Arnsberg. Die „Hirschberger Wand“ ist der Mythos aller sauerländer Hobby-Rennradler. Der Selbsttest zeigt: Die 33 Prozent Steigung ist zu knacken.

Mittagspausen kann man anders verbringen - mit Pommes Mayo und scharfer Currywurst von „Hectors“ in Neheim. Heiß wird aber auch mir: Ich wage den Selbsttest an der Hirschberger Wand. Den 33 Prozent-Kracher im Rahmen der am Sonntag startetenden 3. Sauerland-Rundfahrt der Rennrad-Asse.

Okay, ich schummele ein wenig, breche mit dem Rennrad - ein altes Modell mit recht großem Ritzel vorne - erst ab Klärwerk Wildshausen auf. Elf Kilometer ein Weg - für mehr reicht die Zeit nicht. Die „Profis“ am Sonntag haben an der Stelle, an der ich einsteige, schon die ersten 30 Minuten im Sattel ab Neheim verbracht. Die Kunst für mich bis dahin ist es, mein Rennrad im C1-Kleinwagen zu verstauen, ohne das Gummi-Kanu rauszuschmeißen. Am Parkplatz Klärwerk das Rad zusammenbauen, in die Radklamotten und los.

Die Anfahrt von Wildshausen über den Lattenberg nach Hirscbberg und die Hirschberger Wand im in der Rennrad-App Strava angezeigten Höhenprofil.
Die Anfahrt von Wildshausen über den Lattenberg nach Hirscbberg und die Hirschberger Wand im in der Rennrad-App Strava angezeigten Höhenprofil. © Strava

Ein Kaltstart sofort in den Berg. Für den Hobbyradler sind die 3,4 Kilometer hoch auf den Lattenberg schon eine stramme Bergetappe. Da träumst du von Alpe d’Huez oder dem Col du Tourmalet und fühlst dich auf einer Kletterpassage der Tour de France. Träum weiter: Die Zahlen sagen anderes. Die Strava-App - sie gehört heute zum Inventar aller Radsportler - ist so unerbittlich ehrlich. Es misst die Zeiten in Segmenten und stellt ein Ranking aller Strava-Radler auf, die diese angelegte Strecken schon gefahren sind. Lennard Kämna hält mit 7:23 Minuten die Bestzeit, ich brauche 15:22 Minuten. Kämna fährt für den Profi-Rennstall Sunweb (und früher auch für Bora Hans Grohe), wurde 2014 Junioren-Europameister und 2015 Deutscher U23-Meister im Einzelzeitfahren, startete schon bei der Vuelta in Spanien und in diesem Jahr erstmals bei der Tour de France. Unter 741 gemessenen Fahrern belege ich bei Fahrt ohne Knautschen immerhin Platz 500. Mich tröstet: Ich bin 2,3-mal so alt wie die Schnellsten hoch auf dem Lattenberg, wahrscheinlich ein paar Kilo schwerer und leichter zu verführen. Zur Lattenberg-Kneipe Schürmann biege ich trotzdem nicht ab.

Nein, es geht weiter nach Hirschberg. Ein Stück Plateau, etwas bergab und dann taucht schon Hirschberg auf. Hier wartet die Wand. Mit 33 Prozent Steigung soll sie der zweitsteilste Kracher sein, der bei Radrennen in Europa gefahren wird. Zur Wahrheit gehört: das Stück ist gerade mal 210 Meter lang, gut asphaltiert, allerdings von zwei störenden Bordsteinkanten durchzogen. Ich komme unten um die Kurve, schlucke kurz beim Blick nach oben, schalte vorne aufs kleinste und hinten aufs größte Ritzel und gehe aus dem Sattel.

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Am Straßenrand stellen Mitarbeiter des Technischen Dienstes Warstein schon Absperrbarken auf. „Hey, ist doch erst Sonntag so weit“, rufen sie mir zu, „das musst du im Sitzen fahren“. Ich komme oben an, bin mächtig stolz, drehe auf dem Hirschberger Dorfplatz wieder um und bremse mich vorsichtig den Berghang wieder hinab. 1:29 Minuten für 210 Meter, hochgeeiert in 8,8 km/h - aber nicht abgestiegen. Strava sagt Platz 194 unter 243 gemessenen Radfahrern. Die Schnellsten waren wieder brutal flott da oben. Simon Schmitt und Jan Knolle brauchten 33 Sekunden.

Attacke am Lattenberg?

Fazit: da kommt man hoch. Von den „Profis“ muss da keiner absteigen, wenn er sich nicht verschaltet hat. Attacke geht da nicht wirklich, weil viel zu kurz. Da bietet der Anstieg zum Lattenberg schon mehr Potenzial. Wer sich hier absetzt, hat eine Chance, erst einmal erfolgreich auszureißen. Aber nur, wenn er es in einer größeren Gruppe schafft, die auf der weiteren Fahrt bis Hirschberg richtig Dampf machen kann.

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Ich denke nicht an Ausreißergruppen, sondern muss zurück in die Redaktion. „Geht nur bergab nach Oeventrop!“, sagt ein Anwohner der Hirschberger Wand. Dass es nochmal mindestens einen strammen Kilometer hochgeht, verschweigt er. Ist für einen, der am Berghang wohnt und der für den Gang hoch zur Theke im Hirschberger Gasthof Cramer jedes Mal die Steigeisen braucht, wahrscheinlich gar kein richtiger Berg.

Currywurst verdient

Ich merke ihn doch ein wenig in den Beinen, ehe es zurück und über Serpentinen hinunter ins Ruhrtal zum Ausgangspunkt geht. Auf dem Hinweg habe ich für die 11,06 Kilometer und 360 Höhenmeter 35:29 Minuten gebraucht. 18,7 km/h im Schnitt. Der Zeitplan für die Sauerlandrundfahrt sieht im schnellsten Schnitt (42 km/h) für den Abschnitt Oeventrop-Hirschberg 20 Minuten vor. Die Jungs aber dürfen schließlich nicht trödeln - sie müssen rund 140 Kilometer mit 1500 Höhenmetern von Neheim nach Winterberg schaffen. Ich gehe da mal lieber wieder arbeiten. Vorher aber noch eben zum Imbiss. Die Currywurst habe ich mir verdient.

Selbsttest an der Hirschberger Wand

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      Übertragung per Livestream und alle Durchfahrtszeiten

      Die 3. Sauerland-Rundfahrt am Sonntag, 22. September, ist ein Großereignis. Unter anderem werden verschiedene Straßen gesperrt. Der Veranstalter informiert im Internet detailliert darüber, welche Straßen zu welchen Durchfahrtszeiten der Fahrer wann betroffen sind. Zudem werden Interessierten viele Informationen geboten, auch zu dem Livestream, der mittels begleitender Motorräder angeboten wird.

      Das Gesamtpaket zur Sauerland-Rundfahrt gibt es für Interessierte im Internet unter:
      www.sauerlandrundfahrt.de