Neheim. . Neheimer SUG-Schüler zeigen in Kunst-Projekt persönliche Anteilnahme am Schicksal ertrunkener Zwangsarbeiterinnen.
Ein anspruchsvolles Kunstprojekt mit 17 Schülern des Neheimer St.-Ursula-Gymnasiums läuft derzeit im Atelier der Neheimer Künstlerin Astrid Breuer. 15 Schülerinnen und zwei Schüler aus den Jahrgangsstufen 10, 11 und 12 setzen sich mit dem Grauen der Möhnekatastrophe auseinander. Im Zweiten Weltkrieg hatten in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 britische Bomberpiloten die Möhnesperrmauer zerstört und lösten so eine Flutwelle aus, durch die mehr als 1500 Menschen getötet wurden. Allein mehr als 700 Zwangsarbeiter/innen starben in einem überspülten Lager im Neheimer Möhnetal.
Portrait-Fotos als Grundlage
Anhand der Portrait-Fotos von 17 Zwangsarbeiterinnen, die damals in den Wasserfluten ertranken, startete Astrid Breuer das von ihr begleitete Kunstprojekt, das dem Massentod Gesichter geben will. Jeder der 17 teilnehmenden SUG-Schüler erhielt eine von 17 großen Reproduktionen von Portraitbildern, die damals für die Gefangenenkartei des Lagers gemacht wurden. Viele dieser Zwangarbeiterinnen waren damals noch sehr jung. So erstellt nun jeder der 17 SUG-Schüler zu dem Originalbild ein weiteres persönliches Bild, das die Empfindungen eines heutigen Jugendlichen mit einer Altersgenossin darstellt, die etwa in dem Lebensalter starb, in dem sich nun ein junger Mensch mit dem Tod durch Ertrinken befasst.
Bewegende Fragen
Was hätte das Mädchen noch alles erleben können, wenn es nicht ertrunken wäre? Welche Qualen durchlitt es im Lager? Was empfinde ich, wenn ich das Bild einer in jungen Jahren verstorbenen Frau sehe? Dies waren einige der Fragen, mit denen sich die SUG-Schüler auseinandersetzten, bis sie dann - ganz individuell - Wege für die künstlerische Umsetzung fanden.
„Ich bin fasziniert von den vielfältigen Kunstformen, mit denen die Jugendlichen den schrecklichen Tod der Zwangsarbeiterinnen nun in unsere heutigen Zeit transferieren und diesem Tod eine neu, für sie persönliche Bedeutung geben“, berichtet Astrid Breuer, die für das Kunstprojekt ihr Atelier im Gebäude „Kunst-Werk“ zu Verfügung stellte. Finanziell gefördert wird das Projekt von der Bürgerstiftung Arnsberg, wodurch insbesondere die Anschaffung von Kunst-Materialien und die spätere Dokumentation (ein Katalog wird noch erstellt) ermöglicht wird.
Unsere Zeitung hatte nun Gelegenheit, sich vom Fortgang der künstlerischen Arbeiten der SUG-Schüler ein Bild zu machen. Die Neheimerin Sarah Feldmann, die am SUG die Jahrgangsstufe 11 besucht, stellt ihren persönlichen Bezug zum Bild dadurch dar, dass sie Plastiken ihrer Hände sowie eine Maske ihres Gesichts schuf. Dass dabei versehentlich drei Finger abbrachen, hat sich im Nachhinein als nicht schlimm herausgestellt, denn dies kann die Zerbrechlichkeit des Lebens bzw. den Bruch im Leben durch die plötzliche Wasserflut symbolisieren.
Leon Carvalho ergänzte das Portraitbild einer Zwangsarbeiterin dadurch, dass er Stacheldraht über das Bild spannt, grelles Überwachungs-Licht aufs Bild scheinen lässt und am Stacheldraht kleine Bilder von weiteren getöteten Zwangsarbeiterinnen aufhängt.
Alina Fabri aus Voßwinkel (Jahrgangsstufe 11) malt eine junge Frau, die im Wasser versinkt. Geschmückt wird das Bild mit Blumen und Schmetterlingen, die die untere Düsternis oben aufhellen. Lara Otto aus Bergheim zeigt anhand von reproduzierten Film-Negativstreifen, was „ihre“ Zwangsarbeiterin nicht mehr erlebte: John F. Kennedy, Fidel Castro etc.. Hinzukommt ein Hinterkopf-Portrait, das Lara in einem Matrosenanzug zeigt, den damals auch die Portraitierte trug.
Ausstellung geplant
Zum 75. Jahrestag der Möhnekatastrophe werden die Kunstwerke der Neheimer SUG-Schüler in einer Ausstellung gezeigt, die am Sonntag, 13. Mai, um 17 Uhr auf der 2. Etage des Gebäudes „Kunst-Werk“, Möhnestraße 59 in Neheim, eröffnet wird. Ehrenamtliche Begleiterin des Projekts ist die Künstlerin Astrid Breuer. Zur Ausstellung gehört auch eine historische Dokumentation. Unter den Exponaten befindet sich auch das Modell einer Zwangsarbeiter-Baracke, um sich ein Bild vom damaligen Leben im Lager machen zu können.