Winterberg/Münster. . Das Land NRW muss seinen Lehrern die Reisekosten für Klassenfahrten erstatten. Das entschied das Oberverwaltungsgericht in Münster am Mittwoch für verbeamtete Pädagogen. Geklagt hatte ein Oberstudienrat aus Winterberg.

Ein Lehrer aus dem Sauerland hat das Schulministerium in die Knie gezwungen und die seit Jahrzehnten bestehende Praxis, Klassenfahrten davon abhängig zu machen, dass Lehrer auf Reisekosten verzichten, gekippt.

Karl-Franz Niemann, 63-jähriger Oberstudienrat am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Winterberg, hat beseitigt, was viele Lehrer als Demütigung empfunden haben. Bisher hatten die Lehrer angesichts knapper Reisekosten-Etats die Wahl zwischen zwei Übeln: auf die Rückerstattung ihrer Auslagen zu verzichten oder die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass es keine Schulfahrten gibt.

„Wir haben uns über das Urteil riesig gefreut“, berichtet Hans-Jürgen Igel. Der Jurist im Dienste des Deutschen Beamtenbundes hat den Oberstudienrat aus Winterberg vor Gericht vertreten. Den Medien, so Igel, stünde sein Mandant nicht zur Verfügung, „aber er hat mir Redefreiheit erteilt“. Karl-Franz Niemann wolle nicht im Mittelpunkt stehen, er sei ein bescheidener Mann. Ein Lehrer, der über einen langen Zeitraum Verzichtserklärungen angekreuzt und somit viele Male auf Reisekostenrückvergütungen verzichtet habe. „Die letzte Fahrt hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Er konnte einfach nicht mehr anders, als zu klagen.“

Es kommt noch Arbeit auf die Verwaltungsgerichte zu

Von Anfang an, erklärt Igel, sei es seinem Mandanten nicht um sich selbst gegangen. „Vor allem nicht so kurz vor der Pensionierung. Nein, es ging ihm ums Prinzip, um all die Lehrer, die auf Klassenfahrten über sich hinauswachsen müssen, um nicht mit einem Bein im Gefängnis zu stehen. Das sollte ich der Presse mitteilen.“

Das man den Oberstudienrat nicht als raffgierig bezeichnen könnte, habe sich vor Gericht offenbart, führt Igel fort. Im Zuge des Verfahrens sei angesprochen worden, dass auch die Tagessätze für Übernachtungspauschalen für Lehrer zu gering angesetzt seien. Niemann habe aber nicht darauf bestanden, dieses ihm womöglich zustehende zusätzliche Geld einzufordern. Igel sieht hier aber bereits weitere Arbeit auf die Verwaltungsgerichte zukommen.

Bei Pädagogen herrscht Genugtuung

Bei den Pädagogen in Südwestfalen herrscht Genugtuung. „Die Zeit war reif dafür“, freut sich Roswitha Franz (58), Lehrerin an der Kerschensteiner-Schule in Marsberg. Nur wer als Lehrer an einer Klassenfahrt teilgenommen habe, könne wissen, was da geleistet werde. „Die Verantwortung für die Schüler wiegt schwer, man ist fast rund um die Uhr im Einsatz, die Angst, dass einem der Kinder etwas passieren könnte, zerrt jede Sekunde an den Nerven. Und wenn man dann noch dafür selbst bezahlen muss, dann fühlt man sich - vorsichtig ausgedrückt - total missverstanden.“ Sie zollt Niemann Respekt: „Endlich hat mal einer den Mut aufgebracht, gegen diese Ungerechtigkeit anzugehen.“

Für Hans-Josef Berghoff (64), Lehrer an der St. Petri Hauptschule Hüsten, stellt sich die Frage nach der Reisekostenvergütung nicht mehr. „Ich werde in wenigen Monaten pensioniert.“ Als er von dem Urteil erfährt, ruft er: „Jaaaaaa." In den letzten Jahren sei er dreimal mit einer Klasse in Berlin gewesen, so der Arnsberger. 220 Euro habe ihn das pro Reise gekostet, nur 40 Prozent habe er als Kosten erstattet bekommen. „Zuletzt waren es 132 Euro, die ich aus eigener Tasche bezahlen musste. Das kann ich verkraften, fair ist es aber nicht.“

Berghoff kennt Lehrer, die ihm mitgeteilt haben, dass sie nicht mehr bereit seien, unter diesen Bedingungen Klassenfahrten zu organisieren. „Da gehört dann jede Menge Idealismus zu, um nicht zu resignieren.“ Er ahnt, dass mit dem Urteil eine Kostenlawine auf das Land zukommt. „Wesentlich wichtiger ist es aber, dass die Lehrer in Zukunft noch motivierter als zuvor Klassenfahrten durchführen.“