Arnsberg/Hochsauerlandkreis. . Bildungsgänge für Fleischer-Handwerk am Berufskolleg am Eichholz werden aufgelöst. Berufsschule findet künftig in Dortmund, Siegen oder Unna statt.

Wer im Hochsauerlandkreis Fleischer oder Fleischerei-Fachverkäufer/-in lernen möchte, muss zukünftig weite Wege in Kauf nehmen (Dortmund, Unna oder Siegen), um den Berufsschulanteil dieser Ausbildung zu absolvieren: Der Kreistag hat während seiner Sitzung am Freitag die Auflösung der Bildungsgänge Fleischer/-in und „Fachverkäufer/-in im Lebens­mittelhandwerk, Fleischerei“ am Berufskolleg (BK) am Eichholz beschlossen – Hintergrund: Das Bewerberaufkommen ist viel zu gering:

Keine neuen Azubis am BK Eichholz

Zum Ausbildungsjahr 2017/2018 wurden keine neuen Auszubildenden in diesen Bildungsgängen am BK am Eichholz aufgenommen!

Das Fleischerhandwerk

Das Fleischerhandwerk ist ein modernes Dienstleistungsgewerbe mit starker Hightech-Komponente, in dem sich alles um Genuss und Qualität dreht. Gelernt werden Auswahl und Beschaffung des Rohmaterials aus gesicherter, kon­trollierter Herkunft sowie die anschließende Veredelung – von der Herstellung traditioneller Fleisch- und Wurstspezialitäten bis hin zur Entwicklung und Zubereitung neuer kulinarischer Ideen.

Während der dreijährigen Ausbildung wird alles zur Herstellung von Wurst, Schinken und anderen Fleischprodukten vermittelt. Dazu gehören neben Verarbeitung und Veredelung auch Lebensmitteltechnologie, Qualitätssicherung und Hygiene sowie der Umgang mit moderner Fleischereitechnik.

Im letzten Ausbildungsjahr stehen sechs Wahlqualifikationsbausteine zur Wahl: Schlachten, Herstellen besonderer Fleisch-/ Wurstwaren, Herstellen von Gerichten, Veranstaltungsservice, Kundenberatung und Verkauf, Verpacken von Produkten.

Bereits im Juli hatte die Kollegleitung die Bezirksregierung Arnsberg informiert, „dass in absehbarer Zeit keine positive Entwicklung der Ausbildungsverhältnisse in den besagten Berufen zu erwarten ist. Derzeit befinden sich 12 Schüler/-innen im Bildungsgang Fleischer/-in in der Mittelstufe, acht weitere in der Oberstufe.

Bei den Fleischerei-Fachverkäufer/-innen sind es sechs in der Mittel- und neun in der Oberstufe. Somit wurde in zwei auf­einander folgenden Jahren der „Klassenfrequenzrichtwert“ von 16 Schüler/innen nicht erreicht. Die Bezirksregierung hat daraufhin den Hochsauerlandkreis als Schulträger auffordern müssen, einen Beschluss über die auslaufende Beschulung in den betroffenen Bildungsgängen ab dem Schuljahr 2017/2018 herbeizuführen. So sieht es das NRW-Schulgesetz vor.

Positive Nebeneffekte

Positive Nebeneffekte: Die noch laufenden Ausbildungsgänge am BK am Eichholz werden bis zum Abschluss der Ausbildung fortgesetzt. Und sollte sich die Zahl der Ausbildungsverhältnisse in diesen Berufen zukünftig wieder positiv entwickeln, können die Bildungsgänge nach einem entsprechenden Beschluss des Schulträgers wieder eingerichtet werden. Doch woran liegt es, dass derzeit kaum noch jemand mit Fleisch arbeiten möchte?

