Meschede/Berlin. Yvonne Prieditis (38) aus Meschede schreibt Dialogdrehbücher, unter anderem für bekannte Serien wie Disenchantment und Better call Saul.
Yvonne Prieditis (38) schreibt Dialogbücher – hauptsächlich für amerikanische Serien und Filme. Zu ihren Arbeiten gehören zum Beispiel die Staffeln 2 bis 4 der US-Serie „Better call Saul“, ein Spin-Off der Erfolgsserie „Breaking Bad“. Die Autorin ist in Meschede aufgewachsen und lebt heute mit ihrer Familie in Berlin. Mit uns hat die Autorin über ihren Beruf, Männer mit Bärten und ihren verdorbenen Suchverlauf bei Google gesprochen.
Was genau macht ein Dialogbuch-Autor?
Yvonne Prieditis: Mit mir fängt quasi alles an. Wenn ich ungenau arbeite, fällt das später im Synchronstudio auf. Ich texte die Dialoge für Filme und Serien, die ins Deutsche übersetzt und synchronisiert werden. Das heißt, ich sorge dafür, dass die gesprochenen, deutschen Worte zu den Lippenbewegungen passen. Englische Originale übersetze ich oft selbst, bei anderen Sprachen bekomme ich zuvor eine wörtliche Übersetzung, die ich dann lippensynchron (und oft auch gemäß der Körpersprache) anpassen muss.
Worauf müssen Sie besonders achten?
Wichtig sind die labialen Laute wie ’M‘ und ‘B’. Also immer dann, wenn sich der Mund schließt. Das muss passen. Aber auch alle Atmer, Räusperer etc. müssen bedient werden. Gut ist immer, wenn Männer einen Bart haben. Darin kann man einige Wörter verstecken. Auch Comicfiguren verzeihen viel. Zum Üben habe ich beispielsweise mal das Buch für eine Folge einer japanische Anime-Serie getextet. Allerdings kann man das nicht generell sagen. Die Prinzessin in der Zeichentrickserie „Disenchantment“, eine Serie von Simpson-Macher Matt Groening, hat große Hasenzähne, die musste ich beim Texten natürlich auch beachten.
Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?
Es ist kein klassischer Ausbildungsberuf und ich bin eine Quereinsteigerin. Nach meiner Ausbildung zur Mediengestalterin im Sauerland, habe ich in Frankfurt/Oder Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Linguistik studiert. Für den Synchronisationsprozess habe ich mich aber schon immer interessiert. Durch ein Filmprojekt meines Freundes, er ist Kameramann, habe ich dann das Thema weiterverfolgt. Später machte ich ein Praktikum, textete zunächst reine Voice Over-Dialogbücher, und absolvierte einen Workshop zur Synchronautorin am „Institut für Film und Fernsehen“. Anschließend durfte ich bei Regisseuren, Cuttern und Autoren hospitieren, und habe daraufhin die Chance für meine ersten Aufträge erhalten.
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Welche Voraussetzungen muss man mitbringen?
Es ist ein einsamer Beruf. Ich sitze mit Kopfhörern vor meinem Mac und muss mich sehr konzentrieren. Damit alles passt, muss man penibel arbeiten, kreativ und akribisch zugleich sein. Mir liegt diese Fuckelarbeit. Am Tag schaffe ich je nach Schwierigkeitsgrad zwischen 15 und 20 Minuten. Für eine Folge „Better Call Saul“ brauche ich mit Korrekturen etwa vier Tage.
Wie wichtig ist die Verschwiegenheit?
Super wichtig. Ich bekomme die Folgen lange vor Veröffentlichung und darf natürlich nichts verraten. Das ist auch immer Teil des Vertrages. In den USA wurden mal ein paar „Game of Thrones“-Folgen vor der Ausstrahlung geleakt. Das wäre die Vollkatastrophe.
Wer sind Ihre Auftraggeber?
Ich arbeite für Synchronstudios. Also nicht direkt für Netflix, Amazon oder Sky.
Wie läuft die Bezahlung?
Ich bin Mitglied im Synchronverband. Die Gilde setzt sich für Qualitätsstandards ein und hat bezüglich der Gagen auch eine Marktübersicht bereitgestellt. Daran orientiere ich mich.
Was machen Sie beispielsweise aus dem englischen „I love you“?
Das bleibt „Ich liebe dich“. Ich erfinde ja nicht das Rad neu. Aber beispielsweise sagen die Amerikaner ganz oft auch „I love you“ zu ihren Kindern oder zu guten Freundinnen oder Freunden. Das würde man im Deutschen nicht so sagen. Daraus mache ich dann „Ich hab’ dich lieb“.
