Olsberg. . Die Stadt Olsberg geht auf Distanz zu Maria Kahle. Der nach ihr benannte Weg soll künftig Josef-Rüther-Straße heißen. In der Ratssitzung am Donnerstag soll die Umwidmung vorgenommen werden. Die Initiative dazu hat Bürgermeister Wolfgang Fischer ergriffen.

Die Stadt Olsberg geht auf Distanz zu Maria Kahle. Der nach ihr benannte rund 250 m lange Weg von der Stehestraße zum Rathaus soll künftig Josef-Rüther-Straße heißen. In der Ratssitzung am Donnerstag, 21. Februar, soll die Umwidmung vorgenommen werden. Die Initiative dazu hat Bürgermeister Wolfgang Fischer ergriffen. Anlass: Die im Januar in den „Daunlots Nr. 60“ veröffentlichte umfangreiche Dokumentation des Christine-Koch-Mundartarchivs Eslohe mit dem Titel „Der völkische Flügel der sauerländer Heimatbewegung“.

Darin beschäftigt sich der Autor, Peter Bürger, 1961 in Eslohe geborener Theologe und Publizist, mit Josefa Behrens-Totenohl, Georg Nellius, Lorenz Pieper und eben auch Maria Kahle. Nach Lektüre der 16 Seiten über die Literatin und Journalistin aus Olsberg stand für Fischer fest: „Wir können es uns nicht länger erlauben, ein derartiges Gedankengut mit einer Straße zu ehren,“ so Fischer zur WP.

Während in anderen Kommunen - etwa in Brilon im Zusammenhang mit dem Carl-Diem-Weg - im Vorfeld eine breite Diskussion in den politischen Gremien stattgefunden hat, geht in Olsberg die Umwidmung ohne Vorberatung in den Ausschüssen gleich im Rat über die Bühne. Mit den drei Fraktionsvorsitzenden sei die Umbenennung diskutiert und abgesprochen, sagt Fischer. Und Aschermittwoch noch hatte er Eigentümer und Anwohner der Maria-Kahle-Straße - darunter der Caritasverband, Praxen, eine Versicherung - zu einem Gespräch ins Rathaus eingeladen. Fischer: „Die Politik unterstützt die Umwidmung sehr konsequent.“ Auch der Olsberger Heimatbund trage das Vorhaben mit.

Maria Kahle (1981 - 1975) stammt aus Wesel. 1908 zog die Familie, der Vater war Eisenbahner, nach Olsberg. 1913 reiste sie zu einem Verwandtenbesuch nach Brasilien. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte eine Rückkehr. Die junge Frau absolvierte eine Ausbildung als Journalistin und arbeitete bei einer deutschsprachigen Zeitung in Brasilien sowie als Auslandskorrespondentin. 1920 kehrte sie nach Europa zurück. Bis 1926 war sie für die Zeitung Der Jungdeutsche in Kassel tätig, das Organ eines antidemokratischen und antisemitischen Jungdeutschen Ordens.

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung tat sie sich als „völkisch rassistische Propagandistin“, wie die Mescheder Historikerin und Heimatforscherin Dr. Erika Richter einmal veröffentlichte, hervor. Nach dem Krieg verfasste Maria Kahle unverfängliche Jugend- und Trivialliteratur.

Der Sauerländer Heimatbund betonte die aus ihrem Werk sprechende Heimatliebe, die ernsthafte Literaturkritik, so Peter Bürger, dagegen bewerte ihr Werk als „Schwulst mit angestrengten Bildern“ und bescheinige ihr eine „nur noch schwer erträgliche Heimatverklärung.

Auch Dr. Hans-Günther Bracht (66) aus Brilon, Rektor des Franz-Spee-Gymnasiums Rüthen, hat sich kritisch mit Werk und Wirken Maria Kahles befasst. Er sei positiv überrascht, wie konsequent sich die Stadt Olsberg den jüngsten Erkenntnissen stelle. Zwar sei Maria Kahle eine für die damalige Zeit durchaus emanzipierte Frau gewesen, sie tauge jedoch weder wegen ihres ideologischen noch literarischen Werkes als Vorbild. Die Straße jetzt ausgerechnet nach einem ihr in damaliger Zeit diametral entgegenstehenden und verfolgten Sauerländers zu nennen, sei „beeindruckend“.

Bürgermeister Wolfgang Fischer: „Es ist politisch das richtige Zeichen, Josef Rüthers Wirken nun in dieser Form zu würdigen.“

Josef Rüther (1881 - 1972) war Theologe, Pädagoge, Pazifist und Heimatforscher. Er steht „für den Versuch, katholisch begründete, sehr prinzipielle Kritik an der deutschen Gesellschaft und am deutschen Staat mit der heimatlichen Lebenswelt zusammen zu halten.“ (Prof. Arno Klönne, Paderborn)

In Brilon gibt es einen Gebrüder-Rüther-Weg sowie eine von dem Bildhauer Boris Sprenger gestaltete Bronzetafel in Erinnerung an Josef (1881 - 1972) und Theodor (1885 -1968) Rüther.

Prof. Sigrid Blömeke, 1965 in Olsberg geboren, ist Erziehungswissenschaftlerin an der Humboldt-Universität in Berlin. 1992 hat sie am Beispiel von Josef Rüther unter dem Titel „Nur Feiglinge weichen zurück“ eine biographische Studie zum Linkskatholizismus im Sauerland veröffentlicht. Sigrid Blömeke zur Straßenumwidmungsabsicht in Olsberg:

„Josef Rüther erhält als gebürtiger Assinghäuser durch diese Initiative endlich die überfällige Würdigung seitens der Stadt Olsberg. Als Pazifist und Linkskatholik hat er früh vor den Gefahren des Nationalsozialismus gewarnt, dessen Opfer er nach 1933 durch die Entlassung aus dem Schuldienst und die Inhaftierung 1944 wurde. Dass Personen wie Maria Kahle nach 1945 positiver wahrgenommen wurden als Angehörige des Widerstands hat Josef Rüther nie wirklich verkraftet. Daher danke ich Herrn Bürger für seine Initiative.“