Arnsberg. . Hüstener Margit Hieronymus (SPD) fordert Männer auf, in Politik Platz für Frauen zu machen. Politische Gleichberechtigung sieht sie nicht.

Ein denkwürdiger Tag. Genau heute vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland erstmals wählen. Seit der Jahrhundertwende hatten Frauen in ganz Europa dafür gekämpft. Die Sozialdemokratin Marie Juchazc war einen Monat später, am 19. Februar 1919, die erste Rednerin der deutschen Nationalversammlung in Weimar. Heute sprechen wir ihrer Parteigenossin und Ratsmitglied Margit Hieronymus aus Hüsten über das Frauenwahlrecht.

Nur neun von 48 Ratsmitgliedern in Arnsberg sind Frauen

Rechtsanwältin Margit Hieronymus (57) aus Hüsten ist Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Hüsten, stellvertretende Bezirksvorsitzende und Arnsberger Ratsfrau. In 2017 war sie SPD-Landtagskandidatin .

Am Sonntag ab 11 Uhr in der Kulturschmiede Arnsberg sitzt Margit Hieronymus mit dem Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese, der ehemaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, Susanne Wilmes (Frauenberatungsstelle Meschede) und Europaabgeordneter Birgit Sippel auf dem Podium und diskutiert zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“.

Neun von 48 Arnsberger Ratsmitglieder sind Frauen. Grüne (2 Frauen/4 Ratsmandate), CDU (4/22), SPD (2/13) und FDP (1/4) haben Frauen in ihren Fraktionen.

Was bedeutet Ihnen der Jahrestag?

Margit Hieronymus: Ich bin heilfroh, dass vor 100 Jahren der von Männern organisierte Ausschluss von Frauen vom politischen Wahlsystem beendet worden ist. Ich gehe davon aus, dass auch Männer diesem Tag eine große Bedeutung beimessen.

Haben Sie je eine Wahl verpasst, seitdem Sie wählen dürfen?

Nein, ich habe noch keine Wahl verpasst. Ich habe ja sogar von meinem passiven Wahlrecht Gebrauch gemacht und bin SPD-Fraktionsmitglied im Rat der Stadt Arnsberg.

Sehen Sie Frauen heute in der Praxis als politisch „gleichberechtigt“ an?

Ja und Nein. Frauen untereinander ja; aber Frauen und Männer sind noch lange nicht politisch gleichberechtigt. Da Männer in den politischen Gremien in der überwältigenden Mehrheit sind, setzen sich auch deren Interessen durch. Politische Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern verlangt einen Geschlechterproporz, den wir lange noch nicht haben.

Warum sind vor allem in Kommunalparlamenten die Frauen in deutlicher Minderheit?

Auf kommunaler Ebene erlebe ich sehr viele engagierte Frauen – vor allem in sozial ausgerichteten Organisationen. In den politischen Gremien hingegen sind Männer und ihre Interessen überrepräsentiert. Dadurch haben Männer die deutliche Entscheidungsmehrheit und -hoheit sowohl über Themen als auch deren Inhalte – und die Art des Umgangs damit.

Definieren Sie als Politikerin in Wahlkämpfen noch spezielle Frauenthemen, um zu punkten?

Zunächst müssten Sie mir sagen, was Sie mit „speziellen Frauenthemen“ meinen. Meiner Meinung nach gehören zu allen Themen Frauen und Männer; bisweilen in unterschiedlichen Positionen, auch Täter- und Opferpositionen. Hierzu fällt mir vieles ein – von Gewalt auf der Straße über ungleiche Verteilung der Finanzen in der Ehe bis hin zu kommunalen Haushaltsdebatten und Entscheidungen darüber, wie und wohin Geld verteilt und eingesetzt wird. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.

Was müsste passieren, um an der Basis mehr Frauen für parteipolitisches Engagement zu gewinnen?

Ganz einfach, die Männer müssten Platz machen, nicht weg sein, einfach nur Platz machen.

Nennen Sie mir drei Gründe, warum Frauen sich politisch - als Wählerinnen oder in der Politik - Gehör verschaffen müssen?

Erstens: Männer richten zu viele Schäden an. Zweitens sind Frauen in der Lage, nicht nur sich selbst und ihren eigenen Vorteil im Blick zu haben. Frauen und Männer können „Freud und Leid“ tatsächlich nur dann ehrlich teilen, wenn sie gleichberechtigt denken, leben und handeln. Und drittens bin ich davon überzeugt, dass Männer lernfähig sind und gelebte tatsächliche Gleichberechtigung schätzen lernen. Sie werden erkennen, welch hohen Preis sie selbst wegen der fehlenden Geschlechtergerechtigkeit zahlen und gezahlt haben.