Welche Serie hat Ihnen besonders Spaß gemacht?
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Da ich selbst ein riesiger Fan bin, ist „Better call Saul“ schon mein Baby. Derzeit wird die fünfte Staffel gedreht und ich hoffe natürlich, dass ich auch wieder die Dialogbücher schreibe. Das hätte ich auch aus dem Kreißsaal gemacht. Obwohl ich schon sagen muss, dass mir die Serie den Suchverlauf bei Google versaut hat. In einer Folge besorgte sich Mike beispielsweise eine Waffe und ließ sich umfassend beraten. Für die Übersetzung musste ich da natürlich alle Details googlen. Da hätte ich mich nicht gewundert, wenn am nächsten Tag ein SEK vor meiner Tür gestanden hätte.
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Worauf sind Sie noch stolz?
Vorab: Ein gelungene Synchronfassung ist immer die Arbeit eines toll funktionierenden Teams, nicht die der Autoren allein. Die Netflix-Serie „Eine Reihe betrüblicher Ereignisse“ war eine echte Herausforderung: Maschinengewehr-Sprache, Wortspiele und dann wird auch noch gesungen. Da habe ich mich das erste Mal als Synchron-Songtexterin versucht und es ist ganz gut geworden. Ich konnte alles aus meiner Hand liefern, das war richtig cool. Es folgten daraufhin auch noch Songtexte für andere Serien, unter anderem für die Zeichentrickserie „Gumball“. Desweiteren durfte ich die Staffeln 3 bis 5 der US-Navy-Serie „The Last Ship“ texten - das war auch schwierig wegen der ganzen Fachsprache und des technischen Know Hows, aber dennoch eine super spannende Erfahrung.
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Was war eher anstrengend?
Ich habe einmal einen Bollywood-Streifen gemacht. In Bollywood-Filmen sprechen nicht nur die Schauspieler im Vordergrund, sondern auch die im Hintergrund - und zwar alle gleichzeitig. Auch deren Gespräche muss man ja synchronisieren, das war kompliziert, weil man gefühlt auf hundert Ebenen arbeitet.
Kann man mit Ihnen noch entspannt fernsehen?
Ja, natürlich. Den beruflichen Blick lege ich aber nicht ab. Wenn ich allein schaue, wechsel ich häufig in den Sprachen hin und her, gerade bei Netflix geht das gut. Nur aus Neugier, um zu schauen, wie andere Autoren das gelöst haben.
Filmfans schimpfen oft über die deutschen Synchronfassungen. Was ist Ihre Meinung dazu?
Da muss ich wirklich mal eine Lanze brechen für unsere Branche. Nicht jeder - auch wenn es viele gern behaupten - versteht das Original so gut, dass er jedes kleinste Detail mitbekommt. Da ist eine Synchronfassung eine tolle Hilfestellung, wenn man nicht die ganze Zeit auf Untertitel starren möchte. Auch für ältere Menschen, die vielleicht nie Englisch gelernt haben. Zudem werden Filme und Serien in Deutschland sehr professionell und mit viel Liebe zum Detail synchronisiert. Das sieht in manchen Ländern ganz anders aus. Wir maßen uns ja auch nicht an, besser als oder so gut wie die Originalfassung zu sein, sondern dieser so gut es geht gerecht zu werden.
In der Serie „Gilmore Girls“ wird sehr, sehr viel und sehr, sehr schnell gesprochen. Wie schauen Sie als Dialog-Profi die Serie?
Ich liebe die Gilmore Girls. Das ist eine großartige Serie. Und ich habe dabei schon oft an die „armen“ Autoren gedacht. Hut ab! Nur mal zum Vergleich: Wir teilen Folgen immer in Takes ein, das heißt ein Take sollte im Schnitt 6 Sekunden dauern und etwa 12 Wörter haben. Ich würde mal schätzen, dass eine Folge der Gilmore Girls etwa dreimal so viele Takes wie eine Folge von „Better Call Saul“ hat. Und das bei gleicher Länge.
>>>HINTERGRUND
- Yvonne Prieditis ist 38 Jahre alt. Sie wuchs in Meschede auf und absolvierte dort auch eine Ausbildung zur Mediengestalterin.
- Bevor sie nach Berlin zog, lebte die Autorin in Köln.
- Yvonne Prieditis arbeitet als freie Dialogbuchautorin. Anfang diesen Jahres kam ihr Sohn zur Welt, derzeit befindet sie sich in der Elternzeit.
- Bereits im Oktober 2014 hat sich Yvonne Prieditis als Dialogbuchautorin selbstständig gemacht.