Arnsberg/Sundern. . Windenergie weiter auf Sparflamme: Die langwierige Verfahrensdauer von bis zu sechs Jahren führt Pinkwarts Verdoppelungs-Prognose ad absurdum.

Müssen sich die Arnsberger und Sunderner darauf einstellen, dass die Landschaft des Hochsauerlandes nun doch nach und nach „verspargelt“ wird?

Wohl eher nicht! Jedenfalls wird die von NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) vor etwa 14 Tagen getätigte Aussage, die Kapazität der Windkraftanlagen (WKA) in Nordrhein-Westfalen werde sich in den nächsten fünf Jahren verdoppeln“, von heimischen Fachleuten und Entscheidungsträgern kritisch und als ­wenig hilfreich beurteilt.

Vergiftete Vorschläge

Gar von „vergifteten Vorschlägen“ des Ministers spricht Matthias Kynast. Nicht nur, dass Pinkwart seine Prognose prompt relativiert habe („ein theoretisches Potenzial zur Verdoppelung der Kapazitäten in den kommenden Jahren“ habe er gemeint, schob Pinkwart nach), ärgert den heimischen Wind­energie-Projektierer. Es sei angesichts hoher bürokratischer Hürden, z. B. der langwierigen Verfahrensdauer von vier bis sechs Jahren, völlig absurd, solche Aussagen zu machen: „So große Klappe – und so wenig abliefern“, meint Kynast mit Blick auf die Haltung der CDU/FDP-Landesregierung zur Windenergie.

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Tatsächlich wurden seit der schwarz-gelben Amtsübernahme im Jahr 2017 zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, welche die Nutzung der Windenergie in NRW ausbremsen. „2018 wurden gerade einmal 100 neue Windenergie-Anlagen in ganz NRW gebaut, dieses Jahr werden es wahrscheinlich nicht einmal 50“, rechnet der Erwitter vor. Kynast hat die Windenergie in Arnsberg quasi im ­Alleingang eingeführt, unter seiner Regie sind die drei Anlagen im Windpark Kirchlinde und die ­„HeVoRa I“ bei Müschede entstanden... Doch inzwischen herrscht Stillstand, denn die Hürden für „kleine Investoren“ werden immer höher (wir berichteten). Es gebe keinen Wettbewerb, mit Fachleuten an der Basis spreche die Politik nicht, und vor allem fehle ein klares Konzept, bemängelt Kynast den Umgang von Bund und Land mit regenerativen Energien. Und mit seinen Aussagen hinterlasse Pinkwart „verbrannte Erde“, habe niemandem einen Gefallen getan. Auch den Entscheidungsträgern nicht? Wir haben nachgefragt:

Gute, verlässliche Planung wichtig

„Unsere Grundhaltung zur Windenergie beeinflusst das Statement aus Düsseldorf nicht“, macht Ralph Brodel deutlich, „es bestätigt aber, wie wichtig es ist, eine gute und verlässliche Planung zu haben.“ Sunderns Vorrangzonen seien sowohl ein verlässlicher Garant für eine sinnvolle Konzentration möglicher Windenergieanlagen als auch, gleichzeitig, unerlässliche Steuerung dafür, dass in Sundern eine willkürliche Verspargelung der Landschaft nicht zugelassen wird, so der Bürgermeister der Röhrstadt weiter. „Dass wir hierbei in eine gerichtliche Auseinandersetzung gezwungen werden, ist nicht nur unerfreulich, sondern verhindert auch das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Städte“, stellt Ralph Brodel fest.

Stromproduktion relativ gering

Konkret gebe es derzeit im Bereich der Stadt Arnsberg zwar keine Bürgerinitiative, die sich gegen die Errichtung von WKA wehrt, heißt es aus dem Arnsberger Rathaus, die Stromproduktion von Windkraftanlagen im Stadtgebiet sei im Vergleich zum gesamten Stromverbrauch aber ohnehin ­relativ gering und spiele daher nur eine untergeordnete Rolle. (mehr dazu im Infokasten oben).

138 WKA im Hochsauerland in Betrieb

Windenergieanlagen scheiden die Geister – vor allem, wenn es um ihre Errichtung auf Höhenlagen geht, mit denen das Sauerland mehr als reichlich gesegnet ist. Trotzdem gibt es im Hochsauerlandkreis bereits mehr Windkraftanlagen (WKA), als manch ein Bürger denken mag. Insgesamt 138 „Windräder“ sind im Kreisgebiet bereits in Betrieb.

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Aktuell liegen der Kreisverwaltung außerdem 66 Anträge auf Genehmigung von WKA vor. Bereits genehmigt, aber noch nicht errichtet/in Betrieb genommen sind weitere 28 Windkraftanlagen. „Mit derzeit 22 Klageverfahren bezüglich genehmigter, aber auch abgelehnter WKA müssen wir uns ebenfalls beschäftigen“, erklärt HSK-Pressesprecher Martin Reuther auf Anfrage.

Zwei WKA in Sundern

In Sundern ist die Lage überschaubarer: In Sundern sind momentan zwei Anlagen (Hövel 2MW, Lenscheid 0,5 MW) in Betrieb. Beantragt sind: Hellefelder Höhe: vier Anlagen (E-115, jeweils 2,5 MW) – Stand: Projektentwickler will gegen HSK klagen; Allendorf-West: fünf Anlagen (V126, jeweils 3,3 MW) – Stand: Stadt Sundern hat Berufungsantrag beim OVG Münster mit Ziel der Versagung der Genehmigung gestellt; Südliche Waldflächen Süd (Wildewiese): zwei private Anlagen stehen kurz vor der Beantragung beim HSK, der Anlagentyp ist noch nicht abschließend bekannt.

Drei Fragen an Landrat Dr. Karl Schneider

Landrat Dr. Karl Schneider, hier  mit Kreis-Pressesprecher Martin Reuther
Landrat Dr. Karl Schneider, hier mit Kreis-Pressesprecher Martin Reuther © Torsten Koch

1 Was meinen Sie zu der Aus­sage von Andreas Pinkwart?

Der Minister ist ja von sich aus bereits ein Stück zurück gerudert. Mit Blick auf den Ausbau der Kapazitäten sollte der Grundsatz „alles mit Maß und Mitte“ gelten.

2 Wird es in den kommenden Jahren „spürbar“ mehr Windenergieanlagen im HSK geben?

Dazu möchte ich keine Prognose abgeben. Wir rechnen aber mit einer Vielzahl weiterer Anträge, die wir als Kreisverwaltung ‘staub­trocken’ abarbeiten werden, wobei Rechtssicherheit oberste Priorität hat. Die prägenden Höhenzüge des Hochsauerlandes möchte ich aber frei halten, soweit es mit geltendem Recht vereinbar ist.

3 Mehr Anlagen sind nur ein ­Aspekt, aber wohin fließt eigentlich der produzierte Strom?

Um Ökostrom wird eine Phantom-Diskussion geführt. Verbraucher erhalten Strom geliefert, den die lokalen Einspeiser vorhalten.