Oeventrop. In Oeventrop lebender syrischer Bauingenieur ist seiner Familie nur am Handy ganz nah. Bislang vergeblich hofft er auf einen Familiennachzug.

  • Syrischer Bauingenieur arbeitet in Arnsberg, vermisst aber seine Familie
  • Asylantrag wurde abgelehnt
  • Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis aufgrund des subsidiären Schutzstatus

Wenn er seiner Frau und seinen Kindern ganz nah sein will, greift er zum Smartphone. Jeden Tag, oft stundenlang. Seit zwei Jahren konnte er seine Liebsten nicht mehr in den Arm nehmen. Yousef Al Nemer ist ein in Oeventrop lebender Flüchtling. Der Bauingenieur genießt so genannten subsidiären Schutz. Sein Asylbegehren wurde abgelehnt. Seine Frau und die drei Kinder im Alter zwischen vier und 14 Jahren darf er daher nicht zu sich holen. Der Syrer ist kein Einzelfall - seine Geschichte steht für viele, für eine verzwickte Lage zwischen gesetzlichen Regelungen und menschlichen Tragödien.

Frau und Kinder in Jordanien

Aus dem Bürgerkriegsort Daraa, wo der „Befreiungskrieg“ begann, floh Yousef mit seiner Familie nach Jordanien. Haus, Auto und seinen Job ließ er im März 2015 zurück, weil er sich wie viele andere dem Militärdienst im Assad-Regime entziehen wollte. In Jordanien lebte die Familie in Sicherheit. Arbeiten durfte Yousef wie alle Flüchtlinge in Jordanien nicht. Er zog weiter nach Deutschland, zahlte mehrere tausend Euro an einen Schlepper.

Subsidiärer Schutz

Subsidiären Schutz genießen Flüchtlinge in der EU dann, wenn ihnen nach Nicht-Anerkennung ihres Asylantrages bei Abschiebung in ihr Herkunftsland „ernsthafter Schaden“ drohen würde.

Als ernsthafter Schaden gilt: die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts.

Es gilt eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, bei Verlängerung: jeweils zwei weitere Jahre. Unbeschränkter Arbeitsmarktzugang und Erwerbstätigkeit sind gestattet. Unter bestimmten Voraussetzungen folgt nach fünf Jahren ein Niederlassungsrecht.

Jetzt sitzt die Familie in der Zwickmühle. Yousef verlöre seinen Schutz-Status, wenn er den europäischen Schengen-Raum verließe, seine Familie sitzt in Jordanien fest. Das Flüchtlingslager haben Frau und Kinder verlassen können. Die 32-jährige Lehrerin und die 10- und 14-jährigen Mädchen sowie der vierjährige Junge wohnen jetzt in der Hauptstadt Aman. Yousef und seine inzwischen im Nahen Osten verstreuten Geschwister - das sind immerhin zehn - finanzieren dort eine Wohnung.

Der 40-jährige Yousef könnte eine Bilderbuch-Integrationsgeschichte schreiben.Seine Sprachkurse absolvierte er erfolgreich bis zum B2-Niveau, sein Studium wurde anerkannt und nach einem Praktikum arbeitet er in seinem Beruf in einem Arnsberger Ingenieurbüro. Und doch spricht er von „einer komplett aussichtslosen Situation“. Hilfe findet er bei Elke Barz-Hoppe und Ludwig Hoppe, in deren Haus in Oeventrop er in einer Einliegerwohnung lebt.Sie helfen Yousef, wo sie können. Gesetze ändern können sie aber auch nicht. „Das Argument, dass er doch finanziell auf eigenen Beinen steht und sich selber hilft, zieht nicht“, bedauert das Ehepaar. Mit einem offenen Brief wandten sich beide schon an die Politik, um zu erfahren, wie es die Parteien nach der Wahl mit dem „Familiennachzug“ halten wollen. Eine Antwort erhielten sie bislang nur von den „Grünen“.

Der „Tiger“ ist entmutigt

Yousef Al Nemer hat einen stolzen Namen. „Das heißt Tiger“, sagt er. Der „Tiger“ aber ist zunehmend entmutigt. Sein Anwalt will Widerspruch gegen die Asylablehnung einlegen, weil in anderen Gerichten weniger rigoros entschieden wird. „Ich muss warten“, sagt Yousef. Immer wieder hieß es, dass ab März 2018 der Familiennachzug für alle Flüchtlinge möglich sei. Ob und wie schnell das dann geht - da bleiben Zweifel und Sorgen. Er setzt die Hoffnung auf künftige „Fall zu Fall-Entscheidungen“.

Der Vater wird weiter zum Handy greifen müssen. „Wenn alles gut ist, telefonieren wir zwei Stunden, wenn ich traurig bin, nicht so lang. Dann tut es weh“, erzählt Yousef. Am schlimmsten sei es, wenn es Probleme gäbe, Kinder krank sind oder die Frau weint und man sie nur am Telefon trösten kann.

Wenn er von Syrien spricht, verspürt Yousef Heimweh. „Natürlich habe ich Sehnsucht, da habe ich immer gelebt!“. Seine große Familie ist jetzt aber verstreut, auch die Eltern sind geflohen, die Stadt sei zerstört.

Yousef - einer von vielen Flüchtling in Deutschland.