Brilon. . Die Mitglieder des Rates der Stadt Brilon müssen in ihrer näheren Verwandtschaft nachforschen, ob dort jemand Land in jenem rund 14000 Hektar großen Bereich der Stadt besitzt, auf der potentiell Windkraft möglich ist. Es droht eine Befangenheitswelle.

Es könnte ein Termin in ganz kleinem Kreis werden: Wenn der Rat Brilon in einer Sondersitzung am 24. September die Flächen für Windkraftzonen festlegt, darf eine Menge Ratsmitglieder an dieser Entscheidung wegen Befangenheit nicht mitwirken. Das, so Planungsamtsleiter Gernot Oswald Donnerstagabend im Rat, betreffe alle, die selbst oder aber über die Verwandtschaft im Bereich der Potentialflächen über Besitz verfügen. Und die Potentialfläche ist gewaltig. Sie umfasst nämlich etwa zwei Drittel des Briloner Stadtgebietes, rund 14 000 Hektar oder 140 qkm.

Dabei handelt es sich um all jene Bereiche des 225 qkm großen Stadtgebietes, die unter Berücksichtigung der sogenannten „harten“ Ausschlusskriterien - das sind Siedlungsbereiche, Straßen, Bahnlinien, der Flugplatz am Thülener Bruch und besonders wertvolle Natur-, Wasser- und Landschaftsschutzgebiet - für den Bau von Windrädern letztlich in Frage kommen. Es ist nun Aufgabe des Rates, anhand sog. „weicher“ Kriterien auf diesen 14 000 Hektar konkrete Standorte für Windräder festzulegen.

Bei dieser Abwägung spielt die Befangenheit eine wesentliche Rolle. Sie betrifft nämlich nicht nur den eigenen Grundbesitz der Ratsmitglieder selbst, sondern auch den ihrer Verwandtschaft. Und zwar bis in den Großeltern- und Enkelbereich in der vertikalen Linie hinein und über Onkel und Nichten über die Geschwister hin zu den Schwägerinnen und Schwagern.

Ein Angehöriger, der innerhalb dieses Verwandtschaftsgrades in den Potentialflächen Land besitzt - egal, ob Eigentümer oder Pächter - löse die Befangenheit aus, sagte Oswald und er bat: „Jeder möge doch bitte mal in sich gehen.“

„Jeder möge doch bitte in sich gehen.“

Worauf ein kollektives Erstaunen im Rat die Runde machte. Bürgermeister Dr. Christof Bartsch war der erste, der spontan seine Befangenheit erklärte. Dieter Henke, CDU, ebenso: Seine Gattin stamme „aus einer der ältesten Familien Brilons“. Auch BBL-Ratsherr Reinhard Loos hält sich als Mitglied des Kirchenvorstandes der Propsteigemeinde für befangen. Er ärgerte sich darüber, dass die Verwaltung den Rat erst in der Sitzung mit dem Problem konfrontiere: Es sei ihre „verdammte Pflicht und Schuldigkeit“ gewesen, eher darauf hinzuweisen. Wofür er - selten genug - von der CDU Beifall erhielt. Deren Sprecher Eberhard Fisch bat darum, den Ratsmitgliedern eine Karte in einem Maßstab vorzulegen, „die eine rechtssichere Einschätzung“ überhaupt möglich mache.

Welche Auswirkung die absehbare massenhafte Befangenheit auf die Beschlussfähigkeit des Rates haben wird, will Dr. Bartsch noch prüfen lassen. Laut § 49 der Gemeindeordnung ist der Rat beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner gesetzlichen Mitglieder - das wären in Brilon 19 - anwesend sind. Zudem gilt der Rat solange als beschlussfähig, „solange seine Beschlussunfähigkeit nicht festgestellt“ ist. In der Rechtskommentierung sei allerdings strittig, ob bereits gleich zu Beginn einer Sitzung eine Beschlussunfähigkeit vorliegen könne

Beschlussfähigkeit prüfen

Dr. Bartsch: „Wir werden das bis zur Sitzung absichern.“ Wenn die Formalien geklärt sind, geht es ans Eingemachte. Eine Frage bei der Abwägung wird sein, inwieweit der Rat in Anbetracht der Flächenvorgaben durch die Regionalplanung überhaupt noch eigene weitere Flächen ausweisen will oder aber vorgeschlagene Gebiete, etwa am Borberg, überhaupt abwehren kann.