Arnsberg. . Wedinghausen kann für die weitere kulturelle und geistige Entwicklung eine wichtige Rolle spielen. Ein Interview mit Bürgermeister Bittner.
Kloster Wedinghausen gerät durch die hochkarätigen, nicht nur die Wissenschaft verzückenden Funde mehr und mehr in den Fokus. Über die Bedeutung dieser Entwicklung für die Stadt Arnsberg ein Gespräch mit Bürgermeister Ralf Paul Bittner.
Das Mittelalter holt uns ein: Wie ordnen Sie die Bedeutung der Funde für die Stadt Arnsberg ein?
Ralf Paul Bittner: Unsere Lebenswelt beinhaltet mehr Mittelalter als wir denken, wir sind uns dessen nur nicht ständig bewusst. In vielen Ortsteilen sind die Spuren des Mittelalters im Stadtraum gut erkennbar.
Aber vor allem: Grundzüge unserer Kultur und Gesellschaft fußen im Mittelalter. Wir haben christliche Wurzeln. Aber all das ist in unserem alltäglichen Leben wenig präsent – durch die erstaunlichen, ja bundes- und teils europaweit sensationellen Funde in Wedinghausen wird das Mittelalter für uns viel fassbarer, viel erlebbarer.
Und nicht zuletzt: Die Funde zeigen, dass das Mittelalter keineswegs düster war, es war auch voller Energie, Innovationsfreude und farbenfroher Bilder.
Diese Funde selbst sind sensationell und von herausragender Bedeutung weit über die Grenzen der Stadt Arnsberg hinaus. Die Funde haben somit regionale, bundesweite und sogar europaweite Bedeutung und können als Alleinstellungsmerkmal für die Stadt Arnsberg bezeichnet werden.
Besteht angesichts dieser auch von den LWL-Archäologen als sensationell eingestuften Entdeckungen nicht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand, weitere Arbeiten und die dauerhafte Sichtbarmachung finanziell zu unterstützen?
Arnsberg ist nach wie vor eine Kommune unter Haushaltssicherung und darf somit keine neuen zusätzlichen freiwilligen Leistungen erbringen. Aber – und das geschieht bereits – wir können unterstützen bei der Vorbereitung von Anträgen, bei der Mobilisierung von Menschen für diese Projekte.
Nach meinen letzten Gesprächen mit der Volksbank Sauerland zeichnet sich ein Erfolg beim Crowdfunding-Projekt ab. Das ist toll, denn wir brauchen eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung.
Wir werben dafür gemeinsam unter anderem an der Seite von Frau Dr. Heine-Hippler und unseres Regierungspräsidenten. Und wir prüfen darüber hinaus, was im Rahmen unserer Möglichkeiten machbar ist. Wir sind uns der Einzigartigkeit und der Chancen für unsere Stadt bewusst.
Aktuell erarbeiten wir mit Unterstützung des Büros ASS das Integrierte Handlungskonzept für die Altstadt Arnsberg. Bestandteil ist die Erarbeitung eines Maßnahmenbündels mit Zeit- und Finanzierungskonzept, das zur Erreichung der Ziele der Stadt dienlich ist.
Das Maßnahmenbündel wird von unterschiedlichen Akteuren, auch von Privaten, realisiert. Das Konzept bildet somit die Grundlage für die Akquirierung von Fördermitteln.
Betrachtet man die Bedeutung des ehemaligen Klosters, der Funde mit Alleinstellungsmerkmal und den hohen Wert als Kulturgut: Muss man dort jetzt nicht ein öffentlich zugängliches Museum einrichten?
Viele Menschen wünschen sich ein Fenster in die Vergangenheit und in die Lebenswelt des Mittelalters. Hier wird man auf neue digitale Medien und Möglichkeiten zurückgreifen müssen, schon um die sensationellen Funde auch für künftige Generationen zu bewahren.
Schön wäre eine Mischung, die uns allen die Aura des Originals spüren lässt und zugleich das Original schützt und – ganz wichtig – erläutert. Denkbar ist ein digitales Museum, das die Funde für die Nachwelt erlebbar macht.
