Hagen/Arnsberg. . In der Heimat tobt der Krieg schlimmer denn je. Zeit zu fragen, wie es den Syrern in Südwestfalen ergeht – und was zur Integration fehlt.

Die Luftschläge des Westens gegen das Assad-Regime in Syrien sind eine gute Woche vorbei. Die Lage ist international nicht eskaliert – und die Aufregung der Öffentlichkeit damit erst einmal wieder vorbei. Für die Syrer allerdings ist die Situation sieben Jahre nach Beginn des Krieges keineswegs besser geworden. Der Frieden ist weiter fern – und damit auch die Rückkehr für diejenigen, die nach Deutschland und Südwestfalen geflohen sind.

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„Mein Vater. Ich hoffe sie wiederzusehen.“ Mit dieser Zeile hat Moneer Al-Shikh im Februar auf Facebook ein Foto seines Papas gepostet. Erneut. Das gleiche Bild hatte er bereits zwei Jahre zuvor mit der gleichen Zeile veröffentlicht. Seine Hoffnung hat sich in dieser Zeit nicht erfüllt. „Ich kann nicht nach Syrien“, sagt er.

Rückweg versperrt

Er würde es gern, möchte seinen Eltern und seiner Schwester, die in Damaskus leben in ihrem von Bomben beschädigten Haus, helfen. Aber er müsste dort, sofern sich die Lage im Land nicht ändert, um sein Leben oder seine Freiheit fürchten, lässt er durchblicken.

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Er ist in Damaskus geboren, aufgewachsen, hat dort studiert. Danach hat der Elektrotechniker im Norden des Landes gearbeitet, auf den Ölfeldern in Deir ez-Zor, einer Region, um die die syrische Armee und der IS lange hart kämpften. Was er dort erleben musste? „Diese Sache kann ich nicht erzählen.“

Wäre das nicht Grund, gar nicht zurück zu wollen in dieses Land? Er überlegt eine Weile und sagt dann: „Ich habe auch hier in Deutschland meine Schwierigkeiten.“ Ausgerechnet er, mit dem Deutschland für gelungene Inte­gration eine Werbekampagne starten könnte. Am 5. September 2015 ist er hierher gelangt, nach zwei Monaten auf der Flucht und eine knappe Woche nach Merkels „Wir schaffen das“. Seitdem lebt er in Arnsberg. Die Stadt und er haben sich gefunden: In Syrien als Student habe er zusammen mit seinen Kommilitonen die Straße an der Universität „geputzt“ und den Fluss erzählt Moneer Al-Shikh. „Man muss immer aktiv sein“, fügt er hinzu. In Deutschland ist er in die Stadt gekommen, in der das bürgerschaftliche Engagement besonders hoch gehalten wird.

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Hier hat er Ende 2015 gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Hans-Josef Vogel und anderen Flüchtlingen die Initiative „Neue Nachbarn Arnsberg“ gegründet: Flüchtlinge helfen einander, bei der Wohnungssuche, bei Behördengänge, bei Übersetzungen. 2016 sind die „neuen Nachbarn Arnsberg“ im bundesweiten Wettbewerb „Land der Ideen“ ausgezeichnet worden und von der Westfalen-Initiative in Münster im Wettbewerb „Westfalen bewegt“.

Das sei jetzt „eine veraltete Idee“. Die meisten Flüchtlinge hätten längst eine Wohnung, sie hätten – so wie er – die Sprache gelernt. „Wir sind keine neuen Nachbarn mehr, sondern alte“, fügt er erklärend hinzu. So alteingesessen, dass er nun Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr in Hüsten ist. Und Mitglied beim Deutschen Roten Kreuz. „Ich möchte die Zeit, die ich habe, nutzen und den Menschen hier, die uns so geholfen haben, zumindest ein bisschen etwas zurückgeben“, erklärt er.

Und doch antwortet er auf die Frage, ob er bleiben möchte nur: „Vielleicht.“ Und setzt hinzu: „Wenn ich einen Weg für mich gefunden habe: eine Arbeit.“ Derzeit macht er ein Praktikum bei einem Softwareentwickler. Ein anderer Betrieb hatte ihm einen Ausbildungsplatz angeboten. „Ich will gern etwas lernen“, betont der 33-Jährige. „Aber ich will einen Schritt voran machen“, fügt er hinzu. Fünf Jahre lang hat er in Syrien Elektrotechnik studiert, hat dort mehrere Jahre Berufserfahrung gesammelt.

Sieben Monate hat er in Deutschland allein gebraucht, bis sein Studienabschluss anerkannt wurde, angerechnet worden sind nur drei Jahre, ein Bachelor.

Das nächste Projekt

Er erzählt von Freunden, die in Syrien Maler waren, Mechatroniker, Friseur, aber hier keinen Job bekommen, ausgerechnet in einer Region, die immer wieder über Fachkräftemangel klagt. „Es fehlt in Deutschland ein bisschen die Kreativität“, staunt er über das Beharren auf Formalitäten, über die Bürokratie. Er meint die große Politik und betont noch einmal: „In Arnsberg hat man uns sehr geholfen.“

Er resigniert nicht. Er habe, fügt er hinzu, schon ein neues Projekt im Kopf. „Ich will in die Chance, die ich hier in Deutschland bekomme, investieren.“