Arnsberg. Die Sauerländer Wälder werden bald nicht mehr aussehen wie bisher: Im Arnsberger Stadtforst gibt es deutliche Alarmzeichen.
Ein Rieseln fährt durch einen Fichtenbestand nahe der Arnsberger Jägerbänke. Ein leichter Windstoß reicht aus und unzählige Nadeln fallen auf den trockenen Waldboden. Stadtförster Sebastian Demmel blickt Richtung Baumkronen. „Es ist ein Trauerspiel“, sagt er mit einem Seufzen. „Das ist schon bitter.“ Was sich seit Sturm Friederike und dem Rekordsommer 2018 in den Wäldern abspielt, ist für Förster nur schwer mit anzusehen.
Schädlinge breiten sich aus
Gleich mehrere Fichten um ihn herum sind vom Borkenkäfer befallen – obwohl andere betroffene Bäume längst gefällt und abtransportiert worden sind, breiten sich die Insekten immer weiter aus. Unter der Rinde der von Stürmen und Trockenheit geschwächten Bäume haben die Schädlinge ein leichtes Spiel. „Wenn der Baum kein Wasser hat, dann kann er kein Harz bilden und sich nicht gegen die Käfer wehren“, erklärt Demmel.
Fichten an trockenen Südhängen sind besonders gefährdet
2200 Hektar ist der Arnsberger Stadtwald insgesamt groß, ein Teil liegt im Naturschutzgebiet Luerwald.
2 Reviere gehören dazu: Das Revier Arnsberg, für das Sebastian Demmel zuständig ist, und das Revier Neheim-Hüsten, das Petra Trompeter betreut. Jeder der beiden hat drei weitere Kollegen vor Ort.
1 Jahr und vier Monate arbeitet der Freienohler Demmel als Stadtförster in Arnsberg, zuvor war er in der Bundesforstverwaltung tätig.
90 Jahre und älter sind einige der Fichten, die im Arnsberger Revier stehen. Ändert sich die Witterung über den Sommer nicht deutlich, werden sie Probleme haben, ihn zu überleben, fürchtet der Förster. Gerade an ohnehin trockeneren Standorten wie Südhängen ist die Situation für die Fichten kritisch.
5 Millimeter lang ist ein erwachsener Buchdrucker ungefähr. Die Art gehört zu den Borkenkäfern und befällt vor allem Fichten. Die Tiere bohren sich durch die Rinde der Bäume und legt darunter seine Brutsysteme an.
1947 bis 1949 konnten sich die Buchdrucker zuletzt aufgrund milder Witterung stark vermehren. Einen Schadenfall wie aktuell haben die jetzigen Förster noch nicht erleben müssen.
Aktiv sind sowohl Kupferstecher, die Fichten von der Krone her absterben lassen, als auch die größeren Exemplare der Buchdrucker, die die Bäume vom Stamm her befallen. Rot-bräunliches Bohrmehl und Bohrlöcher im unteren Bereich der Stämme sind ein sicheres Zeichen für den Förster: Hier ist der Buchdrucker aktiv.
Mit der Sprühdose markiert Demmel Bäume, die möglichst bald gefällt und aus dem Wald herausgebracht werden sollen. Erst vor einer Woche war er hier, hat einen Kreis an Fichten markiert rund um die unfreiwillig geschaffene Lichtung, die jetzt immer größer wird.
Und die Spuren sind eindeutig: In den vergangenen sieben Tagen haben sich die Käfer noch weiter ausgebreitet.
Demmel befindet sich genauso in einer Bredouille wie Kollegen im Staatsforst und private Waldbesitzer: Einerseits müssen befallene Bäume so schnell wie möglich raus aus dem Wald und idealerweise müssten auch einige augenscheinlich gesund wirkendende Exemplare drumherum gefällt werden, um sicher zu gehen, alle befallenen Fichten entfernt zu haben.
Andererseits tut jeder Verlust weh, nicht nur waldbaulich, sondern auch finanziell. Denn die großen Mengen an Sturmholz nach Friederike und jetzt das Käferholz drücken die Preise auf dem Markt immer weiter nach unten.
Holzpreise sinken stark
Während für einen Festmeter Fichtenstammholz vor Friederike durchschnittlich noch rund 90 Euro zu bekommen gewesen seien, seien es aktuell um die 40 Euro, erklärt Demmel, Tendenz sinkend. Allein im Stadtwald sind seit Friederike etwa 24.000 Festmeter Fichte angefallen, im Wirtschaftsplan sind jährlich nur 4500 Festmeter vorgesehen.
Douglasien als Alternative
Die Wälder im Sauerland so zu bewirtschaften, dass sie klimaresistenter werden, das ist die große Herausforderung. Ihrer sind sich die Fachleute seit Jahren bewusst. Klar ist spätestens seit dem verheerenden Orkan Kyrill im Jahr 2007 auch, wie risikoreich es ist, weiter auf Monokulturen aus Fichte zu setzen.
Der traditionelle „Brotbaum“ der Sauerländer Waldbauern kommt mit dem Klimawandel nicht zurecht. Und dennoch: Was aktuell in den Wäldern passiert, das hat in diesem Ausmaß wohl keiner von ihnen kommen sehen.
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Im Arnsberger Stadtwald ist der Anteil an Laubbäumen mit 70 Prozent recht hoch. Auf den stark durch Sturm und Borkenkäfer ausgedünnten Waldstücken mit stärkerem Nadelbaumanteil will Demmel nun auf Aufforstung mit Douglasie und Küstentanne setzen. Weil die Preise für Jungpflanzen aus Baumschulen aufgrund der hohen Nachfrage gestiegen sind, versuchen er und seine Kollegen die Naturverjüngung in einem speziell dafür eingezäunten Bereich zu fördern und die selbst gezogenen Jungpflanzen bei passender Witterung umzusetzen.
Warten auf Niederschlag
Auf mehrere und neue Baumarten zu setzen, ist die längerfristige Strategie. Kurzfristig bleibt dem Förster nur, auf Niederschläge zu hoffen. Und zwar auf längere Regenphasen, denn kurze Platzregen fließen auf der Oberfläche des ausgedörrten Waldbodens ab. Sie füllen zwar Bäche, Flüsse und Talsperren, die tieferen Bodenschichten erreichen sie jedoch nicht. „Die Bäume haben nach wie vor einen enormen Trockenheitsstress“, sagt Demmel. „Das zieht sich durch alle Baumarten und alle Altersklassen.“ Vorerst treibt der Blick auf die Fichten, aber auch die ausgetrockneten Kronen vieler Buchen dem Förster wohl noch Sorgenfalten auf die Stirn.