Der Ort könnte so virtuell im Internet besucht oder vor Ort mit Smartphone oder Tablet über Nahfeldkommunikationspunkte und eine App erkundet werden.
In welcher Form kann sich die Stadt in den weiteren Prozess Wedinghausen einbringen?
Bereits jetzt begleiten Stadt und städtische MitarbeiterInnen die Maßnahmen, soweit das möglich ist. Das Thema ist aufgrund seiner Bedeutung zur Koordination der beteiligten Fachdienste direkt im Bürgermeisteramt verortet.
Wir können unterstützen vor allem bei Vernetzung, Sponsorensuche und langfristiger Nutzung und Vermarktung. Das Kloster und seine Funde können beispielsweise in der städtischen Kulturarbeit berücksichtigt werden - damit kann eine nachhaltige Entwicklung auch über die Zeit der Grabungen hinaus unterstützt werden.
Ganz wichtig aber ist mir als Bürgermeister: Stadt ist nicht nur Stadtverwaltung. Unsere Stadt wäre ohne die künstlerischen und kulturellen Aktionen von Schulen, Vereinen und Initiativen viel ärmer. Ich hoffe sehr, dass auch diese sich im Bereich Kloster Wedinghausen weiter einbringen – und zum Teil geschieht dies ja auch bereits.
Ist Ihrer Meinung nach Wedinghausen noch immer ein für viele Arnsberger „vergessener Ort“?
Ich hoffe, nicht für „viele“ – aber tatsächlich ist Erinnerungsarbeit ein dauernder Prozess. Wir haben mit dem Lichthaus, dem neugestalteten Klosterhof und dem Archiv wichtige Akzente gesetzt, um das Kloster mehr und mehr aus der Vergessenheit zu reißen.
Aber diese gebauten Dinge müssen mit Leben gefüllt werden: Ausstellungen, Aktionen im Kunstsommer, kulturelle Aktionen von Vereinen und Initiativen spielen da eine zentrale Rolle. Auch in Zukunft.
Aus meiner Sicht ist Wedinghausen immer weniger ein „vergessener Ort“, sondern mehr und mehr ein „Ort mit lebendiger Erinnerung“.
In der Achse Wedinghausen – neues Sauerland-Museum – Schlossberg steckt ein enormes Potenzial. Sind wir nun mit dem Integrierten Handlungskonzept Altstadt (InHK) auf dem richtigen Weg?
Die Achse zeigt das Spannungsfeld zwischen den beiden Polen der Altstadt, dem Schlossberg als weltliches Machtzentrum und dem Kloster als geistig-geistlicher Geburtsort der Stadt, auf.
Allein auf der Strecke zwischen diesen Orten - das InHK umfasst ja viel mehr - reihen sich weitere Orte und Plätze von hoher kultureller und auch baukultureller Bedeutung ein.
Mit diesem und mit dem neuen Sauerland-Museum und dem im Herbst mit einem neuen Lichtkonzept aufgewerteten Glockenturm zeigen sich Synergien auf.
Es gilt nun, die aktuellen und erkennbaren Chancen und Möglichkeiten der Altstadt auf der Ziel-, Handlungs- und Maßnahmenebene zusammenzuführen und aufeinander abzustimmen.
Die integrierte Betrachtung stellt sicher, dass wir auch weiterhin eine klare Richtung für die Stadt- und Standortentwicklung sehen und uns - das gilt für öffentliche und private Investitionen und Maßnahmen - nicht verzetteln.
Was würden Sie persönlich für das Kloster wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass es eine Stätte ist, die zum einen die nicht zu ahnende bedeutsame kulturelle und gesellschaftliche Vergangenheit Arnsbergs aufzeigt und zum anderen genau auf dieser Basis ein Signal für unsere Zukunft darstellt:
Ein Signal der wichtigen europäischen Vernetzung und eines gemeinsamen Schaffens einer bedeutsamen kirchlichen, städtischen, aber auch insbesondere durch die Bevölkerung getragenen Begegnungsstätte