Winterberg. . Am letzten Januar-Wochenende findet in Winterberg die Rodel-WM statt. Wir erinnern aus dem Anlass an die Zeit, als auf Natureis gefahren wurde.

Schon in der ersten Kurve drohte der Sturz. Heinz-Ottmar Diemel steht im Bobhaus auf der Winterberger Kappe, rund hundert Meter über der Stadt, und zeichnet mit dem Finger den Verlauf der alten Natureisbahn in die Luft.

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Die Serie „Unsere Jahrzehnte“ blickt bis Mitte Februar jeden Donnerstag und Montag auf die 50er bis 80er-Jahre im Hochsauerlandkreis.

Insgesamt 14 Geschichten aus der Region beleuchten die Zeit zwischen der Gründung der Bundesrepublik 1949 und der Wende 1989.

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„Durch das Gefälle war die erste Startkurve für den Bob enorm – da musste man aufpassen, um den Weg in die lange Gerade zu treffen“, fährt der 74-Jährige in Gedanken die Strecke nach. 1965 wurde er auf der Natureisbahn Deutscher Meister im Zweier-Bob, gemeinsam mit Hubert Honekamp.

Es war eines der letzten Rennen, dass Bobfahrer in Winterberg auf Natureis fahren sollten.

Letzter Wettkampf auf Natureis

Seit 1910 bauten Rodel-Freunde immer wieder im Winter eine Abfahrt in den Hang. Aber auch große Siege von Lokalmatadoren und tausende Zuschauer bei den Rennen täuschten nicht darüber hinweg, dass Ende der 1960er die Ära der Bahnen aus Natureis zu Ende ging.

Häufig brachte Tauwetter die Wände aus Eis zum Schmelzen, die zuvor in mühsamer Handabeit mehrere Wochen zu einer Bobstrecke geformt wurden. „Manchmal haben wir die Eiswände noch mit Kohlensäure bespritzt, um das Schmelzen zu verzögern“, erinnert sich Diemel. Aber nach seinem Rennen um die Deutsche Meisterschaft 1965 sollte es auf der Natureisbahn keine größeren Wettbewerbe mehr geben.

Bei diesem letzten Wettkampf stand unter den Zuschauern ein begeisterter Schüler aus Winterberg namens Alois Schnorbus. „Für das Rennen um die Meisterschaft hatten alle Schüler der Stadt damals schulfrei und gingen zur Bobbahn“, erinnert sich Schnorbus zurück.

An diesem Tag ahnte dieser damals 13-jährige Junge noch nicht, dass er zwölf Jahre später wenige hundert Meter entfernt eine neue Kunsteisbahn einweihen sollte.

Neuer Anlauf auf Kunsteis

Es war das Jahr 1977 und Alois Schnorbus hatte gerade die Junioren-Europameisterschaft im Vierer-Bob geworden und galt als aufstrebendes Talent unter den Bobpiloten aus Winterberg. So kam es, dass der heimische Bobclub entschied, dass er am 10. Dezember 1977 die neue Kunsteisbahn auf der Winterberger Kappe eröffnen durfte – mit dem internationalen Eröffnungsrennen im Zweierbob.

Alois Schnorbus (links) wird 1982 Deutscher Meister im Viererbob. Mit ihm im Team Lothar Pongratz, Uwe Eisenreich und Hans Metzler (von links)
Alois Schnorbus (links) wird 1982 Deutscher Meister im Viererbob. Mit ihm im Team Lothar Pongratz, Uwe Eisenreich und Hans Metzler (von links) © Privat

„Sowas behält man im Kopf“, sagt Schnorbus. Er schaffte im Rennen zwar letztlich nur den zweiten Platz, „aber das war an so einem Tag auch in Ordnung.“

Die Bobbahn in Winterberg war eine der modernsten ihrer Art weltweit – und ihr Bau ein Kraftakt für Winterberg. So durften die Kosten nicht höher sein als zehn Millionen Mark. „Das war Auflage des Bundes, um Zuschüsse zu bekommen“, sagt Schnorbus, der seit 1971 im Winterberger Bobclub aktiv ist.

Der Bobclub Winterberg etwa übernahm den Bau des Zielhaus. „Unter anderem mussten wir unser Clubhaus verkaufen, sonst hätte der Verein die Kosten nicht stemmen können.“

Der Spatenstich für die neue Bobbahn in Winterberg am 30. September 1976.
Der Spatenstich für die neue Bobbahn in Winterberg am 30. September 1976.

Kleine Randnotiz: Kurz nach der Eröffnung der Bobbahn 1977 mussten bereits weitere drei Millionen Mark investiert werden, um Mängel zu beseitigen und Fehler auszubessern.

Unterm Strich viel Mühe, die sich für den Wintersport der Region aber ausgezahlt hat, findet Schnorbus. “Die Bobbahn ist Grundlage all dessen, was sich heute hier im Bob und Schlittensport abspielt – vom Fremdenverkehr ganz abgesehen.“

Aufschwung für die Kappe

Szenenwechsel: Zurück bei Heinz-Ottmar Diemel. Fünf Jahre nach dem letzten Rennen auf Natureis übernahmen er und seine Frau Christa als Pächter die Gastronomie im Bobhaus Winterberg.

Anfangs ein schwieriges Geschäft – besonders, wenn der Schnee zum Skifahren fehlte. „Wir hätten kostenlos Getränke rausgeben können, die Leute wären nicht gekommen“, so Diemel. Dies änderte sich, als unweit des Hauses die neue Bobbahn eröffnete.

Zu nationalen und internationalen Wettbewerben lieferte das Fernsehen nun Bilder aus Winterberg und warb dadurch auch für die Winterberger Kappe und das Bobhaus. In der Folge kamen auch viele bekannte Gesichter auf den Berg.

Prominente Gäste

Christa Diemel holt ein ledriges Gästealbum und blättert durch die Seiten: Zu sehen sind gekritzelte Unterschriften etwa von Prinz Albert von Monaco, dem Politiker Norbert Blüm und Moderator Günther Jauch.

Auch eine Delegation des Saudischen Königshauses sei einmal auf Durchreise in der Region gewesen und habe Halt im Bobhaus gemacht. „Am Ende hat die Gruppe einen Schneeball gerollt und im Auto mitgenommen“, sagt die 79-Jährige. „Als Andenken. So wie wir dort Sand aus den Wüsten mitnehmen.“

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