmer für die Busfahrt nach Berlin zu finden. Die Plätze waren schnell vergeben“, erzählt Anton Henneke, der die Fahrt mitorganisierte, aber nicht mitfuhr. Dies überließ er seiner Frau, die mit den anderen Gästen einen unvergesslichen Tag in Berlin erlebte.

Rührende Szenen auf den Straßen

Die heute 73-jährige Arnsbergerin erinnert sich: „Es herrschte eine grandiose Stimmung auf den Straßen. Wildfremde Menschen umarmten sich voller Freude. Auch wir erlebten das ganz persönlich, als unsere Gruppe einige Rostocker kennenlernte.“ Natürlich erlebte Hildegard Henneke auch die Silvester-Szenen, die Millionen von Menschen daheim an ihren Fernsehbildschirmen sahen: „Die Mauer war voll von Menschen, am Himmel funkelte ein imposantes Feuerwerk und immer wieder hörte man in der Nacht den Hit ,I‘m looking for freedom‘. Es war rührend und ergreifend – und wir waren mittendrin.“

Hildegard Henneke zeigt die Zeitungsanzeige, mit der das Busunternehmen Henneke vor 30 Jahren für eine Fahrt nach Berlin warb, um dort an der ersten Silvesterfeier nach Öffnung der innerdeutschen Grenze teilzunehmen.
Hildegard Henneke zeigt die Zeitungsanzeige, mit der das Busunternehmen Henneke vor 30 Jahren für eine Fahrt nach Berlin warb, um dort an der ersten Silvesterfeier nach Öffnung der innerdeutschen Grenze teilzunehmen. © Martin Schwarz | Martin Schwarz

Silvester 1989 in Berlin – das war auch eine Zeit des Übergangs im deutsch-deutschen Verhältnis. Noch standen in der Neujahrsnacht Grenzbeamte und NVA-Soldaten nahe der Mauer. Doch die Menschenmassen auf den Straßen wollten, dass die Arbeit von Grenzern nicht mehr nötig ist. „Wir verteilten Piccolos an Grenzbeamte und Soldaten, die in Uniform das Geschehen an der Mauer beobachteten“, erinnert sich Hildegard Henneke an die ausgelassene Stimmung.

Der Busfahrer der Arnsberger Reisegruppe hatte erstaunliches Glück bei seiner Parkplatzsuche in Berlin. „Es waren Hunderte von Reisebussen nach Berlin gekommen. Plötzlich winkte uns ein Ordner zu und signalisierte, dass wir nahe dem Reichstagsgebäude parken dürften. Von dort erreichten wir auf kurzem Weg das Brandenburger Tor und waren mitten im Geschehen“ , erzählt die Arnsbergerin. Der exponierte Parkplatz vor dem Reichstag sei auch sehr gut für die Rückfahrt gewesen, denn diesen Platz habe jeder aus der Arnsberger Gruppe nachts gut wiederfinden können.

Busbereich in Bistro verwandelt

Die Rückfahrt erfolgte – ohne Übernachtung - noch in der Neujahrsnacht, so dass die Gruppe insgesamt 24 Stunden auf Achse bzw. auf den Beinen war. In Arnsberg erfolgte die Abfahrt an Silvester um 13 Uhr und an Neujahr kam man in der Mittagszeit zurück. „Die Fahrt sollte mit 99 Mark pro Person preislich erschwinglich bleiben. Im Bus wollten wir von Anfang an für Stimmung sorgen und unsere Gäste verwöhnen“, erinnert sich der heute 82-jährige Anton Henneke an die Konzeption der Reise.

Ostdeutsche Orte werden neue Reiseziele

Die Öffnung der innerdeutschen Grenze bescherte dem Unternehmen „Henneke Reisen“ ein neues Geschäftsfeld. Wegen starker Nachfrage legte Henneke für die Monate „Februar bis April 1990“ das erste Sonderprogramm „Tages- und Mehrtagesfahrten in die DDR“ auf. Weitere Angebote kamen in den Folgemonaten dazu.

Tagesfahrten wurden nach Eisenach und zur Wartburg, in den Harz, ins Eichsfeld, nach Dresden, ins Thüringer Land und zur Leipziger Messe angeboten. Bei verschiedenen Mehrtagesfahrten (2 bis 4 Tage) konnte man Ostberlin, Potsdam, Erfurt, Weimar, Wismar, Rostock oder Stralsund besuchen.

Bereits vor mehr als zehn Jahren haben sich Anton und Hildegard Henneke aus dem Geschäftsbetrieb des Unternehmens Henneke zurückgezogen.

Gefahren wurde mit einem nagelneuen Doppelstockbus, wobei nur das Oberdeck (50 Plätze) belegt wurde. Der untere Bereich wurde mit Luftschlangen und Girlanden in ein Bistro verwandelt. Getränke an Bord (inklusive Sekt) waren frei, kurz vor Berlin-Stadtmitte gab es noch ein Abendessen in einem Lokal (Buffet, Musik und Tanz) .

„Die Stimmung war nicht nur auf den Berliner Straßen prächtig, auch in unserem Bus ging die Post ab“, blickt Hildegard Henneke schmunzelnd zurück.

Zu Silvester 1989 in Berlin bleibt aber das Gefühl im Gedächtnis, etwas einmalig Historisches erlebt zu haben: „Es war absolut rührend zu sehen, wie sich wildfremde Menschen mit Tränen in den Augen umarmten, weil endlich die Grenze geöffnet war. Mit dieser Silvesterfeier wurde auch in Berlin Geschichte geschrieben.“

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