Meinkenbracht. Vom Mobbing-Opfer zum Model mit Kurven: Jennifer Schröder (28) aus Meinkenbracht lernt auf einer langen Reise, ihren eigenen Körper zu lieben.

Der Blick in den Spiegel war für Jennifer Schröder als Teenager eine Qual. „Ich hatte früher wirklich Hassgefühle, wenn ich mich selbst im Spiegel gesehen habe“, sagt sie. Heute steht die 28-Jährige als sogenanntes Curvy-Model vor der Kamera, bis vor einigen Jahren wäre das für sie undenkbar gewesen. „Ich bin sehr selbstkritisch und hatte gerade als Jugendliche wenig Selbstbewusstsein.“

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Jennifer Schröder litt unter ihrer Figur und viel mehr noch unter den Kommentaren anderer. Hänseleien ihrer Mitschüler trieben sie schon als Elfjährige in die erste Diät. Der Jojo-Effekt setzte ein, das Selbstvertrauen schrumpfte. Wer heute in die strahlenden Augen der 28-Jährigen schaut, mag das kaum glauben. Unweigerlich schwappt eine Welle an Optimismus und Lebensmut rüber, wenn Jennifer Schröder von ihrer Reise zu sich selbst erzählt. „Es fängt im Kopf an“, sagt sie. „Der entscheidende Schritt ist, sich selbst zu lieben.“

Neues wagen in den Vereinigten Staaten

Die junge Frau hat gelernt, ihre Kilos anders zu betrachten, sich selbst anzunehmen. Der Weg dahin war lang, nicht nur mental. Erst 6000 Kilometer Luftlinie entfernt von ihrer Sauerländer Heimat fand sie zu neuem Selbstbewusstsein. Nach dem Abitur verbrachte sie zwei Jahre als Au-Pair nahe New York. Sie kümmerte sich um die beiden Kinder der Gastfamilie und genoss in ihrer Freizeit neue Freiheiten. „Ich habe tolle Menschen kennengelernt und hatte eine wirklich gute Zeit“, sagt Jennifer Schröder.

Jennifer Schröder schwelgt gerne in Erinnerungen an ihre Zeit in den USA – aber auch an ihre Kindheit denkt sie gerne zurück, in der sie sich noch ganz selbstverständlich wohl in ihrem Körper fühlte.
Jennifer Schröder schwelgt gerne in Erinnerungen an ihre Zeit in den USA – aber auch an ihre Kindheit denkt sie gerne zurück, in der sie sich noch ganz selbstverständlich wohl in ihrem Körper fühlte. © Katrin Clemens

Auf einmal musste sie nicht mehr – wie es damals in der Heimat noch üblich gewesen sei – beim Shoppen in „Oma“-Klamotten wühlen. In den Staaten fand sie moderne Kleidung in ihrer Konfektionsgröße, bewunderte zudem die offene Art fremder Menschen, die anderen im Vorbeigehen Komplimente machen. „In den USA bin ich offener geworden, es macht mir Spaß, Neues auszuprobieren.“

Bewerbung als „Fräulein Kurvig“

So zögerte sie auch nicht, als sie 2018 den Aufruf zum Wettbewerb „Fräulein Kurvig“ las, einer Miss-Wahl für Frauen mit einer Konfektionsgröße ab 42. Jennifer Schröder bewarb sich und wurde zum Casting eingeladen. „Jeder wurde vermessen und durfte sich dann der Jury präsentieren“, erinnert sich die Sundernerin. „Ich glaube, ich war vor meinen Abiturprüfungen nicht so nervös, wie an diesem Tag“, ergänzt sie und lacht. Anschließend schaffte sie es bis ins Finale des Wettbewerbs.

Mit diesem Bild bewirbt sich Jennifer Schröder als „Fräulein Kurvig“ und schafft es bis ins Finale.
Mit diesem Bild bewirbt sich Jennifer Schröder als „Fräulein Kurvig“ und schafft es bis ins Finale. © Privat

„Ich habe keine Modelkarriere angestrebt, ich wollte einfach etwas für mich tun, etwas Neues kennenlernen“, sagt Schröder. „Es war alles sehr beeindruckend und ich habe daraus gelernt, mir einfach mal etwas zuzutrauen.“

Diese Botschaft gibt sie nun an andere Wettbewerbsteilnehmerinnen weiter, denn mittlerweile gehört die junge Frau zum Organisations-Team des Wettbewerbs „Fräulein Kurvig“. Und immer wieder wird sie über ihre neuen Kontakte in der Modebranche auch für Modeljobs angefragt. So stand jüngst auch bei einem Shooting für Brautmode in großen Größen vor der Kamera.

In der Bilderflut von Instagram und Co.

„Menschen sollten sich gegenseitig akzeptieren, wie sie sind“, fordert Jennifer Schröder auf. „Sich gegenseitig zu mobben oder sich ständig irgendeinem Schönheitswahn auszusetzen, ist nicht gesund.“ Sie selbst ist rigoroser geworden, umgibt sich nur mit Menschen, Bildern und Ideen, die ihr selbst gut tun.

In der Fotoflut von Instagram etwa sucht sie bewusst Kanäle aus, die sie inspirieren, ihr Mut machen. Mit Photoshop aufpolierte Fitness- und Beauty-Fotos magerer Models ignoriert sie. Mit ihrer neuen Lebenseinstellung will sie als junge Mutter auch ihrem Sohn eine gesunde Portion Lebensmut mit auf den Weg geben.