Hüsten. Um den Verkehr am Hüstener Hospital zu verringern, hält der städtische Planungsdezernent einen Brückenbau über die Ruhr für nicht wirkungsvoll.
Seit Jahren klagen Anwohner über die Verkehrsbelastung auf den Straßen rund ums Hüstener Karolinen-Hospital. Mit dem nun geplanten Bau eines „Zentrums für Notfallmedizin“, mit dem Mitte 2022 die Gesamtbettenzahl von 250 auf 450 steigt, würde sich durch den zunehmenden Verkehr von Mitarbeitern, Patienten-Besuchern und Hospital-Dienstleistern eine Zunahme des Verkehrs von durchschnittlich 1800 Fahrzeugen täglich ergeben“ (so das Gutachten). Angesichts von derzeit schon 5300 Fahrzeugen pro Tag auf der Straße Möthe würde sich dort eine Gesamtbelastung von 6800 Fahrzeugen ergeben.
Verkehrsbelastungen im Vergleich
In der Diskussion über Verkehrsbelastungen von Straßen in der Stadt Arnsberg erinnert die Stadtverwaltung daran, dass die Belastung anderer innerstädtischer Straßen mit Wohnbebauung, zum Beispiel in Neheim, noch deutlicher höher als im Umfeld des Hüstener Karolinen-Hospitals ist, hier ein paar Beispiele:
Mendener Straße vor Graf-Gottfried-Schule: täglich etwa 8000 Fahrzeuge; auf Stembergstraße (zwischen Engelbertplatz und Einmündung Graf-Gottfried-Straße): täglich 8390 Fahrzeuge, auf Möhnestraße (zwischen Schobbostraße und Graf-Gottfried-Straße): täglich 8983 Fahrzeuge
In einer Bürgerversammlung zur Vorstellung des Bebauungsplans konnte die Stadt Arnsberg den Anwohnern keine alternative Verkehrsführung bieten, die mit einer deutlichen Verringerung von Lärm und Schmutz verbunden gewesen wäre. Großräumige, alternative Optionen wie Brücken- oder Tunnelbau zur Querung von Ruhr und Bahnlinie gegenüber dem Hospital, wie sie schon vor Jahren von der CDU Hüsten gefordert wurden, sind laut Stadtverwaltung baurechtlich und bautechnisch äußerst schwierig bis gar nicht realisierbar oder sind aus städtebaulichen oder verkehrslenkungstechnischen Gründen nicht zielführend, was allerdings in der Bürgerversammlung zur Vorstellung des Bebauungsplans „Notfallzentrum“ nur grummelnd von Anwohnern und Ortspolitikern zur Kenntnis genommen wurde. Unsere Zeitung bat daher den Bau- und Planungsdezernenten der Stadt Arnsberg, Thomas Vielhaber, seine Gründe gegen Brücken- oder Tunnelbau detailliert darzulegen.
Neue Zielverkehre
Thomas Vielhaber stellte zunächst die Wirksamkeit von Brücken- oder Tunnelbau in Bezug auf Verringerung des Verkehrsaufkommens rund ums Karolinen-Hospital grundsätzlich in Frage. Er meinte: „Wenn man über einen Abzweig an der Arnsberger Straße und eine dann folgende Brücke über Bahn bzw. Ruhr das Hospital neu erreichen will, sollte man unbedingt bedenken, dass dann auch überörtliche Zielverkehre neu gelenkt werden. Nahezu der gesamte Zielverkehr aus Sundern, Müschede, Herdringen, Holzen und Hüsten selbst würde den Umweg über die Arnsberger Straße und eine dort anbindende Brücke mit vier oder fünf Ampelkreuzungen gar nicht nutzen und weiterhin den kurzen und schnellen Weg durch die Ortsmitte suchen “, betont Vielhaber.
Autofahrer hingegen, die aus Richtung Arnsberg/Niedereimer/Bruchhausen in Richtung Hüsten oder Herdringen oder Hachen fahren wollen, würden zu einem guten Teil die neue Brücke nutzen und dann für zusätzlichen Verkehr am Hospital sorgen. Denn der Autofahrer suche sich immer den nächsten Weg. „Es ist klar, dass unterm Strich die Verkehre in Hüsten zwar neu gelenkt würden. Das könnte die Möthe entlasten, was aber durch Neu- und Mehrbelastungen von Autofahrern aus Richtung Arnsberg an anderen Stellen konterkariert würde. Schon allein aufgrund dieser Verlagerungseffekte ergibt für mich eine Brücke über die Ruhr keinen Sinn, um dem Ziel der Verkehrsmengen-Verringerung im Umfeld der Karoline näherzukommen“, sagte der Planungsdezernent.
Zahlreiche Probleme
Zusätzlich benannte Vielhaber bautechnische, eigentums-, landschafts-, bau- und immissionsschutzrechtliche Probleme. Eine Brücke oder einen Tunnel vom Kirmesplatz aus über die Bahnlinie zu bauen, würde einen Rampenbau erforderlich machen, damit Autofahrer in vorgeschriebenem, mindestens 5,50 Metern hohem Abstand zwischen Gleis und Brückenkante die Bahnlinie queren. Insgesamt würde das den Alten Petri-Friedhof als Naherholungsort, als Verbindung zur Großen Wiese und zum Ruhrtalradeweg komplett entwerten und Kirmes und Tierschau in Frage stellen.
Die nächste Variante, bei Poco eine Brücke über zwei Bahnstrecken und die Ruhr in Richtung Hospital zu bauen, würde ebenfalls einen steilen Rampenbau unmittelbar vor den Mehrfamilienhäusern Arnsberger Straße 51-57a erfordern, mit erheblichen Lärmbelastungen für die Menschen, die genau gegenüber Poco wohnen. Sie müssten auf ihrem Balkon auf eine 8 bis 9 Meter hohe Rampe schauen. Dass für eine solche Verkehrslösung auch private Flächen benötigt würden, die Zufahrt zu den Wohn- und Geschäftsgrundstücken nicht mehr funktionieren würde und ein Teil der Allee in der Arnsberger Straße fallen müsste, käme hinzu. „Das alles könne doch wohl niemand wollen!“, so Vielhaber. Die dritte Variante, die einen Brücken-Zubringer längs des Obi-Parkplatzes vorsehen würde, sei aus ähnlichen Rampen- und im Wesentlichen aus gleichen Gründen nicht praktikabel.
Millionenprojekt
Nicht näher untersucht wurde eine vierte Variante, die aus Hüstener Bürgerkreisen vorgeschlagen wurde. Demnach solle das große Erdbeerfeld zwischen Lotec und Beginn der Bruchhausener Wohnbebauung als nördlicher Brückenzubringer über die Ruhr genutzt werden. „Das ist planungsrechtlich nicht machbar! Dieses Gebiet ist als Überschwemmungsgebiet bei Ruhr-Hochwasser ausgewiesen, in dem keine Aufschüttungen erfolgen dürfen“, betont Vielhaber. Die bereits umgesetzte Ruhr-Renaturierung habe mit ihrem zusätzlichen Retentionsraum den Bereich Stoppenkamp bis Haverkamp aus dem Überschwemmungsgebiet herausgeholt. Mehr sei aber nicht möglich gewesen.
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Eine Brücke müsse diese Fläche also überspannen und werde noch einmal deutlich länger und teurer als andere Varianten. Denn die frei gewordenen Kapazitäten sind auf andere Flächen bezogen worden. Völlig offen seien Fragen wie Finanzierung (zweistellige Millionenhöhe), Planungs- und Realisierungszeiträume sowie Vereinbarkeit mit Naturschutz in der Ruhraue.