Bruchhausen.
Der Blick von den Bruchhauser Steinen ist einfach nur erhebend und atemberaubend. Ein junger Wanderer hat sich an den Rand eines Felsens gesetzt und lässt sichtlich zufrieden das Auge schweifen. Er zündet sich eine Zigarette an, um den Schwarm fliegender Ameisen zu vertreiben. Doch die Insekten hat er bald vergessen. Denn weitaus spannender findet er das Gespräch, das Frank Leissmann, Winfried Rampe und Stephan Koch oben auf dem Gipfel mit einem Reporter führen. Sie haben eine riesige Faltkarte ausgeklappt, die Bruchhausen, das Umland und die geplanten Windräder zeigt. „Dort drüben auf dem Heidkopf sollen die Anlagen mit 185 Metern Höhe entstehen.“ Der Wanderer traut seinen Ohren nicht. „Windkraft? Hier bei Euch? Krass!“, sagt er und schüttelt den Kopf.
Mit der Meinung steht er nicht alleine da. Den steilen Weg auf den Feldstein haben übrigens auch die Olsberger Ratsmitglieder noch vor sich – wenn sie denn mitmachen. Denn die Windkraftgegner aus Bruchhausen möchten den kompletten Stadtrat hier hoch lotsen, um zu zeigen: „Was da momentan politisch diskutiert wird, geht gar nicht!“, so Stephan Koch von der Bürgerinitiative „Gegenwind Bruchhauser Steine“. Anders, als manche Bürger, die nur ihren Kirchturm und ihr Landschaftsbild schützen wollen, gehen die Windkraftgegner in dem Golddorf noch einen Schritt weiter. Winfried Rampe: „Wir sind der Ansicht: Windkraft im eigentlichen Hochsauerland geht gar nicht!“ Die Bruchhauser bemühen auch gar nicht erst die lange Liste von Mythen, die sich ihrer Ansicht nach um den vermeintlichen Segen der Windkraft rankt. „Damit kommen wir hier politisch nicht weiter. Wir müssen vor Ort etwas tun. Denn wir haben das Gefühl, dass weder die Entscheidungsträger noch die Bürger eine realistische Vorstellung von den Dimensionen haben. Keiner ahnt, wie groß diese Anlagen tatsächlich ausfallen, wie erheblich die Eingriffe in die Landschaft sind“, sagt Winfried Rampe. „Auf eine Strecke gesehen, kann man sich vorstellen, wie lang 200 Meter sind. Aber nach oben ist nur der Himmel, da fehlt jede Relation“, ergänzt Frank Leissmann.
Und damit schieben die Drei und die Bruchhauser Windkraftgegner auch schon einen schwarzen Peter in Richtung Kommune. Die Fotos, mit denen die Stadt die möglichen Windkraftstandorte auf ihrer Internetseite und auch in den öffentlichen Sitzungen vorstelle, seien „Volksverdummung“, nehmen die Bruchhauser kein Blatt vor den Mund. Leissmann: „Die Stadt arbeitet hier mit Fotos, die mit einem 28-Millimeter-Weitwinkel-Objektiv aufgenommen wurden. Das menschliche Auge guckt aber im Normalfall mit 55 Millimeter Brennweite.“ Dadurch würden die tatsächlichen Ausmaße verniedlicht. In die Visualisierungen seien viel kleinere Windräder einmontiert worden. „Tatsächlich werden sie unsere Landschaft dominieren und verunstalten. Der Wald um den Standort nebst Stellplatz für den Kran wird dauerhaft gerodet sein. Das heißt: Jede Anlage steht landschaftlich nicht nur auf den Kammhöhen, sondern zusätzlich auf einem Präsentierteller“, heißt es in einem Flyer der Bürgerinitiative der mit der Aufforderung „Wehrt Euch!“ endet.
Hoffnung durch OVG-Urteil
Dass sich ganz normale Bürger in solch eine Rolle des Sich-Wehren-Müssens gedrängt fühlen, zeigt, wie sehr das Thema die Gemüter erhitzt. Rund 1400 Unterschriften gegen das Vorhaben wurden in Bruchhausen und Umgebung gesammelt. „Die Leute haben uns die Listen aus der Hand gerissen. Viele haben gar nicht gewusst, was hier geplant ist“, ärgert sich Stephan Koch. Die Unterschriften sollen Bürgermeister Fischer überreicht werden. Aber auch viele Gäste haben signiert. „Ein treuer Urlauber aus Hamburg hat mir gesagt: wenn die Spargelstangen bei Euch demnächst auch so wuchern, dann kommen wir nicht mehr wieder“, so Koch weiter.
Große Hoffnung setzen die Windkraftgegner in ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster (Aktenzeichen 7 A 3329/01) aus dem Jahre 2004. Bei ausgedehnten Internet-Recherchen ist Winfried Rampe auf das Dokument gestoßen: „Schon einmal wurde versucht, im Umfeld der Bruchhauser Steine zwei Windkraftanlagen zu errichten. Das sollten wesentlich kleinere Anlagen werden.“ Das ausgesprochen umfangreiche Urteil des OVG hat in der Tat für ein juristisches Schriftwerk erstaunlich lebendige Sprachelemente. Rampe: „Das ist eine Liebeserklärung an unsere Region. Und ganz klar ist dort nicht von irgendwelchen Abständen die Rede, die zur Wohnbebauung einzuhalten sind.
Landschaft bewahren
Dort steht, dass Windkraftanlagen das Bild der grandiosen Landschaft und insbesondere den Ausblick von den Steinen erheblich stören würden.“ Die Firma, die im Fall Olsberg an den Plänen und Visualisierungen arbeitet, habe sich aus dem Gutachte die für sie günstigen Rosinen herausgepickt.
Rampe: „Ganz klar ist dem OVG-Urteil vom Landschaftsbild und nicht vom Zollstock, also von Abständen, die Rede.“ Die Bruchhauser Windkraftgegner haben sich erkundigt, welche Möglichkeiten sie gegen die geplanten Anlagen haben. Selbst ein Bürgerbegehren ziehen sie ins Kalkül. Aber viel eher hoffen sie auf Einsicht und ein Einlenken der Politik. Auf Einsicht dafür, dass der Blick oben vom Feldstein so bleiben muss wie er ist – mit fliegenden Ameisen, aber ohne fliegende Rotorblätter.