Hüsten. . Neues Heimatbundheft befasst sich mit Schattenseite des Wirtschaftswunders in den 50er Jahren. Wegen Wohnungsnot lebten Menschen auch in Baracken
An Schattenseiten der deutschen Wirtschaftswunderzeit erinnert der Heimatforscher Reiner Ahlborn im neuen Heimatbundheft, das sich mit dem Lager am Holzener Weg in Hüsten befasst. Ahlborn hat in sechsmonatigen Arbeit viele Dokumente und Fotos zur Geschichte des Lagers zusammengetragen. Im Heft stellt er die viele Jahre nach dem Krieg noch herrschende Wohnungsnot dar, wobei die Obdachlosen die Hauptverlierer waren: Sie mussten in baufälligen Baracken leben, die im Krieg noch als Zwangsarbeiterlager dienten.
Wohnraum für Flüchtlinge und Obdachlose
Zwischen 1950 und 1957 lebten 150 bis 250 Flüchtlinge, Vertriebene, Spätheimkehrer und auch Obdachlose in den Holzbaracken. Denn auf einem völlig unterversorgten Wohnungsmarkt war es der damaligen Stadt Neheim-Hüsten kaum möglich, Menschen, die kein oder kaum eigenes Einkommen hatten und/oder sozial auffällig waren, eine bessere Wohnung zu vermitteln. So wurde die letzte Baracke erst im Juni 1970 abgerissen.
Im monothematischen Heimatbund-Heft „Das Lager am Holzener Weg (1944 - 1970)“ hat Autor Reiner Ahlborn auch den vor 60 Jahren deutlich raueren Umgang der Stadtverwaltung mit sozial schwachen Familien dokumentiert. Der Autor hatte sich die Frage gestellt: Wie kam es, dass Baracken eines ursprünglichen Zwangsarbeiterlager noch bis 1970 in Hüsten bestehen konnten?
Rauer städtischer Umgang mit schwierigen Familien
Ahlborn liefert eine Erklärung: So genannte „schwierige Familien“ mit geringem bis keinem Einkommen, Familien, in denen der Vater krank und arbeitunfähig oder wegen fehlender Berufsausbildung schwer in den Arbeitsmarkt zu vermitteln war, waren laut Verwaltungsbericht der Stadt Neheim-Hüsten aus dem Jahr 1958 „weder in Altwohnungen noch in öffentlich geförderten Wohnungen unterzubringen. Man kann solche Familien nicht in einem Wohnblock des sozialen Wohnungsbaus unterbringen, da sie weder die Miete zu zahlen bereit noch in der Lage hierzu sind, noch sich aufgrund ihres bisherigen Veraltens in die gesellschaftliche Ordnung einzufügen gewillt sind.“
So erklärt sich, dass manche als schwierig klassifzierte Familie viele Jahre in einer der Holzbaracken am Holzener Weg wohnte oder in eine der zwischenzeitlich errichteten Schlichtwohnungen im Neheimer Ohl umzog. All dies passierte vor dem Hintergrund der in den 1950er und auch noch in den 1960er Jahren anhaltenden Wohnungsnot. So waren in Neheim-Hüsten Ende 1959 noch 1108 Familien mit 3048 Personen als wohnungssuchend gemeldet. Dies bedeutet nicht, dass diese Personen ohne Wohnung waren, sondern in der Regel eine größere und bessere Wohnung suchten. „Vielen ist dies auch gelungen“, betont Ahlborn. „Viele Bewohner haben das Lager schnell wieder verlassen, in der neuen Heimat Fuß gefasst und sich eine erfolgreiche soziale und berufliche Karriere aufgebaut.“
Das neue, 100-seitige Heft des Heimatbundes Neheim-Hüsten ist jetzt erschienen und für 6 Euro in der Mayerschen Buchhandlung in Neheim sowie in der Buchhandlung Engelbertz in Hüsten erhältlich. Montags von 13 bis 18 Uhr ist das neue Heimatbund-Heft auch im Neheimer Freskenhof (Burgstraße) erhältlich.