Im November 1989 chartert die Stadt Arnsberg zwei Busse und bietet 120 Thüringern eine Tagesfahrt von Duderstadt nach Arnsberg und zurück.

Arnsberg. Von der Euphorie im November 1989, als sich die innerdeutsche Grenze öffnete, war auch der damalige Arnsberger Stadtdirektor Dr. Günter Cronau erfasst. Als Vertreter einer Kommune wollte auch er einen Beitrag für das neue Zusammengehörigkeitsgefühl von Ost- und Westdeutschen leisten. Ergriffen von den täglichen hochemotionalen Fernsehbildern kam Cronau am 11. November (zwei Tage nach Grenzöffnung) auf die Idee, Busse für eine Fahrt zum geöffneten Grenzübergang Duderstadt /Worbis zu organisieren. Die Busse sollten dann mit DDR-Bürgern nach Arnsberg fahren, um ihnen das schöne Sauerland zu zeigen und Einkaufsmöglichkeiten in Neheim und Alt-Arnsberg zu bieten. Denn unzählige Thüringer kamen nach der Grenzöffnung in die westdeutsche Grenzstadt Duderstadt, um einfach mal zu schauen, wie man dort lebt und welche Waren man dort einkaufen kann.

So sah das Einladungsschreiben aus, das die Stadt Arnberg am 18. November 1989 in Duderstadt verteilte
So sah das Einladungsschreiben aus, das die Stadt Arnberg am 18. November 1989 in Duderstadt verteilte © Martin Schwarz | Martin Schwarz

Bereits für Samstag, 18. November 1989, konnte Dr. Cronau - nach vorheriger Rücksprache und Unterstützung durch die Politik - eine Busfahrt organisieren, für die das Arnsberger Busunternehmen Henneke zwei Busse zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellte. Hildegard und Franz Anton Henneke leiteten damals das Busunternehmen und erinnerten sich nun im Gespräch mit unserer Zeitung an die Fahrt nach Duderstadt. Dr. Cronau ist leider schon verstorben.

Hildegard Henneke saß in einem der beiden Busse, die insgesamt 120 Thüringer für einen Tag nach Arnsberg brachten. Mitarbeiter der Stadt Arnsberg verteilten bei der Ankunft in Duderstadt an DDR-Bürger Flugblätter mit der Einladung für eine Tagesfahrt nach Arnsberg. Darin hieß es auch: „Das Begrüßungsgeld von 100 Mark wird Ihnen im Bus ausgezahlt.“ Die heute 73-jährige Hildegard Henneke erinnert sich an erste Reaktionen der Ostdeutschen: „Einige Thüringer waren zunächst misstrauisch, denn alles (Reise und Verpflegung) sollte ja für sie kostenfrei sein. Der Flugblatt-Briefkopf der Stadt Arnsberg und die Unterschriften von Bürgermeister Alex Paust und Stadtdirektor Dr. Günter Cronau bürgten aber für Seriosität, so dass letztlich beide Busse voll besetzt nach Arnsberg fuhren.“

Im Bus Begrüßungsgeld ausgezahlt

Im Bus zahlten der damalige Pressesprecher der Stadt Arnsberg, Bernd Wisser, und der damalige stellvertretende Hauptamtsleiter Rudolf Schwingenheuer noch während der Fahrt nach Arnsberg das Begrüßungsgeld aus. Und wie war nun die Stimmung im Bus? „Es war zunächst still. Viele Ostdeutsche machte die Gastfreundschaft von fremden Menschen schlicht sprachlos“, erinnert sich Hildegard Henneke. Doch dann kam man auch ins Gespräch.

Gut dokumentierte Reise

Franz Anton Henneke (82), der frühere Chef des Busunternehmens Henneke, hat die Fahrt der Stadt Arnsberg nach Duderstadt gut dokumentiert. In seinen Unterlagen findet sich auch das Flugblatt mit Einladungsschreiben, das Mitarbeiter der Stadt Arnsberg in Duderstadt an DDR-Bürger verteilten.

Das Busunternehmen Henneke erhielt auch ein Dankesschreiben aus der DDR für die Busfahrt nach Duderstadt. Gleichzeitig zeigte der Absender auch schon Interesse an einem geschäftlichen Kontakt, weil er seinem Brief Werbung für eine Unterkunft in Thüringen beifügte. Denn auch viele Westdeutsche hatten großes Interesse Ostdeutschland zu besuchen. Zu einem anderen Hotel im ostdeutschen Worbis hat Hildegard Henneke bis heute Kontakt.

Hildegard Henneke berichtet, dass viele Thüringer auf der Hinfahrt über die Sauberkeit der westdeutschen Straßen staunten und lobten bei Ankunft in Arnsberg die landschaftlich schöne Ortslage im Sauerland. Um den Ostdeutschen Gelegenheit zum Einkaufen zu geben, steuerte ein Bus Neheim und der andere Alt-Arnsberg an. Doch Großeinkäufe für 100 Mark blieben aus. „Viele gingen sehr sparsam mit dem Geld um und kauften nur Kleinigkeiten. Ein Ehepaar wollte nur endlich mal schönes Weihnachtsgeschenkpapier haben“, erzählt Hildegard Henneke.

Ein Dankesschreiben eines Fahrtteilnehmers aus Thüringen. Der Brief mit der Anschrift „An das bekannteste Reisebüro in Arnsberg“ kam beim Busunternehmen Henneke an.
Ein Dankesschreiben eines Fahrtteilnehmers aus Thüringen. Der Brief mit der Anschrift „An das bekannteste Reisebüro in Arnsberg“ kam beim Busunternehmen Henneke an. © Martin Schwarz | Martin Schwarz

Kostenloses Mittagessen gab es in der Schützenhalle Herdringen, wo die ostdeutschen Gäste mit Blasmusik des örtlichen Musikvereins begrüßt wurden. Für Verpflegung sorgten die kfd Herdringen und ein DRK-Helferteam. Das war schon ein kleines Volksfest, bei dem auch eine Ansprache des Bürgermeisters nicht fehlte. Bereits im Bus hatte Dr. Cronau die Gäste herzlich begrüßt. Nach dem Mittagessen und einer Rundfahrt durch die Stadt Arnsberg kamen die Thüringer abends in Duderstadt wieder an.