Arnsberg. . Im Vorjahr wurden im Schnitt 72 gelbe Säcke pro Haushalt ausgegeben. Das ist ein überproportionaler Bedarf im HSK. Es gibt auch viel Missbrauch.
Der gelbe Sack zur Entsorgung von Plastikabfall erhitzt die Gemüter in der Stadt Arnsberg. Viele Bürger beschweren sich, bei der Verteilung der Gelbe-Sack-Rollen im Frühjahr keine bekommen zu haben oder bei der Nachbeschaffung in Ausgabestellen des Einzelhandels leer ausgegangen zu sein. Manche Zeitgenossen sind auch wütend, wenn der sehr dünne Sack schon beim Befüllen reißt, draußen von hackenden Krähen zerkleinert wird oder gänzlich bei Sturm über die Straße weht.
Genau 1.877.850 gelbe Säcke wurden 2018 verteilt
Unterm Strich hat die Ausgabe von gelben Säcken in der Stadt Arnsberg unter Umweltaspekten ein fragwürdiges Rekordniveau erreicht: „Im Jahr 2018 wurden in der Stadt Arnsberg insgesamt mehr als 1,8 Millionen gelbe Säcke, genau 1.877.850 Stück, verteilt. Das ist deutlich mehr als in anderen Kommunen des Hochsauerlandkreises“, teilte auf Anfrage unserer Zeitung Michael Schneider, Pressesprecher der Firma Remondis mit. Remondis ist in Arnsberg der Gelbe-Sack-Abfuhrbetrieb, der auch für die Verteilung der Rollen mit gelben Säcken zuständig ist. Dass eine enorme Menge an Kunststoff, den ja 1,8 Millionen gelbe Säcke darstellen, den Berg an Plastik, der sich in den Säcken befindet, noch steigert, empfinden viele umweltbewusste Bürger als absurd.
Auch Nicole Mommertz-Ehlert vom Neheimer Reformhaus Mommertz empfindet dies als paradox, aber da bei einer Online-Abstimmung Arnsberger Bürger im Jahr 2008 die Mehrheit für gelben Sack und gegen gelbe Tonne stimmte und sich die Kommunalpolitik diesem Votum anschloss, muss auch Nicole Mommertz-Ehlert mit diesem Beschluss leben. Ihr Geschäft in der Neheimer Fußgängerzone gehört zu den Verteilstationen, wenn Bürger zusätzlich gelbe Säcke benötigen. „Stress oder Ärger mit Kunden habe ich deshalb nicht“, sagt die Geschäftsfrau, die regelmäßig (alle drei Wochen) von Remondis Rollen-Nachschub bekommt. Gesamtstädtisch gesehen ist der gelieferte Nachschub aber gewaltig.
Als jährliche Grundverteilung: 26 Säcke pro Haushalt
In der jährlichen Grundverteilung pro Haushalt geht Remondis von 26 Säcken pro Jahr pro Haushalt bei 14-tägiger Abfuhr aus, das heißt: Ein Sack für 14 Tage pro Haushalt. Deshalb hat die im Frühjahr gelieferte Rolle genau 26 Säcke. Dies sei ein bundesdurchschnittlicher Wert, so Remondis. Bei der Nachbeschaffung seitens der Verbraucher explodieren dann aber die Zahlen. Neben der Grundverteilung mit einer Million Säcke kommen 2018 noch rund 880.000 Säcke in der Nachverteilung hinzu. Statt 26 Säcke pro Haushalt ergeben sich fast 26 Säcke pro Einwohner (bei rund 75.000 Einwohnern in Arnsberg). Einen wesentlichen Grund für diesen enormen Verbrauch sieht Remondis in Fehlnutzungen des gelben Sacks. Verbraucher würden den Sack für anderen Müll oder sonstige Zwecke gebrauchen.
Diskussion um gelbe Tonne
Wäre die gelbe Tonne besser als der gelbe Sack? „Das müssten wir sicherlich noch mal prüfen“, meint Matthias Giese, SPD-Ratsherr und Vorsitzender des städtischen Betriebsausschusses, Giese machte eine Rechnung auf: „Bei 26.000 Haushalten in Arnsberg ergeben sich 72 gelbe Säcke pro Haushalt - also fast dreimal so viel wie es die Grundverteilung vorsieht.“ Diese riesige Kunststoffmenge aus gelben Säcken passe in keine Öko-Bilanz.
Die Kommunalpolitiker hatten sich 2009 gegen die gelbe Tonne entschieden, weil vielen Haushalten der Stellplatz für eine gelbe Tonne fehlt, da bereits Stellfläche für graue, blaue und grüne Tonne vorzuhalten ist. Auch hat es bei der gelben Tonne die größere Gefahr der Fehlbefüllung gegeben, weil in einer Tonne unter oben sichtbarem Kunststoff leichter Fremdmaterial gemischt werden kann. Gelbe Säcke können besser auf Fehlbefüllung kontrolliert werden.
>> Kommentar von Martin Schwarz
Der gelbe Sack wirkt paradox
Wer Plastik-Müll sortiert, um Recycling zu ermöglichen, handelt umweltfreundlich. Ökologisch noch besser wäre es natürlich, den Kunststoff-Abfall von vornherein im Haushalt zu reduzieren. Der gelbe Sack treibt in der Stadt Arnsberg nun schon seltsame Blüten, weil er mittlerweile selbst zum Umweltproblem geworden ist. Denn mit 1,8 Millionen gelben Säcken, die in der Stadt Arnsberg im Vorjahr verteilt wurden, wird ein trauriger Rekordwert im Vergleich zu anderen HSK-Kommunen erreicht. Denn die gelben Säcke als solche gelangen ja auch in den Plastikmüll und stellen eine enorme Menge dar. Wenn man alle 1.877.850 gelben Säcke, die im Vorjahr auf 26er- und 13er-Rollen verteilt wurden, Rolle für Rolle längsseitig eng aneinander legen würde, könnte man eine fünf Kilometer lange Strecke von der Neheimer Johanneskirche bis zur Freilichtbühne Herdringen zurücklegen. Unter Müllvermeidungsaspekten ist eine solche Menge reinster Wahnsinn.
Die Alternative „Gelbe Tonne“ ist aber bei Bürgern, die in Mehrfamilienhäusern wohnen, unbeliebt, weil die Stellfläche angesichts schon vorhandener grauer, blauer und grüner Tonne fehlen könnte. Den konfliktfreien Königsweg bei der Entsorgung von Kunststoff-Müll gibt es also nicht. Nun einfach die Achseln zucken und weitermachen wie bisher, ist aber auch keine Lösung. Wenn man sieht, dass Arnsberg - auch wegen missbräuchlicher Nutzung der gelben Säcke - zu einem Fass ohne Boden bei der Verteilung von gelben Säcken werden könnte, gibt es kommunalpolitischen Handlungsbedarf.
So ist es zu begrüßen, dass der zuständige Betriebsausschussvorsitzende Matthias Giese zumindest eine nochmalige Prüfung der Alternativen „Gelber Sack oder gelbe Tonne“ in Aussicht stellt. Sollte es tatsächlichen einen politischen Sinneswandel geben, wären allerdings Vertragsfristen zwischen der Firma „Belland Vision“ (Duales System) und Remondis zu berücksichtigen. Das bräuchte dann auch Vorlaufzeiten zwecks möglicher neuer Planungen (siehe auch Artikel auf der 6. Lokalseite).