Im Drei-Fragen-Interview unten versucht Markus Kluft, das Problem aus Sicht der Handwerkskammer (HWK) Südwestfalen zu analysieren. Nicht ganz einfach, denn die Zahlen, welche der Pressereferent der Kammer auf Anfrage nennt, sind ernüchternd: Ende 2016 haben im gesamten Kammerbezirk (Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, Kreis Olpe, Kreis Siegen/Wittgenstein) nur 23 Azubis Ausbildungsverträge als Fleischer unterschrieben, bei den Fachverkäufer/-innen 26. Auch die Zahl der Betriebe ist rückläufig, ­Ende 2016 gab es im Kammerbezirk nur noch 192 Fleischereien, 62 ­davon im Hochsauerlandkreis.

Neheimer Fleischer steuert gegen

Dass es auch anders laufen kann, beweist die Fleischerei Veh in Neheim: Betriebsleiter und Ausbilder Heinrich Veh hat in seinem Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren 27 junge Menschen ausgebildet – und das in der Regel mit Höchstleistungen. Die Erfolge seiner Auszubildenden sind zahlreich. Einen Landessieger, einen Förderpreis der Deutschen Fleischwirtschaft und eine Vielzahl an Absolventen mit Bestnoten kann der Betrieb vorweisen. Mit vier Frauen in der Fleischzerlegung – ob als Meisterin, ­Gesellin oder Auszubildende – ist das Unternehmen darüber hinaus auch sehr an der Frauenförderung im Fleischerhandwerk interessiert – bis in den engsten Familienkreis. Heinrich Veh hat es sich außerdem auf die Fahnen geschrieben, aus sozial schwachen Verhältnissen stammende, aber vielversprechende Auszubildende über den betrieblichen Ablauf hinaus regelmäßig zu fördern: Ob Hilfe bei der Meisterprüfung oder Unterstützung bei der Wohnungssuche – das Veh-Team steht immer hinter seinen Azubis. Diese geben es zurück: Eine Auszubildende ist sogar als Ausbildungsbotschafterin für die Handwerkskammer Südwestfalen tätig.

Drei Fragen an Markus Kluft, Sprecher HWK:

1 Ist die Ausbildungssituation bei den fleischverarbeitenden Berufen im HSK tatsächlich so prekär?

Es herrscht tatsächlich bereits seit vielen Jahren im gesamten Kammerbezirk in diesem Berufszweig großer Mangel an Auszubildenden. Die Handwerkskammer weiß um dieses Problem, weist immer wieder darauf hin und versucht, gegen zu steuern.

2 Wo liegen mögliche Ursachen dafür, dass junge Menschen kaum noch Fleisch verarbeiten oder verkaufen wollen?

Dafür gibt es verschiedene Ursachen, ganz entscheidend scheint mir zu sein, dass sich in den Hinterköpfen vieler junger Leute bis heute noch immer antike Vorstellungen über das Berufsbild Fleischer und Fleischerei-Fachverkäufer/-in festgesetzt haben. Da findet sich die Vorstellung vom blutigen Handwerk des Schlachters. Dabei sieht die Realität längst anders aus. Vieles läuft hoch technisiert ab, es ist außerdem keine Fließbandarbeit im Akkord wie im Schlachthof (siehe Info im Kasten oben rechts). Aber das Handwerk hat ja auch insgesamt mit Vorurteilen zu kämpfen...

3 Was unternehmen Kammer und Betriebe, um dieser Entwicklung Herr zu werden?

Es gibt bei der Handwerkskammer Südwestfalen ein Team Fachkräftesicherung. Diese aus etwa zehn Mitarbeitern bestehende Gruppe ist ständig im Einsatz, um die Handwerksberufe – Fleischer/-in ebenso wie weitere – bekannter zu machen und für Nachwuchs zu werben. Das Team geht in Schulen und auf Ausbildungsmessen, macht außerdem Elternarbeit. Wichtig ist aber, ein möglichst realistisches Berufsbild zu vermitteln, um Irrtümer und Enttäuschungen zu minimieren. Ganz wichtig sind darum auch die Ausbildungsbotschafter, junge Azubis, die für ihre Berufswahl Werbung an geeigneter Stelle machen.