Arnsberg. . Das Sauerland-Museum sucht das Original eines NS-Flugblattes, in dem Propst Joseph Bömer beschimpft wird.

Im April 1937 geht in Arnsberg der Kreisparteitag der NSDAP über die Bühne. Um zu demonstrieren, dass nach ihrer Auffassung die gesamte Stadt hinter der braunen Bewegung steht, tauscht die NSDAP-Ortsgruppe auf Geheiß von Landrat und Kreisleiter Teipel den Wetterhahn auf dem Glockenturm gegen das Hakenkreuz aus.

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Stadtkapelle St. Georg und Glockenturm grenzen direkt aneinander (siehe Grafik).

Für Propst Bömer war es jedoch „eine priesterliche Unmöglichkeit über dem Kreuz meines Heilands ein Symbol zu dulden, unter dem ... unsere heilige katholische Kirche schmählich verfolgt ist“, erklärte er seine Entscheidung, das Sanctissimum aus der Stadtkapelle zu entfernen und diese zu schließen, in einem Brief an den Erzbischof in Paderborn.

„Ich bin auch selbstverständlich bereit, für alle etwaigen Folgen gerade zu stehen,“ heißt es weiter.

Bömer blieb auch im Polizeiverhör bei seiner aufrechten Haltung.

Heinrich Teipel ließ unverzüglich ein Flugblatt mit der Überschrift „Ein Wort zur Aufklärung“ veröffentlichen, in dem er Bömer unter anderem als „maßlosen Hetzer“ beschimpfte.

Für den mutigen Kämpfer für Gerechtigkeit, Propst Joseph Bömer, ein Sakrileg: Er holt - gekleidet in ein liturgisches Gewand - das Allerheiligste aus der unmittelbar angrenzenden Stadtkapelle und lässt diese schließen.

Nazis reagieren schnell

Noch am selben Tag verteilen Teipels Helfershelfer ein Flugblatt, in dem Bömer als Hetzer gegen den NS-Staat diffamiert wird. Und genau dieses Flugblatt wird nun als Original für die Dauerausstellung des Sauerland-Museums gesucht.

Denn allein vier Räume der neuen Dauerausstellung im Landsberger Hof werden dem Thema Nationalsozialismus gewidmet - vom Aufstieg bis zum Untergang. Auch als wichtiger außerschulischer Lernort.

Emotionen zeigen den starken ethischen Kontrast

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Propst Joseph Bömer (1881 - 1942) war ein engagierter Seelsorger und seit 1930 auch Kreisvorsitzender der katholischen Zentrumspartei.

Er war ein vehementer Gegner der NS-Ideologie und nahm in seinen mutigen Predigten kein Blatt vor den Mund.

Doch heimische Nazis bespitzelten Bömer selbst in der eigenen Kirche, notierten eifrig mit und meldeten seine „Verstöße“.

Folge: Er wurde neun Monate in Werl inhaftiert, wegen schwerer Zuckerkrankheit dann aber entlassen.

Joseph Bömer verstarb 1942 im Altarraum - während eines Gottesdienstes.

„Und da bietet sich die Auseinandersetzung zwischen dem damaligen Kreisleiter Teipel und Propst Bömer geradezu an, weil es ein sehr emotionales Beispiel ist,“ sagt Museumsleiter Dr. Jürgen Schulte-Hobein.

Auch, weil sich in diesem Konflikt der starke ethische Kontrast zwischen dem Barbarentum der Nazis und der Menschlichkeit eines Propst Bömers wunderbar widerspiegelt. Hinzu kommt:

Personen polarisieren

„Diese öffentliche Auseinandersetzung wurde nicht anonym geführt, sondern ist mit Personen besetzt.“ Personen, die polarisieren:

Auf der einen Seite Heinrich Teipel als Prototyp des fanatischen „alte Kämpfers“, auf der anderen Joseph Bömer, der sich - wie unzählige katholische Geistliche - nicht vom NS-System korrumpieren lässt, sondern mutig dagegen aufbegehrt.

Nicht die Vernunft, sondern die Macht obsiegt

Ein endloser Zug von Bürgerm nimmt an der Beerdigung von Propst Joseph Bömer am 19. Februar 1942 teil. Sehr zum Missfallen der braunen Machthaber.
Ein endloser Zug von Bürgerm nimmt an der Beerdigung von Propst Joseph Bömer am 19. Februar 1942 teil. Sehr zum Missfallen der braunen Machthaber. © Archiv Wolfgang Becker

Damit kommt der Auseinandersetzung um das weithin sichtbare Hakenkreuz auf dem Arnsberger Wahrzeichen große Symbolkraft zu. Denn es geht um nichts anderes als um die Frage: Wer hat das Sagen in der Stadt?

Letztlich setzen sich Teipel und dessen brutale Kohorten durch. Nicht, weil die Vernunft obsiegt, sondern die Macht.

Erinnerung für nachfolgende Generationen bewahren

So wird das Hakenkreuz bis kurz vor Kriegsende auf dem Glockenturm den vermeintlichen Triumph einer Bewegung verkünden, die Europa ins Chaos und Deutschland in den Untergang führen wird. Und für Millionen den Tod bedeutet.

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Heinrich Teipel wurde 1885 in Arnsberg geboren und legte am Laurentianum das Abitur ab.

Der promovierte Tierarzt wurde nach Kriegsdienst und praktischer Tätigkeit in Balve 1921 Leiter des Schlachthofs Arnsberg.

1924 trat er der NSDAP bei, gründete die NSDAP-Ortsgruppe Arnsberg, saß seit 1924 im Stadtrat, stieg zum Kreisleiter und 1933 zum Landrat auf.

Wegen eines Prozesses gegen seine Frau wegen illegaler Lebensmittelbeschaffung fiel er in Ungnade, fungierte dann u.a. aber noch als Gebietskommissar für die Ukraine.

1945 beging er Selbstmord.

Aber weil die Zeitzeugen, die dieses dunkle Kapitel erlebt haben, immer weniger werden, gelte es, so Schulte-Hobein, die Erinnerung für nachfolgende Generationen zu bewahren.

Regionale Geschichte

„Damit so etwas nicht noch einmal passiert. Deshalb widmen wir dem Thema Nationalsozialismus, heruntergebrochen auf die Region, breiten Raum.“ Und damit auch dem Streit um das Hakenkreuz auf dem Glockenturm.

Daher sucht die Museums-Mannschaft nun ein Original des Flugblattes, mit dem Teipel sein Vorgehen zu rechtfertigen versuchte und zugleich den aufrechten Propst Bömer als üblen Staatsfeind hinstellte.

„Haben die Hoffnung, dass noch ein Original existiert“

Würdigung? Eher Fehlanzeige

Ein mutiger Mann, wie es gerade in den Reihen der katholischen Priester in der NS-Zeit viele gab, die gegen Unrecht und Unmenschlichkeit aufbegehrten. So ist Propst Joseph Bömer heute noch Vorbild, wenn es heißt, seine Meinung - auch als Minderheit - nachhaltig zu vertreten. Selbst die Gefahr beträchtlicher persönlicher Konsequenzen, und da fackelten die Nazis nicht lange, schreckten Bömer nicht ab.

Aber wie wird heute dieser aufrechte Mensch gewürdigt? Kaum. Es gibt zwar eine kleine Bömer­straße, aber nur wenige wissen diese in den richtigen Bezug zu setzen. Ein Hinweis unter dem Straßenschild? Fehlanzeige. Hier ist dringend nachzubessern, denn viele große Söhne und Töchter hat die Stadt nicht. Und Joseph Bömer war ein großer!

„Wir haben durchaus die Hoffnung, dass noch das eine oder andere Exemplar existieren könnte, vielleicht vergessen auf dem Dachboden.“ Immerhin sei es im April 1937 überall in der Stadt verteilt und auch ausgehängt worden.

Original wirkt stärker

„Möglicherweise,“ so Jürgen Schulte-Hobein, „wird uns ein solches Flugblatt ja als Dauerleihgabe überlassen. Denn ein Original erzielt stets eine größere Wirkung als eine Kopie.“